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Jessie Ware - That! Feels good!

Jessie Ware- That! Feels good!

EMI / Universal
VÖ: 28.04.2023

Unsere Bewertung: 7/10

Eure Ø-Bewertung: 6/10

Zweite Amtszeit

"That feels good, do it again." Wer sich schon einmal "Table manners" angehört hat, den wunderbaren Podcast von Jessie Ware und ihrer Mutter, wird bestätigen, dass die Frau Humor hat. Den Umstand, dass ihr fünftes Album im Wesentlichen das wie eine Glitzerbombe eingeschlagene vierte wiederholt, kehrt sie dementsprechend nicht unter den Teppich, sondern trägt ihn wie eine überdimensionierte Perlenkette. Nach dem lauwarmen Erfolg des ebenso lauwarmen "Glasshouse" wollte eine frustrierte Ware die Sache mit der Musik ganz sein lassen, entschied sich jedoch für eine letzte Patrone: den Image-Wandel zur Retro-Disco-Queen, der Massen von Menschen im Pandemie-Jahr 2020 im wörtlichsten Sinne bewegte, weil Disco schon von Geburt an eine hedonistische Zuflucht in Zeiten gesellschaftlicher Depression war. Versah "What's your pleasure?" – sträflich unterbewertet von gewissen Rezensenten, die immer noch dem Sound von "Devotion" hinterhertrauern – den Stilwechsel noch mit einem Fragezeichen, hat sein Nachfolger keine Zweifel mehr: "That! Feels good!" Obwohl die teils vom Londoner Afrobeat-Kollektiv Kokoroko instrumentierte Platte organischer als ihr Vorgänger klingt, dreht sie alle Euphorie- und Camp-Regler auf elf.

Im Intro zum Titeltrack dürfen zunächst andere Tanzflächen-Autoritäten wie Kylie Minogue und Róisín Murphy die drei zentralen Wörter aufsagen, ehe ihre Nachfolgerin das Zepter übernimmt. "Pleasure is a right", skandiert sie, während sich der synkopierte Bass, zackige Bläser und Funk-Licks zu einem hibbeligen, vielschichtigen Groove zusammensetzen, der einer lilafarben gekleideten Figur im Legendenhimmel sicher ein paar Stöhn-Laute abringt. "Free yourself" schiebt sich als Hook an Hook reihender Piano-House-Banger auf dem Zeitstrahl nach vorne, rückt von seinen Protestmarsch-angemessenen Forderungen nach Ekstase jedoch kein Stück ab. Das grandios opulente "Begin again" sieht als einzige Option einen Neustart der gesamten Menschheit – und klingt in seiner Verbindung von unkomplizierter Kapitalismuskritik mit Latin-Einflüssen und choralen Mantras ein wenig wie eine maximalistische Version von Meg Remy alias U.S. Girls.

Doch die von Ware angestrebte Befreiung bleibt in erster Linie eine körperliche. Der Closer erklärt mit Engtanz-tauglicher Geschmeidigkeit, was "These lips" so alles anstellen können, die Kuhglocken der Body-Positivity-Hymne "Beautiful people" animieren zur schamlosen Selbstliebe. "Put that ass on the floor", bringt es "Freak me now" zu besonders kinetischem French Touch auf den Punkt, wobei Ware mit der ganzen Range ihrer beeindruckend variablen Stimme flexen darf. Sie kann gewaltig schmettern, lasziv hauchen, ungerührt sprechsingen. Im tieferen Gestus des Refrains von "Shake the bottle" erinnert die Britin an ihre Landsfrau Nadine Shah – auch wenn diese die hier inszenierten Abfuhren abturnender Männertypen wohl nicht mit "Vogue" evozierenden Raps, "Shaky, shaky!"-Ad-Libs und dem tatsächlichen Sound einer aufpoppenden Champagnerflasche geschmückt hätte.

Weil die Disco sowieso nicht gerettet werden muss, tut dies auch Jessie Ware nicht – sie schenkt ihr nicht mehr und nicht weniger als eine liebevolle, gleichzeitig treue wie eigenständige Hommage. Nur knapp schießt "That! Feels good!" am Meisterwerk vorbei: Dem lupenrein polierten "Pearls" geht etwas die Persönlichkeit der anderen Songs ab und der Mitternachts-R'n'B von "Lightning" wirkt wie aus einem anderen Album gerissen. Letzteres ist gerade deshalb schade, weil die Vintage-Soul-Ballade "Hello love" eindrucksvoll zeigt, wie Ware auch ohne Ästhetikbruch niedrigere BPM-Bereiche bestrahlen kann. Trotz solcher Mini-Makel wird sich Sir Paul McCartney etwas aufrechter hinsetzen müssen, wenn er das nächste Mal bei Familie Ware am Podcast-Tisch sitzt, schließlich hat er royale Gesellschaft bekommen: Auch in der zweiten Amtszeit denkt die gegenwärtige Disco-Monarchin keine Sekunde daran, ihre Krone abzusetzen.

(Marvin Tyczkowski)

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Highlights

  • That! Feels good!
  • Free yourself
  • Begin again

Tracklist

  1. That! Feels good!
  2. Free yourself
  3. Pearls
  4. Hello love
  5. Begin again
  6. Beautiful people
  7. Freak me now
  8. Shake the bottle
  9. Lightning
  10. These lips

Gesamtspielzeit: 40:26 min.

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(Neueste fünf Beiträge)
User Beitrag

Loketrourak

Postings: 2699

Registriert seit 26.06.2013

2023-09-23 12:10:42 Uhr
Richtig richtig gut!

greenice24

Postings: 10

Registriert seit 16.08.2019

2023-05-10 12:04:08 Uhr
So nach einer Woche Dauer-Rotation wächst es sich von einer 9/10 fast zu 10/10 aus (Spaß, 10/10 gibt es ja gar nicht ;-))

Aber man muss auch schon Disko mögen. Was mich sehr beeindruckt ist die einfach perfekte Produktion. Und "Begin again" würde ich als perfekt bezeichnen. Ist ein echter Grower.

Affengitarre

User und News-Scout

Postings: 11354

Registriert seit 23.07.2014

2023-05-08 21:39:43 Uhr
Oh ja, bin auch begeistert. Fantastisch produziert auch.

Armin

Plattentests.de-Chef

Postings: 28274

Registriert seit 08.01.2012

2023-05-08 20:33:38 Uhr
Erste Hälfte locker eine 9/10. Danach fährt's bisschen zurück, aber mindestens so gut wie der Vorgänger. Liebe einfach, was sie macht.

Sehr gut ausgedrückt, wobei sich inzwischen auch in der zweiten Albumhälfte die Highlights bemerkbar machen.

Kojiro

Postings: 4261

Registriert seit 26.12.2018

2023-05-06 16:09:23 Uhr
Dito. Heute die Vinyl bekommen. Tolle Platte! :-)

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