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Erik Cohen - True blue

Erik Cohen- True blue

RYL NKR / Rough Trade
VÖ: 31.03.2023

Unsere Bewertung: 8/10

Eure Ø-Bewertung: 7/10

Der Punk ist rund

Fabian Reese, Steven Skrzybski, Timo Becker, Lewis Holtby. Ganz schön viele Gastmusiker auf dem fünften Longplayer von Daniel Geiger alias Erik Cohen? Mitnichten – es handelt es sich vielmehr um die Stammspieler von Holstein Kiel, die zumeist nicht vor allzu langer Zeit noch beim FC Schalke 04 unter Vertrag standen. Was dem bekennenden KSV-Fan Cohen, Ex-Sänger von Smoke Blow und selbsternannter blauer Seegott, grundsätzlich egal sein kann, zumal sein Team in der Veltins-Arena einen Zweitliga-Auswärtssieg einfuhr. Und doch scheint der bärtige Punk-Blaubär eine Schwäche fürs Revier zu haben, wenn man dem Opener dieses Albums glauben darf – und irgendwie auch seinem Titel. "Gelsenkirchener Barock / Alles vollgestellt mit Schrott", konstatiert der Auftakt lautstark und poltert sich direkt in die Herzen von Nordlichtern und Ruhrpott-Kumpels.

Den unsauberen Reim nehmen wir in Kauf – Hauptsache, die Drums rüpeln ungestüm nach vorne, die Gitarre wird zornig und haut doch mit einem gut gelaunten Har-har auf die Schulter. Und als wäre "True blue" ein exquisites Mixtape, dreht Geiger danach noch ein Stück weiter auf: mit dem Deluxe-Ohrwurm "Club Pinasse", der ein so mächtiges Riffing entfesselt, dass der Chor der Matrosen frenetisch johlt und die nächste Runde ordert. Eine hinreißende Hommage an ein Etablissement in der Heimatstadt des Sängers, das hier genauso zum Punkrock-Mekka wird wie "Café Stietzel" auf "Northern soul". Wo ist die imaginäre Samplerreihe "Klabautermann Hits", wenn man sie mal braucht? Besser als Die Toten Hosen, korrekter als Hans Albers und cooler als jede Lederkluft-Klitsche auf St. Pauli. Glaubst Du nicht? Ach komm, Deine Mudder singt doch auch bei Lordi.

Denn auch die "Reeperbahn" ist Erik Cohens Revier – bekannt nicht nur von Abstürzen in der nahe gelegenen Hansestadt, sondern auch aus der Dokumentation "Neonstaub", wo das gleichnamige Stück als Titelsong fungiert. Noch eine Hymne, nach der endgültig klar ist, dass dieses Album ausschließlich aus solchen besteht. Mitgrölen, Luftgitarre und -schlagzeug spielen, ein freundlicher Pogo im Moshpit des Vertrauens – Stoff dafür gibt es genug in zehn grandios eskalierenden Tracks. Da schwärmt der Norddeutsche in der Bridge des gewaltigen "Diamant" ein "alien girl" an und steigt ihr mit Josh-Homme-Gedächtnisriffs im Anschlag hinterher, und der "Trucker" kennt sowohl nächtliche Straßen und Datenautobahn als auch sirenige Dark-Wave-Keyboards. Genüssliches Midtempo reicht vollkommen aus: Für die zweite Hälfte muss schließlich noch etwas Puste übrigbleiben.

Zugegeben: Trotz der listigen Doppelreferenz an die Farbe des Meeres und Madonna aus der Achtzigern ist dieses Album zuweilen von Männlichkeitsmythen erfüllt, die im falschen Umfeld auch auf ungute Weise blaue Flecken nach sich ziehen können. Doch wäre ein Spielverderber, wer bei so grob, aber herzlich umarmenden, unwiderstehlichen Gossenhauern Böses denkt. "Malaria" ist nur ein Rock'n'Roll-Fieber, das bald wieder vergeht, im Raumschiff "Orion" sirren Erinnerungen an Science-Fiction-Kintopp und Schwarzkittel-Tage durch die Luft, und "Blinder Passagier" räkelt sich wohlig und ausgiebig im Laderaum herum. Feine Klinge? Fehl am Platze – dennoch ist dieser Punk so rund wie der Ball, dem er jeden Samstag hinterherläuft. An der Küste, im Pott und überall, wo der Spaß auch ein etwas derberer sein darf. "True blue" ist die Wahrheit.

(Thomas Pilgrim)

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Highlights

  • Gelsenkirchener Barock
  • Club Pinasse
  • Diamant
  • Trucker

Tracklist

  1. Gelsenkirchener Barock
  2. Club Pinasse
  3. Reeperbahn
  4. Diamant
  5. Trucker
  6. Malaria
  7. Niemals allein
  8. Orion
  9. Blinder Passagier
  10. True blue

Gesamtspielzeit: 36:48 min.

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(Neueste fünf Beiträge)
User Beitrag

Ryker

Postings: 6

Registriert seit 14.06.2013

2023-04-04 07:36:49 Uhr
Musikalisch sicher in der Lage jede Kirmesdisko zu rocken, textlich auf dem Niveau beliebter Stadionhymnen. Nett gemeinte 5/10.

Mal ehrlich: Wer will sich so ein Album mehr als fünfmal anhören?

Grizzly Adams

Postings: 5265

Registriert seit 22.08.2019

2023-03-30 18:55:05 Uhr
Sympathisches Album. :) vielleicht keine 8/10, aber mit Ohrwürmern, die Laune machen.
„Wo ist die imaginäre Samplerreihe "Klabautermann Hits", wenn man sie mal braucht?“ Jo! Gute Threadidee …

Armin

Plattentests.de-Chef

Postings: 27184

Registriert seit 08.01.2012

2023-03-29 21:38:23 Uhr - Newsbeitrag
Frisch rezensiert.

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