Shrvl - Limbus

Pelagic
VÖ: 19.05.2023
Unsere Bewertung: 7/10
Eure Ø-Bewertung: 5/10

Redukt
Die Berliner Post-Metal-Band The Ocean veröffentlicht seit über zwei Jahrzehnten konzeptionell dichte und qualitativ hochwertige Alben. Doch manchmal hat ein Musiker Ideen, die über den Sound des Hauptprojekts hinausreichen – und das weckt Begehrlichkeiten. Peter Voigtmann, der Synthesizer-Flüsterer des Sextetts, hat diese nun in Form eines Soloalbums befriedigt. Unter dem Alias Shrvl entführt er seine Hörer*innen in den "Limbus". Und es ist dunkel dort, ja regelrecht finster. Die einzelnen Tracks gehen unmerklich ineinander über, minimalistische Beats treffen auf ausladende Synth-Flächen und spärlich eingesetzte melodische Tupfer. Dass das Album mitten im Frühling herauskommt, mutet wie ein makaberer Scherz an. Denn für Sonne und Wärme ist hier kein Platz.
Die A-Seite wird von kürzeren Tracks eingenommen. Immer wieder schimmern Trip-Hop-Einflüsse durch, beispielsweise im Opener "Response". Voigtmann nimmt sich viel Zeit, Motive auszuarbeiten. Große Ausbrüche gibt es keine, stattdessen schlingert die Musik zwischen Traum und Wirklichkeit an der Wahrnehmung vorbei. Was beim ersten Hören eher unscheinbar wirkt, entfaltet bei intensiverer Auseinandersetzung eine ungemeine Faszination. "Relapse" begnügt sich etwa mit einem harmonisch eher simplen Grundgerüst, der Star ist ganz klar der Sound. Und Voigtmann weiß genau, wie er mit kleinsten Veränderungen Großes herbeizaubern kann. Diese Bescheidenheit im Einsatz der Mittel sorgt dafür, dass jede Idee den Raum bekommt, der ihr zusteht.
Der eindeutige Höhepunkt des Albums ist jedoch "Recurrence", welches satte 24 Minuten dauert. Der Track beginnt mit einem wunderbaren Streicher-Drone, der sich sukzessive verdichtet, ehe er in Verzerrung zerfließt. In unendlicher Langsamkeit schleicht sich ein Beat ins Arrangement, und aus dem Rumoren erheben sich Akkorde. Ein Tanz beginnt. Zunächst bedächtig, dann immer schneller dreht sich die Musik im Kreis. Just, als die größte Intensität erreicht ist, meldet sich die Stille mit Nachdruck zurück. Klavier-Arpeggios driften der Finsternis entgegen, eine einsame Geigenmelodie weint dem kurzen Glück hinterher. Zurück bleibt eine angenehme Leere, die nur ein sanftes Lächeln füllen kann. Endlich, unendlich in Ruhe gelassen. Frei zu lärmen, ohne Schuld.
Highlights
- Recurrence
Tracklist
- Response
- Remission
- Relapse
- Recovery
- Recurrence
Gesamtspielzeit: 45:44 min.
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(Neueste fünf Beiträge)
User | Beitrag |
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Christopher Plattentests.de-Mitarbeiter Postings: 3834 Registriert seit 12.12.2013 |
2023-05-23 16:12:47 Uhr
Ja, das hatte ich zwar bei der Recherche gelesen, aber dann vergessen, einzufügen. Danke für den Hinweis! |
The MACHINA of God User und Moderator Postings: 34820 Registriert seit 07.06.2013 |
2023-05-22 16:19:45 Uhr
So ergibt es auch mehr Sinn, warum das Cover quasi das gespiegelte von "Holocene" ist. |
Ilu Postings: 308 Registriert seit 13.06.2013 |
2023-05-19 12:23:37 Uhr
Schönes Album & schöne Rezension. Im Text fehlt mir persönlich der Hinweis, dass das nicht nur irgendein Seitenprojekt von Voigtmann ist, sondern die Grundlage des jüngst veröffentlichten „Holocene“ von The Ocean, von der ausgehend Robin Staps dann die Songs geschrieben hat. „Recovery“ ist bspw. die Basis von „Parabiosis“. |
Armin Plattentests.de-Chef Postings: 28788 Registriert seit 08.01.2012 |
2023-05-17 21:18:55 Uhr - Newsbeitrag
Frisch rezensiert. Meinungen? |
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Referenzen
The Ocean; Unkle; Aphex Twin; Klaus Schulze; Cluster; Bonobo; Yellow Magic Orchestra; Brian Eno; Tim Hecker; The Orb; Geir Jenssen; Boards Of Canada; Jon Hopkins; Burial; Tycho; Grouper; Laurie Spiegel; Global Communication; Keith Kenniff; Kraftwerk; Jeff Greinke; Four Tet; Plaid; Leyland Kirby; Loscil; Robert Rich; Jean-Michel Jarre; Autechre; Orbital; Portishead; Jon Hassell; Harold Budd
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- Shrvl - Limbus (4 Beiträge / Letzter am 23.05.2023 - 16:12 Uhr)