Philip Bradatsch - Philip Bradatsch

Trikont / Indigo
VÖ: 28.04.2023
Unsere Bewertung: 7/10
Eure Ø-Bewertung: 5/10

An Tagen wie jenen
Wenn Musikschaffende ein Album nach dem eigenen (Band-)Namen benennen, so ist das oftmals durchaus als Statement zu verstehen. "McCartney" war nach dem Ende der Beatles ein bewusst reduzierter Reset, Pearl Jams Platte mit der Avocado eine Rückkehr zu den eigenen Wurzeln, und Frau Knowles-Carter legte 2014 mit "Beyoncé" ihr bis dato persönlichstes Werk vor. Wenn Philip Bradatschs neue Veröffentlichung nun seinen eigenen Namen trägt, können in den neuen Songs tatsächlich Belege für alle drei dieser Ansätze gefunden werden. Auf dem Plattencover ist eine gezeichnete Version von Bradatsch in einer halb geöffneten Sardinenbüchse zu sehen. Küchenpsychologisch spekuliert steht das doch sicher für ein Ablegen der schützenden Hülle, als Offenbarung des Selbst? Quasi harte Dose, weicher Kern?
Tatsächlich sind die meisten Songs auf "Philip Bradatsch" von jeder Opulenz und Spielerei befreit und Bradatschs oft brüchige Stimme klingt fragil und verletzlich wie nie. Fast programmatisch wirken die ersten gesungenen Zeilen des Openers "Herzen ausgebombt": "Wie man das anstellt, dass man sich auflöst / Wie eine Tablette in sprudelndem Wasser / In der Welt einfach vergehn." Die "Bar zur guten Hoffnung" scheint hier dauerhaft geschlossen, und kein "Jesus von Haidhausen" ist in Sicht. Auflösung, nicht Erlösung, lautet das Gebot der Stunde. Auch im scheinbar Versöhnlichen lauern Abgrund und Ambivalenz: "Meine Liebe bleibt / Rücksichtslos zu Dir". Versprechen und Bedrohung stehen gleichwertig nebeneinander, zur akustischen Gitarre gesellen sich Pauke und flirrende Harfen-Arpeggi.
Lyrisch im Ungefähren bleiben die düstere Meditation "Wohin geht der Fluss" und der Saxofon-Folk-Blues von "Tausend tote Pfeile". Ganz anders verhält es sich bei den beiden folgenden, ebenso simplen, wie wirksamen Balladen "Keiner weiß wie ich mich wirklich fühle" und "Verlass Dich nicht auf mich". Entwaffnend direkt funktionieren hier auch vermeintlich kitschige Zeilen wie "Ich würd' alles in meinem Leben aufgeben / Um einmal neben Dir einzuschlafen". Hach.
Im Schlussdrittel haut Bradatsch dann doch noch ein paar stilistische Fingerübungen raus: "Im achtzigsten Stockwerk" der bedröhnten Psychedelia treffen sich Van Morrison und The Flaming Lips. Das augenzwinkernde "Marielle" gemahnt an Bob Dylans Visionen von Johanna und erinnert in der Tonalität noch am ehesten an das Vorgängeralbum. Dass es ausgerechnet die amerikanische Schriftstellerin "Carson McCullers" ist, der Bradatsch eine mit Orgel und Saxofon ungewöhnlich instrumentierte Ode widmet, überrascht nicht. Isolation und scheiternde zwischenmenschliche Beziehungen sind existenzialistische Hauptmotive sowohl dieser Platte, als auch McCullers literarischen Schaffens. "An manchen Tagen entgleitet einem alles", raunt Bradatsch und liefert mit seinem Album gleichzeitig den Soundtrack für eben diese Momente.
Highlights
- Herzen ausgebombt
- Verlass Dich nicht auf mich
- Carson McCullers
Tracklist
- Herzen ausgebombt
- Wohin geht der Fluss
- Tausend tote Pfeile
- Keiner weiß wie ich mich wirklich fühle
- Verlass Dich nicht auf mich
- Fremde sein
- Im achtzigsten Stockwerk
- Carson McCullers
- Marielle
Gesamtspielzeit: 34:46 min.
Album/Rezension im Forum kommentieren
Teile uns Deine E-Mail-Adresse mit, damit wir Dich über neue Posts in diesem Thread benachrichtigen können.
(Neueste fünf Beiträge)
User | Beitrag |
---|---|
Armin Plattentests.de-Chef Postings: 28634 Registriert seit 08.01.2012 |
2023-04-26 21:04:25 Uhr - Newsbeitrag
Frisch rezensiert. Meinungen? |
Armin Plattentests.de-Chef Postings: 28634 Registriert seit 08.01.2012 |
2023-04-25 19:35:51 Uhr - Newsbeitrag
|
Armin Plattentests.de-Chef Postings: 28634 Registriert seit 08.01.2012 |
2023-03-24 18:21:46 Uhr - Newsbeitrag
LADIES & GENTLEMENTRIKONT PROUDLY PRESENTS PHILIP BRADATSCH "Herzen ausgebombt" ALBUM-RELEASE & KONZERT AM 28.04.23 HEPPEL & ETTLICH - MÜNCHEN "Herzen ausgebombt", was für ein Songtitel für eine erste Single. Es ist die Erste aus Philip Bradatschs neuem Album, das dann allerdings sehr schlicht nur seinen Namen trägt. „Herzen ausgebomt“ ist eine bittersüße Bestandsaufnahme über das Leben und die Liebe in stürmischen Zeiten. Man begleitet den Sänger allein mit seiner akustischen Gitarre, bis der Song urplötzlich, kurz vor Schluss mit Pauken und Harfen aufreißt wie ein spröder Nachmittagshimmel. Am 14.04. wird es noch eine Single geben und dann, am 28.04. das ganze Album auf Vinyl & Digital. Okay, jetzt wisst Ihr Bescheid. Nehmt Euch ein Herz und hört rein. Und wie immer gilt natürlich, je mehr Menschen es hören, desto glücklicher ist der Künstler, die Trikonts und der Rest der Welt. |
Hinterlasse uns eine Nachricht, warum Du diesen Post melden möchtest.
Referenzen
Gisbert Zu Knyphausen; Rio Reiser; Götz Widmann; Nick Drake; Bob Dylan; Van Morrison; John Martyn; James Taylor; Tom Petty And The Heartbreakers; Bad Temper Joe; Bruce Springsteen; Enno Bunger; Isolation Berlin; Der Nino Aus Wien; Hans Theessink; Niels Frevert; Wilco; Neil Young; Neigungsgruppe Sex, Gewalt & Gute Laune; Voodoo Jürgens; Klaus Lage Band; Ryan Adams; Selig; San Antonio Kid; Gregor Meyle; Stoppok
Bestellen bei Amazon
Weitere Rezensionen im Plattentests.de-Archiv
Threads im Plattentests.de-Forum
- Philip Bradatsch - Jesus von Haidhausen (25 Beiträge / Letzter am 08.10.2024 - 22:01 Uhr)
- Philip Bradatsch - Philip Bradatsch (3 Beiträge / Letzter am 26.04.2023 - 21:04 Uhr)
- Philip Bradatsch - Wir brauchen Räume (2 Beiträge / Letzter am 28.02.2022 - 18:19 Uhr)
- Philip Bradatsch - Die Bar zur guten Hoffnung (19 Beiträge / Letzter am 09.01.2022 - 12:30 Uhr)