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The Ocean - Holocene

The Ocean- Holocene

Pelagic / Cargo
VÖ: 19.05.2023

Unsere Bewertung: 8/10

Eure Ø-Bewertung: 6/10

Abschlussprüfung

Dies ist das Ende. Über ein Jahrzehnt arbeiteten sich The Ocean an einem monumentalen Konzeptwerk ab, das zunächst die Tiefenzonen der Ozeane, später allerdings die Erdzeitalter von Ur- bis Neuzeit als Aufhänger für die Songs nutzte. Und natürlich waren diese Songs keine vertonten Geografie-Lehrbücher, sondern dienten durchaus auch als Allegorien für höchst aktuelle Themen. Und während sich die Erde weiterentwickelte, nutzen The Ocean diese Evolution, um auch sich selbst weiter zu definieren, zu hinterfragen, um auf diesem Weg zu einer der wohl spannendsten Vertreter des Post-Metal zu werden. Das abrupte Ende von "Holocene", dem abschließenden Song des Albums "Phanerozoic II: Mesozoic | Cenozoic" deutete es allerdings auch schon an – da kommt noch etwas.

"Holocene", das Holozän also, die Erdneuzeit, soll nun diesen Zyklus abschließen. Wenn die Menschheit so weitermacht, dürfte dies ohnehin vermutlich das letzte Erdzeitalter sein, bevor sie den Planeten zu einer unbewohnbaren Wüste zerstört haben wird. Passenderweise hangeln sich die Songs im Unterschied zu den Vorgängerplatten nicht nur an geologischen Zeitaltern entlang, sondern an den Klima-Epochen. Womit nun alles zum Konzept gesagt sein dürfte, denn "Holocene" ist viel mehr als ein Fanal für Klimaschutz – das Album könnte zu einem Meilenstein in der Entwicklung der Band werden. Konsequent elektronisch wie nie eröffnet dann auch "Preborial" die Platte, setzt dabei auf einem ganz simplen Synth-Loop auf, der ohne großes eigenes Zutun immer spannender wird. Monoton, fast tonlos singt Loïc Rossetti über diesen Loop, erst leise, dann immer verzweifelter unsere auf Oberflächenreize fixierte Gesellschaft anprangernd: "Images are all there is / The quality of life is being impoverished", denn: "Critical thought, critical thought / We are no longer critical."

Doch während sich die Spannungsbögen der Songs immer wieder auflösen, vollzieht das Album an sich höchst playlistenfeindlich eine eigene Wanderung. Subtil werden die Songs immer dichter, doch erst "Atlantic" wird zum Kulminationspunkt, nicht nur in sich selbst, sondern für die ganze Platte. Plötzlich eskaliert die komplette aufgebaute Spannung, bricht sich Bahn in einem monumentalen Riff. Doch selbst hier, im Moment des vermeintlichen Chaos, verzichtet Rossetti auf seine Growls, hält mit seinem klaren Gesang die Fäden zusammen – bis am Ende nur noch ein einziger Schrei übrig bleibt. Was für ein Ereignis, was für ein Monolith. Und plötzlich tauchen überall diese brutalen Riffs auf, zerreißen die samtenen Keyboard-Teppiche wie in "Subboreal", wo dann auch der Frontmann alles herausschreit, was die Stimmbänder hergeben.

Die Platte in eine Seite "Ambient" und eine Seite "Geballer" aufzuteilen, wäre aber natürlich den Berlinern zu billig. Plötzlich wieder ein Cut. Und nach wenigen Sekunden nimmt die Stimme der norwegischen Gastsängerin Karin Park bei "Unconformities" gefangen, hypnotisiert, saugt auf. Doch langsam schleicht sich die Mahnung "Don't turn on the bright lights" ein, berauscht sich an sich selbst, explodiert vollends und dekonstruiert den zuvor so umgarnenden ersten Teil des Songs. Man kann in diese Strukturen, in diese Song-Kunstwerke so viel hinein interpretieren, man kann es aber auch komplett bleiben und sich von den Stimmungen einfach treiben lassen. Das ist natürlich, wie so oft, unfassbar anstrengend, und vielleicht muss auch nicht jede Meta-Ebene ausführlichst betrachtet werden. Doch "Holocene" stellt erneut unter Beweis, welche Ausnahmekönner hier am Werk sind, die sich einen Dreck um den schnellen Streaming-Klick scheren und mit dieser Platte erneut nicht weniger als ein Meisterwerk geschaffen haben.

(Markus Bellmann)

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Highlights

  • Preboreal
  • Atlantic
  • Unconformities

Tracklist

  1. Preboreal
  2. Boreal
  3. Sea of reeds
  4. Atlantic
  5. Subboreal
  6. Unconformities
  7. Parabiosis
  8. Subatlantic

Gesamtspielzeit: 52:28 min.

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(Neueste fünf Beiträge)
User Beitrag

Kamm

Postings: 493

Registriert seit 17.06.2013

2023-05-26 00:21:27 Uhr
Bin noch nicht tief drin, aber es ist mir vorher noch nicht passiert, dass ich beim Hören von The Ocean an Archive denken musste. Und ich glaube, die haben vorher ganz viel Mezzanine gehört.
Für mich beides positive Querverweise. :)

Leech85

Postings: 637

Registriert seit 15.03.2021

2023-05-25 21:52:34 Uhr
Nach dem ersten Hören ein grosses Album dass jedoch unglaublich Verhalten beginnt. Weiss noch nicht recht was ich von den ersten 3 Tracks halten soll. Aber ab Track 4 wird das Ganze immer grossartiger.
Bin gespannt wie sich das Album noch entwickelt.

Was mir auffiel. Bei mir fehlen im Booklet die Lyrics zum Track Unconformities. Und auch auf dem Backcover enthält die Tracklist nur 7 statt 8 Tracks. Ist das bei euch auch so?

Marküs

Postings: 1057

Registriert seit 08.02.2018

2023-05-25 15:27:50 Uhr
Überragendes Album von The Ocean, das anders klingt als erwartet. Dafür ist die Qualität aber wie erwartet. Beste Post Metal Band überhaupt

AVMsterdam

Postings: 403

Registriert seit 13.03.2017

2023-05-25 13:43:52 Uhr
Sehr toller Klang, grandioser Opener. Werde ich mir genauer anhören.

ToRNOuTLaW

Postings: 247

Registriert seit 19.06.2013

2023-05-25 11:05:35 Uhr
Gestern ist die Platte bei mir angekommen, heute Abend wird sie gehört. Hatte mir bis auf die erste Vorabsingle alles Reinhören verkniffen. Btw. liegt auch Vildhjarta's "Måsstaden under vatten" seit gestern neben dem Plattenspieler. Die wurden hier auf PT bisher nicht wirklich besprochen, oder? Vielleicht in einem Djent oder Meshuggah-Thread?
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