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The National - First two pages of Frankenstein

The National- First two pages of Frankenstein

4AD / Beggars / Indigo
VÖ: 28.04.2023

Unsere Bewertung: 8/10

Eure Ø-Bewertung: 8/10

Mutlos glücklich

Ambivalente neue Zeiten. Dank Tiktok und Social-Media-ADHS schleppt sich kaum ein Charterfolg noch über die Drei-Minuten-Marke. Ein Album ist oft nur noch das Wegwerfprodukt nach einer Riege von Singles. Doch in all dieser Unruhe sind The National, gewissermaßen eine Antithese zu dieser Entwicklung, plötzlich größer denn je. Was ist seit ihrer phänomenalen Neuerfindung "I am easy to find" passiert? Nun, Aaron Dessner hat mal eben zwei Alben namens "Folklore" und "Evermore" für eine gewisse Taylor Swift mitgeschrieben und -produziert und ist seitdem an allen möglichen Ecken präsent. Sänger Matt Berninger hatte hingegen mit Depressionen und Schreibblockaden zu kämpfen, so sehr, dass die Zukunft der Band zeitweise in Frage stand. Und doch liegt nun – glücklicherweise – "First two pages of Frankenstein" auf dem Tisch, das neunte The-National-Album.

Kurzer Realitätscheck: Kein Song geht unter drei Minuten ins Ziel, kein Stück fällt direkt mit dem Refrain ins Haus. Einzig die Single-Veröffentlichungspolitik hat sich dem allgemeinen Trend weiter angeglichen, diesmal sind vier der elf Songs als Preview vorausgeschickt worden. Zweckdienlich ist das der Sache nicht: Auf sich allein gestellt wirkten die Stücke oft zahm, wie auf Autopilot. Im Albumkontext fragt man sich nun, was eigentlich genau das Problem war. Wo ist denn "Eucalyptus" bitte nicht die Hymne zwischen Melancholie und Euphorie, in der Berninger sich vokaltechnisch verausgabt? "You should take it 'cause I'm not gonna take it", bringt er angestrengt heraus, während die Blasinstrumente um ihn herum jubilieren. Und was ist nicht grandios am super-melodischen und hypnotischen "Tropic morning news", dem ersten für dieses Album geschriebenen Song, an dem außerdem Berningers Frau Carin Besser mitbeteiligt war?

"Oh, what happened to the wavelength we were on?" Es ist noch alles da, an seinem vertrauten Platz. "First two pages of Frankenstein" ist sicher keine Revolution im Bandkosmos, wie "Sleep well beast" und "I am easy to find" es waren, eher tritt es einen Schritt zurück – weniger ausufernd, auf die Kernstärken der Band konzentriert. Gleich der Opener "Once upon a poolside" verheiratet das herrliche Klavierspiel mit einer zurückhaltenden Meditation samt ewig fragendem Blick auf eine Beziehung: "What was the worried thing you said to me? / I thought we could make it through anything." Überhaupt ist vor allem die erste Albumhälfte voll solcher Perlen. "You find beauty in anything", singt Berninger in "This isn't helping", während die nicht nur hier gastierende Phoebe Bridgers aus dem Hintergrund Unterstützung leistet.

Dass die Tracklist diesmal Features explizit ausweist, entbehrt nicht einer gewissen Ironie. Bis auf das hübsche Duett "The Alcott" mit der erwähnten Taylor Swift halten sich die Gäste viel mehr im Hintergrund als auf dem Vorgänger. Auch Bridgers' zweiter Auftritt in "Your mind is not your friend" beschränkt sich auf Backingvocals, der Star ist hier ohnehin aber der Song selbst. Etwas "Exile vilify", ein wenig "Light years" und jede Menge Mitgefühl. "Don't you understand? / Your mind is not your friend again / It takes you by the hand / And leads you nowhere." Klar, dass Berninger das durchlaufene Tal noch tief in den Knochen steckt. Und doch ist er es, der zum Abschluss die helfende Hand ausstreckt. "If you're ever sitting at the airport / And you don't want to leave / If you don't even know what you're here for / Send for me." Mehr als die spartanische Begleitung braucht es nicht, um ins Mark zu treffen.

Natürlich schreiben The National auch diesmal keinen lauten Rocksong wie zu Anfangszeiten. Mit "Eucalyptus" zusammen ist "Grease in your hair" der energischste und insgesamt auch der flotteste Track. Er erinnert etwas an "Graceless" von "Trouble will find me", nimmt aber eine andere, positiver gestimmte Abfahrt. "Don't splash apart / Everything changes." Alles verändert sich bestimmt nicht. Wer The National schon immer langweilig oder zu lethargisch fand, wird von "First two pages of Frankenstein" sicher nicht umgestimmt, wer die bedrückte Stimmung und die filigranen Kniffe im Songwriting auf der Habenseite sieht, kann sich dagegen erneut glücklich schätzen. Damit die Band wieder funktionierte, brauchte es vielleicht kein mutiges, sondern einfach nur das nächste verdammt tolle Album.

(Felix Heinecker)

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Highlights

  • Once upon a poolside (feat. Sufjan Stevens)
  • Eucalyptus
  • Tropic morning news
  • Your mind is not your friend (feat. Phoebe Bridgers)

Tracklist

  1. Once upon a poolside (feat. Sufjan Stevens)
  2. Eucalyptus
  3. New Order t-shirt
  4. This isn't helping (feat. Phoebe Bridgers)
  5. Tropic morning news
  6. Alien
  7. The Alcott (feat. Taylor Swift)
  8. Grease in your hair
  9. Ice machines
  10. Your mind is not your friend (feat. Phoebe Bridgers)
  11. Send for me

Gesamtspielzeit: 47:40 min.

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(Neueste fünf Beiträge)
User Beitrag

Marküs

Postings: 1057

Registriert seit 08.02.2018

2023-05-25 15:33:32 Uhr
Na Bear's Den sind noch ein ganzes Eck besser ;-)

jo

Postings: 4725

Registriert seit 13.06.2013

2023-05-22 13:06:29 Uhr
Also, für mich klingen sie teilweise auf dem Album wie Bear's Den. Da ich die aber auch mag, ist das kein Problem :).

OMalley

Postings: 508

Registriert seit 16.01.2022

2023-05-22 12:15:40 Uhr
Ich habe mich bisher zurückgehalten, weil ich die Band zu sehr mag und die erste Enttäuschung nicht durchschlagen sollte. Mittlerweile ist die Stimmung besser, das Album entwickelt sich und letztlich sind alle Liveversionen von ihnen besser.
Die Tage noch einmal Berkley gehört von 2018 und die Gitarren bei guilty party und walk it back schlagen die Albumversionen um Längen.
your mind is not your friend ist live klasse, da deutlich mehr Kanten eingearbeitet werden und Gitarre plus Schlagzeug dominanter sind.
Eucalyptus live...eine Macht, freu mich schon darauf.

Ich mag alle Alben von ihnen.

Wenn ich an die Tour zurückdenke 2018, da hatte Matt in den Staaten starke Aussetzer, war ausgebrannt und alkoholisiert, vergaß Textzeilen und ich hatte die Sorge, das Ende der Band wird eingeläutet. Ich war damals in Brüssel auf der Tour 2017, da war noch alles bestens.
Dann war eigentlich eine Pause eingeplant, die sie aber für i am easy to find doch nicht eingelegt haben und die Band hat spürbar Schwung bekommen. Die Konzerte in Frankfurt in Köln waren beide großartig und das Zusammenspiel mit den Sängerinnen hat mir Spaß gemacht. Die Band war wieder am Leben.

Dann die verdiente Pause und letztes Jahr Gelsenkirchen war hervorragend.
Die Konzerte der letzten Jahre haben mir besser gefallen, als die trouble will find me-Tour.

High Violet war auch für mich bisher knapp das schönste Konzerterlebnis in Köln, aber die letzten Konzerte waren verdammt nah dran.

Auf Platte vermisse ich auch manchmal die Kanten, tue mich mit dem elektronischen Schlagzeug schwer, die Gitarren sind mir zu leise und der letzte Biss fehlt oftmals. Dennoch sind es überwiegend gute Songs.

The Libertine

Postings: 30

Registriert seit 29.08.2022

2023-05-22 09:35:11 Uhr
Ich finde das Album furchtbar öde. Die Produktion wirkt blutleer, tolle Songs eher auch nicht vorhanden. Es ist sicher nicht fair dieses Album mit "Boxer" oder "Alligator" zu vergleichen, aber es ist qualitativ soweit weg, das man zumindest darauf hinweisen sollte. Bis auf den wirklich ganz netten Opener und das zumindest songtechnisch okay Tropical Morning News und Alien bleibt nichts hängen.

4/10

Z4

Postings: 4642

Registriert seit 28.10.2021

2023-05-20 19:24:26 Uhr
Tanlines = die Band von Olli Schulz und Jan Böhmermann in einem Paralleluniversum.
Zum kompletten Thread

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