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Mystery - Redemption

Mystery- Redemption

Unicorn
VÖ: 15.05.2023

Unsere Bewertung: 9/10

Eure Ø-Bewertung: 5/10

Am rechten Fleck

Die Gefilde des Progressive Rocks sind weitläufig und unübersichtlich. Es gibt Gegenden, die eher den Kopf ansprechen, und es gibt Gegenden, die eher das Herz berühren. Die Grenzziehung gestaltet sich schwierig, gehen geballte Gefühlsregungen und technisch ambitionierter Tatendrang doch glücklicherweise oft Hand in Hand. Im Fall der kanadischen Band Mystery fiel die Positionierung allerdings eindeutig aus, als sie sich bereits 1986 im Herzland niederließ, wobei sie erst mit ihrem 2007 veröffentlichten Drittwerk "Beneath the veil of winter's face" richtig auf sich aufmerksam machen konnte. Seither haben Mystery dort einen sicheren und gepflegten Platz, auf dem sich ihre langsam, aber stetig wachsende Fangemeinde alle paar Jahre aneinander kuschelt, um die Ankunft eines neuen Albums zu feiern.

Großereignisse sind daraus allerdings nicht geworden, obwohl es der durchweg gebotenen Qualität angemessen wäre. Das mag daran liegen, dass diese Ecke des Herzlandes als nicht besonders cool oder attraktiv gilt. Hier geht es eher gemütlich, urig und bedächtig zu; die Entdeckung der Langsamkeit hat deutliche Spuren hinterlassen. Anders gesagt: Mystery spielen, despektierlich ausgedrückt, rückwärtsgewandten Altherren-Prog, der niemanden überfordern soll. Nicht unbedingt zum Wundern, sondern zum bedingungslosen Wohlfühlen. Das allerdings – und ihr achtes Album stellt es eindrucksvoll unter Beweis – haben sie inzwischen verinnerlicht und perfektioniert wie kaum eine vergleichbare Band.

Denn mit "Redemption" lösen die Kanadier alle Verheißungen ein, die sie über die letzten 13 Jahre in vierfacher Form abgegeben haben. Obwohl nach wie vor erstklassig, wirken ihre wichtigsten Alben, die seit dem 2010 herausgebrachten "One among the living" erschienen, im Rückblick wie bloße Gehversuche. Sichere Schrittfolgen, leichtfüßig und tänzelnd, stets zum erneuten Spaziergang einladend, aber doch keine derart tiefen Spuren hinterlassend. Melodien und Gesangslinien wie aus dem Lehrbuch des klassischen Prog, aber keine neuen Seiten hinzufügend. Vier anspruchsvolle Übungen, souverän absolviert, aber nur Testläufe für das Meisterwerk, das sie jetzt vorlegen. Eines, das 74 teils unfassbare Minuten dauert, die wie im Höhenflug vergehen.

Mit "Behind the mirror" schon sattsam, selbstbewusst und überraschend heavy einsteigend, wird es im dann folgenden Titeltrack zum ersten und nicht zum einzigen Mal überwältigend. Ein gnadenlos guter, leicht spukhaft wirkender Spannungsaufbau entlädt sich in einem außerweltlich und wehklagend wirkenden Refrain. Noch ganz ergriffen, läuft mittlerweile das eindringliche "The beauty and the least", dem das Kunststück gelingt, angesichts des gerade erst erlebten emotionalen Spektakels nicht zu verblassen. Jean Pageau, der sich neidischer Blicke von Rush-Shouter Geddy Lee sicher sein kann, singt mit den Gitarren leidenschaftlich um die Wette und stimmt abermals einen zum glückseligen Dahinscheiden schönen Refrain an. Und mittendrin beweisen die Herren der Rhythmusgruppe, dass sie zu den Besten ihres Fachs gehören, ohne mit ihrem Können übermäßig protzen zu müssen.

Im Gleichklang bleibend, vervollständigt mit leicht romantischem Touch "Every note" das dramaturgisch ausgefeilte Titel-Triumvirat, bevor die Band mit dem mitreißenden, auch thematisch aufwühlenden "Pearls and fire" gekonnt Tonalität und Tempo variiert und damit Sympathisanten des Genres ein glückliches Grinsen ins Gesicht malt – das auch beim sanftmütig schwelgenden "My inspiration" stehen bleiben und mit "Homecoming" ein Stück breiter werden dürfte, handelt es sich hier doch um einen dieser Songs, die üppiger und vielseitiger ausfallen, als es wegen der kurzen Spieldauer den Anschein hat.

Zum Schluss ist es – ganz standesgemäß – selbstverständlich ein kolossaler Longtrack, der nochmal alle verfügbaren Knöpfe drückt sowie die für ein solches Werk ohnehin unverzichtbaren Kopfhörer stärker an die Ohrmuschel. Dabei sind es erneut die hinreißenden Vocals, die nach dem Break in der 14. Minute wohlige Erinnerungen an Dream Theaters "The count of Tuscany" wecken und keine Wünsche offen lassen – außer, dass das Album nie enden möge. Und selbst wenn Mystery nüchtern betrachtet auch mit "Redemption" wohl eher keine Massenhysterie auslösen werden, haben sie nicht weniger als eine beeindruckende Gedenkstätte geschaffen, durch die das Herzland des Progressive Rock um eine Sehenswürdigkeit reicher ist.

(André Schuder)

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Highlights

  • Redemption
  • The beauty and the least
  • Every note
  • Pearls and fire
  • Is this how the story ends?

Tracklist

  1. Behind the mirror
  2. Redemption
  3. The beauty and the least
  4. Every note
  5. Pearls and fire
  6. My inspiration
  7. Homecoming
  8. Is this how the story ends?

Gesamtspielzeit: 74:06 min.

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(Neueste fünf Beiträge)
User Beitrag

Mr Oh so

Postings: 2972

Registriert seit 13.06.2013

2023-08-18 14:38:28 Uhr
Irgendwie komme ich immer wieder auf das Album zurück. Auch wenn ich es noch nie geschafft habe, das Ding am Stück durchzuhören. Käsig, klar, aber ein paar ganz brauchbare Songs trotz allem. Der Opener wird sicher in meiner Jahresliste auftauchen.

tjsifi

Postings: 786

Registriert seit 22.09.2015

2023-05-30 19:01:47 Uhr
Sehr schönes Album. Technische Perfektion, tolles Songwriting. Keine Längen, trotz der Laufzeit. Jeder Song hat mehrere Highlights. Heute 3x am Pool im Urlaub durchgehört. Tendiere zu einer 8/10.

Mr Oh so

Postings: 2972

Registriert seit 13.06.2013

2023-05-27 18:52:20 Uhr
Marküs
Man kann eine KI darauf ansetzen, welche Punktzahlen dort vergeben werden, ernsthaft.


Also, man kann die BBS für vieles kritisieren, ich kann sie auch meist nicht ganz ernst nehmen. Aber eben gerade weil es keine einheitliche Linie gibt. Die Bewertungen sind teils völlig erratisch und - auch wenn es natürlich keine Objektivität gibt - in Einzelfällen manchmal geradezu absurd.

Davon abgesehen ist eine 10/15 ja nicht sooo schlecht. Und dagegen dass die Klassiker von Yes und Konsorten hoch bewertet werden, spricht ja auch nix.

Marküs

Postings: 1234

Registriert seit 08.02.2018

2023-05-27 18:05:24 Uhr
Ja sie ist retro natürlich. Keine Frage. Aber sie ist halt trotzdem nun wieder nicht proggig genug für Babyblaue Seiten. Daher nur 10/15. Man kann eine KI darauf ansetzen, welche Punktzahlen dort vergeben werden, ernsthaft. Scheußlich dort. Am besten alle Platten klingen so wie die Relayer von Yes, dann sind alle zufrieden. Was natürlich für sich genommen ein hervorragendes Album ist.

nörtz

User und News-Scout

Postings: 13851

Registriert seit 13.06.2013

2023-05-27 17:42:53 Uhr
Aber gerade dieses Platte hier ist doch retro, Marküs.^^
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