Arooj Aftab / Vijay Iyer / Shahzad Ismaily - Love in exile

Verve / Universal
VÖ: 24.03.2023
Unsere Bewertung: 8/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10

Unaufgeregt aufregend
Zunächst schimmern nur einige Synth-Spuren vor sich hin, in der Ferne setzt ein Bass dunkel, aber bestimmt brummende Akzente. Erste, noch schüchterne Klaviernoten lockern die Szenerie auf, ehe erst nach über drei Minuten eine kräftige, tiefe Frauenstimme einsetzt: Es ist die von Arooj Aftab, einer pakistanischstämmigen Sängerin, welche zuletzt mit dem überragenden "Vulture prince" auf sich aufmerksam machte. Die Verbindung von persönlicher wie musikalischer Herkunft mit ihrem Leben und Wirken in den USA erzeugte 2021 ein schwer zu greifendes und doch wunderbares Album. Eine Verbindung, die "Love in exile" aufbricht – um eine andere zu schaffen. Der Blick in die teils englischsprachige Titelliste ist irreführend: Aftabs Vortrag in diesen 75 Minuten findet komplett auf Urdu statt, was nun dafür sorgt, dass hier für Hörer*innen in der westlichen Welt nicht entscheidend ist, was sie singt, sondern wie sie singt.
Aftab hier komplett in den Mittelpunkt zu rücken, wird dem Trio allerdings nicht gerecht. "Love in exile", quasi live eingespielt, lebt zu gleichen Teilen auch davon, was Vijay Iyer und Shahzad Ismaily tun. Iyer, bekannt als Jazz-Pianist und Komponist, geleitet hier genauso elegant durch die nur sieben Tracks wie Bassist Shazad Ismaily, ebenfalls im Jazz beheimatet. "Love in exile" entstand in New York, vereint Jazz und vorderasiatische Einflüsse, die insbesondere durch den Gesang zur Geltung kommen. Aftab entlehnt sich Urdu-Versmaße, zitiert und verarbeitet sie in Tradition des Qawwali-Gesangsstils. Im Ergebnis sind diese Zeilen, welche sich klassischerweise Liebe und Sehnsucht widmen, feinste Sprachmelodie, eine Art eigenes Instrument. Ihre Stimme ist stark, zentral, kraftvoll. Und doch fügt sie sich wunderbar zwischen den beiden Musikern ein.
"Love in exile" ist Jazz ohne den offenen Lautstärke-Ausbruch, ist große Geste in sanften Tönen, ist Rausch ohne Rausch. Ein Zusammenspiel aus Moog-Synthesizern, Neoklassik-Piano, hypnotischen Basslinen. Nimmt sich alle Zeit, die es braucht, um sich voll zu entfalten. Die drei probieren wie in "Shadow forces" zunächst Akkordfolgen aus, geben nach fünf Minuten und vielen, vielen Wiederholungen den gewählten Pfad auf, um dann zehn weitere Minuten verschiedenste Klaviervariationen gegen einen unterschwellig monotonen Basslauf anspielen zu lassen. Einerseits wird hier der Session-Charakter dieses Werkes deutlich, andererseits auch die hochprofessionellen Fähigkeiten, insbesondere die von Iyer. Aftab taucht währenddessen komplett ab, stößt auch im folgenden "Sajni" erst spät und zunächst spärlich hinzu.
"Easy to listen, hard to master": In seiner oberflächlichen Gemächlichkeit ist "Love in exile" im vielleicht ersten Nebenbei-Konsum ein Album für die späten, ruhigen Stunden des Tages. Im Laufe der Zeit jedoch, wenn es sich im Raum verfängt, schleicht es sich Stück für Stück, Note für Note mehr in den Vordergrund. Dann tauchen auf einmal, vielleicht im zweiten, dritten Durchgang immer neue Spuren, Noten, kleine Momente auf, die dieses Werk an die Oberfläche heben und aufzeigen, wie außergewöhnlich dieses Trio ist. Und auf unaufgeregt aufregende Weise fasziniert.
Highlights
- To remain / to return
- Shadow forces
Tracklist
- To remain / to return
- Haseen thi
- Shadow forces
- Sajni
- Eyes of the endless
- Sharabi
- To remain / to return (Excerpt)
Gesamtspielzeit: 75:07 min.
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2023-04-05 20:46:21 Uhr - Newsbeitrag
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Referenzen
Arooj Aftab; Vijay Iyer Trio; Vijay Iyer Sextet; Arun Ramamurthy Trio; Kilimanjaro Darkjazz Ensemble; Shazad Ismaily; Farida Khanum; Kaavish; Lucrecia Dalt; Alabaster DePlume; Oren Ambachi; Natasha Humera Ejaz; Amna Riaz; Slowspin; Herculaneum; Sam Rivers; Mark Guiliana Jazz Quartet; Bohren & Der Club Of Gore; Dale Cooper Quartet And The Dictaphones; Kendraka; Baiju Bhatt; Dave Holland Quintet; John McLaughlin; Lonnie Holley
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