Trettmann - Insomnia

Soulforce / BMG
VÖ: 17.03.2023
Unsere Bewertung: 7/10
Eure Ø-Bewertung: 5/10

Der Cousin des Todes
Dass Trettmann für einen kurzen Moment der wichtigste deutsche Popmusiker war, verrät viel über den Zeitgeist der späten 10er-Jahre. Nun, da einige Jahre ins Land geflossen sind, wird immer deutlicher, was für ein Monolith dieses "#DIY" war. Es vereinte zeitgenössische Sounds mit zutiefst persönlichen Geschichten aus dem bewegten Leben des Chemnitzers. Danach passierte das, was passieren musste: Der Ruhm wollte verarbeitet, das Leben neu sortiert werden. "Trettmann" war ein typisches Album danach – immer noch gut, aber sicher nicht mehr so außergewöhnlich wie "#DIY". Und jetzt? Jetzt sitzt Stefan Richter, so der bürgerliche Name des Rappers und Sängers, in einer großen Wohnung und kann nicht schlafen. "Insomnia" lautet der der Titel seines dritten Albums. Es ist ein Werk über Einsamkeit, Exzess und die merkwürdigen Momente dazwischen. Dass es wieder diese elenden Vergleiche mit "#DIY" geben wird? Geschenkt. Denn Trettmann hat seinen Sound, seinen Stil gefunden. Er muss sich nicht mehr verbiegen, um Hörer zu finden. Das hier ist, wer er ist.
Musikalisch hält er ein letztes Mal an Bewährtem fest. Man weiß mittlerweile, wie Beats von KitschKrieg klingen. Und auch wenn diese nicht mehr so innovativ sind wie vor ein paar Jahren, haben sie nichts von ihrer minimalistischen Eleganz verloren. Niemand kombiniert hierzulande Elemente aus Trap, Dancehall und Pop so mühelos. Der Sound von "Insomnia" wirkt wie aus einem Guss. Tracks gehen fließend ineinander über, jeder Klang sitzt genau dort im Mix, wo er hingehört. Selbstverständlich wird Trettmanns Stimme wieder durch die Effektmaschinen gejagt, wer also weltanschauliche Probleme mit Autotune hat, sollte jetzt aufhören zu lesen. Wobei der Effekt bei Trettmann – ähnlich wie bei Haiyti – schlicht ein bewusst eingesetztes Stilmittel ist. Und mal ehrlich: Niemand macht Gitarristen einen Vorwurf, wenn sie ein Chorus-Pedal benutzen, um den Sound zu verfremden.
Die Songs auf "Insomnia" sind überwiegend gelungen. Große Hits gibt es eher nicht, obwohl allein für die vielen prominenten Features viele Anrufe nötig gewesen sein dürften. Dass Künstler wie Herbert Grönemeyer, Lena und Bilderbuch auf einem Trettmann-Album nicht wie Fremdkörper wirken, muss dem Künstler und seinen Produzenten hoch angerechnet werden. Der einzige Gast, dessen Beitrag stört, ist Henning May, da seine Stimme nach Autotune-Behandlung wie die eines sterbenden Zweitaktmotors klingt. Grönemeyer fügt hingegen "Stefan Richter", einem Track über die Divergenz zwischen Mensch und Künstler-Alter-Ego, die nötige Portion Altersweisheit hinzu. Und auch Lenas unaufgeregt eingesungene Zeilen in "Timeline" stehen dem Song gut. Schließlich sei noch Nina Chuba erwähnt, die in "Tauchen" Trettmanns Verse über lange Nächte mit der perfekten Mischung aus Larmoyanz und Ironie kommentiert.
Im Mittelpunkt steht aber selbstverständlich Trettmann selbst. Texten kann er immer noch, singen und rappen sowieso. Die emotionale Tiefe von "#DIY" wird nur selten erreicht, was aber vor allem daran liegt, dass kaum noch Geschichten aus der düsteren Vergangenheit erzählt werden. Stattdessen geht es um das Leben, das man als Popstar, Familienvater und Lebemann eben so führt. Und da ist sie wieder, die Einsamkeit. In "6 Nullen" philosophiert Trettmann über die Leere, die sich auch von einem höheren Lebensstandard nicht füllen lässt. "Im Loop" widmet sich hingegen der Liebe in all ihren Facetten. Die Musik, die Frau, die Trennung von selbiger, das sind die Dinge, die Trettmann im Jahr 2023 antreiben. Er ist vielleicht nicht der wichtigste deutsche Popmusiker, aber immer noch einer der besten.
Highlights
- 6 Nullen
- Timeline (feat. Lena)
- Stefan Richter (feat. Herbert Grönemeyer)
- Im Loop (feat. Bilderbuch)
Tracklist
- 6 Nullen
- Kalte Welt (feat. Henning May)
- Insomnia
- Timeline (feat. Lena, 255)
- Gekreuzte Finger (feat. Paula Hartmann)
- Für dich da (feat. Levin Liam)
- Blue sky
- Stefan Richter (feat. Herbert Grönemeyer)
- Im Loop (feat. Bilderbuch)
- Tauchen (feat. Nina Chuba)
- Outro
Gesamtspielzeit: 31:25 min.
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(Neueste fünf Beiträge)
User | Beitrag |
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kenny23 Postings: 654 Registriert seit 07.11.2013 |
2023-03-24 22:26:03 Uhr
Ja, großartige Trilogie!DIY 10/10 Trettmann 7/10 Insomnia 8/10 |
captain kidd Postings: 3751 Registriert seit 13.06.2013 |
2023-03-24 22:19:05 Uhr
Grönemeyer ist überragend. Der Track ist ein Monument. "Für dich da" ist überragend gesungen. Das Album ist wirklich gut. Auch ein paar Killerzeilen... "Bis zu spät ist noch ewig Zeit" Grandios. Bester deutscher Künstler derzeit. |
maxlivno Postings: 2941 Registriert seit 25.05.2017 |
2023-03-24 22:15:41 Uhr
find‘s erschreckend schwach. Die Features bis auf Lena (hätte ich selbst nicht gedacht) und Paula Hartmann irgendwo zwischen Mist und langweilig |
captain kidd Postings: 3751 Registriert seit 13.06.2013 |
2023-03-24 20:04:07 Uhr
Immer stärker, das Teil. Sehr sehr gutes Album . |
Arne L. Postings: 1629 Registriert seit 27.09.2021 |
2023-03-24 20:01:45 Uhr
Poah, das finde ich wirklich ein sehr schwaches Album. Die Features sind teilweise grauenhaft implementiert, textlich will es so gar nichts mit mir machen und mit den Rhythmen kann ich persönlich auch nichts anfangen. Das wäre auf den ersten Höreindruck für mich nicht mehr als eine 4/10. |
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Referenzen
KitschKrieg; Marteria; 01099; Haiyti; Apache 207; Megaloh; Tua; Ahzumjot; RAF Camora; Gzuz; Bausa; OG Keemo; Goldroger; Kummer; KC Rebell; Genetikk; Dardan; Jamule; Die Orsons; Sido; K.I.Z.; Fatoni; Dexter; Casper; Cro; Capital Bra; Maeckes; Nimo; Ufo361; Shindy; Marvin Game; Chefket; Gentleman; Freundeskreis; Trailerpark; Prinz Pi; MoTrip; Celo & Abdi; Alligatoah; Henning May; Lena; Paula Hartmann; Levin Liam; herbert Grönemeyer; Bilderbuch; Nina Chuba
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