Immortal - War against all
Nuclear Blast / Rough Trade
VÖ: 26.05.2023
Unsere Bewertung: 6/10
Eure Ø-Bewertung: 3/10
Schwarze Rosen aus Bergen
So ein bisschen Kindergeburtstag geht selbst im Black Metal, wo es angeblich besonders trve und redlich zugeht. 2014 nämlich versuchte ein gewisser OIve Eikemo, besser bekannt unter seinem Pseudonym Abbath, sich mit einem juristischen Manöver die alleinigen Rechte am Bandnamen Immortal zu sichern. Was seine Kollegen Demonaz und Horgh eher mittelwitzig fanden und ihren Frontmann kurzerhand vor die Tür setzten. Was nun fünf Jahre später ebenjenen Demonaz, bürgerlich Harald Nævdal, geritten hat, selbigen Winkelzug auszuspielen, weiß dann wohl nur noch der Teufel höchstselbst. Und als sich der so düpierte Horgh vom norwegischen Patentamt bestätigen ließ, dass der Name nur der Band, nicht etwa einzelnen Mitgliedern gehören könne, machte Nævdal kurzen Prozess und erklärte sich zum alleinigen verbliebenen Gründungsmitglied, das eh an allen Songs beteiligt war. So kann man's also auch drehen ...
Sei es wie es sei, das wohl kauzigste Black-Metal-Projekt nach den überaus skurrilen Darkthrone ist demnach vom Trio zum Solo-Unternehmen geschrumpft, aber natürlich ist Demonaz der Meinung, selbst alles viel besser zu können – nur um sich für die Aufnahmen zu "War against all" nahezu das komplette Line-Up der Kollegen von Enslaved ins Studio einzuladen. Faszinierenderweise legt der eröffnende Titeltrack los, als hätte es diesen Streit nie gegeben. Mehr noch – der Song trümmert drauflos, als wären wir wieder in den Neunzigern, in der Second Wave of Black Metal, zu deren Spitzen Immortal unzweifelhaft zu zählen sind. Doch anders als damals ist der Sound zudem druckvoll, die Riffs tief in den Wurzeln des extremen Metal verwurzelt. Was in der folgenden Raserei namens "Thunders of darkness" umso deutlicher wird – Connaisseure des Genres hören hier deutliche Referenzen an die Death-Metal-Veteranen Morbid Angel, wenn man sich denn Demonaz' Gekeife ein paar Oktaven tiefer vorstellt.
Na klar, old school geht sowieso immer, und Metal-Fans sind durchaus für einen gewissen musikalischen Konservatismus berüchtigt. Die schleppenden Riffs von "Wargods" zeigen, dass Demonaz zumindest einen leisen Hintergedanken in diese Richtung verfolgt. Solange noch etwas Resthaar zum Schütteln vorhanden ist, wird ein solcher Midtempo-Stampfer immer funktionieren. Doch mehr und mehr wird deutlich, dass dem Norweger vielleicht doch ein gewisses Korrektiv fehlt. Songs wie "No sun" oder "Return to cold" sind zwar immer noch besser als so manches Gerödel vom Reißbrett einiger Epigonen, aber halt "nur" okay, während "Nordlandihr" ein wenig zu langatmig ist – angesichts der sehr kurzen Albumspielzeit von gerade mal 38 Minuten darf sich ein so versierter Songschreiber wie Demonaz schon die Frage gefallen lassen, ob es denn wirklich ein über sieben Minuten langes Instrumental braucht.
Glücklicherweise kriegt der Norweger gegen Ende noch die Kurve, und "Blashyrkh my throne" gerät tatsächlich zu einem im positiven Sinne selbstreferenziellen Schlussstück, indem es quer durch die Band-Epochen hüpft und dem eigenen Epos um die fiktive Eisstadt Blashyrkh tatsächlich noch neue Facetten entlocken kann. Und doch bleibt ein gewisser Zwiespalt. Ja, "War against all" ist ein gutes Album, allemal verstehen auch die Session-Musiker ihr Handwerk. Euphorie mag trotzdem nicht recht aufkommen, das Feuer, der Esprit konzentriert sich auf die erste Hälfte der Platte. Alben wie "At the heart of winter" bleiben somit unerreicht. Lustigerweise bringt sich derweil der damals schwer gescholtene Abbath wieder in Stellung, nimmt nach erfolgreichem Alkohol-Entzug und dem knallharten Album "Dread reaver" aus dem Jahr 2022 gar wieder das Wort "Reunion" in den Mund. Man darf gespannt sein, wie sich der Rosenkrieg zwischen den drei Alpha-Tieren weiter entwickelt. Auf Dauer tut er der Musik vermutlich nicht mehr lange gut.
Highlights
- War against all
- Thunders of darkness
- Blashyrkh my throne
Tracklist
- War against all
- Thunders of darkness
- Wargod
- No sun
- Return to cold
- Nordlandihr
- Immortal
- Blashyrkh my throne
Gesamtspielzeit: 38:08 min.
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2023-05-31 21:14:03 Uhr - Newsbeitrag
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Referenzen
Abbath; I; Emperor; Darkthrone; Sarke; Isengard; Bathory; Gorgoroth; God Seed; Ov Hell; Celtic Frost; Hellhammer; Triptykon; Secrets Of The Moon; Swallow The Sun; Borknagar; Ihsahn; Mayhem; Carpathian Forest; Satyricon; Watain; Enslaved; Belphegor; Impaled Nazarene; Marduk; Anaal Nathrakh; Nifelheim; Darkened Nocturn Slaughtercult; Possessed; Deströyer 666; Wolves In The Throne Room; Vintersorg; ICS Vortex; Venom; Dimmu Borgir; Cradle Of Filth
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