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Ulrika Spacek - Compact trauma

Ulrika Spacek- Compact trauma

Tough Love / Cargo
VÖ: 17.03.2023

Unsere Bewertung: 7/10

Eure Ø-Bewertung: 8/10

Hochsprung und Fall

Manchmal muss man sich entscheiden im Leben. Pilzrahmsuppe oder Steckrübeneintopf? Plattentests.de oder Chefkoch.de? Hochsprung oder Schauspielfach? Na gut: Vor einem derart folgenschweren Dilemma standen Ulrika Spacek noch nicht. Das Quintett benötigte bald nach seiner Gründung lediglich einen Namen – da kam es wie gerufen, dass sich die Londoner zuvor sowohl über Leichtathletin Ulrike Meyfarth als auch über Hollywood-Größe Sissy Spacek unterhalten hatten, sodass sie ihre Band kurzerhand quasi nach beiden Damen benannten. Klingt etwas konstruiert – aber das ist Ulrika Spaceks Musik schließlich auch. Geschult an spitzfindigem Indie-Rock der alten Sonic-Youth- und neueren Deerhunter-Schule, die übernächste Fahrt geht oft unvermittelt rückwärts, und hätte der Gitarrist einen Schnurrbart, würde dieser sicher vibrieren. Trotzdem klang all das schon auf "Modern English decoration" weit weniger anstrengend, als man annehmen könnte, sondern zackig und zwingend. Und gar nicht nach einem "Compact trauma".

Inhaltlich sieht es anders aus, seit man Ulrika Spacek im Vorfeld ihres dritten Albums den Proberaum unter dem Allerwertesten weggentrifizierte und weder miefige Turnhalle noch schummriges Programmkino als Ersatz zur Verfügung standen, sodass sich der Fünfer gezwungen sah, eine ungewohnt professionelle Studio-Umgebung anzumieten. Doch nicht nur davon erzählt "The sheer drop" in schönster Thurston-Moore-Phrasierung und mit fiebrigem Quietsch-Riffing: Zum Verlust der künstlerischen Heimat kamen der von Mitglied Rhys Williams und von existenzieller Selbstverständlichkeit, zumal sich die pandemische Isolation gerade auf der Insel als noch weniger splendid erwies als ohnehin schon. Frontmann Rhys Edwards und Kollegen hat das nicht geschadet: Der erwähnte Opener flötet erst zart mit den Keyboards und träumt dann von einem New Yorker Loft, wo Proto-Punks vor einem krisseligen Television-Gerät musizieren und sich mit den Worten "It will come sometime" in wohlige Seligkeit grooven. Vielleicht wird ja doch alles gut.

Zumindest auf "Compact trauma", denn zuweilen schaut auch tight vorwärts polterndes Uptempo wie "Diskbänksrealism" um die Ecke und räumt mit der größten Zimmerpanik auf, nachdem kurz zuvor die "Lounge angst" noch wie ein irrlichterndes Theremin durch die verwinkelten Räumlichkeiten spukte. "If the wheels are coming off, the wheels are coming off", zuckt Edwards angesichts eines sowieso knirschenden Getriebes wenig später mit den Schultern, täuscht zunächst so etwas wie The Cures "Lullaby" an und fährt schließlich doch in Schrittgeschwindigkeit vor die Post-Rock-Wand. Der ebenso starke Titelsong folgt auf dem Fuße, schaut sich zufrieden die Trümmer an – und ist doch nur die Startrampe für das fast elfminütige "Stuck at the door", das gleichermaßen entschlossen und virtuos durch weit aufgerissenen Fuzz, überkochendes Synth-Geblubber und ambiente Schwaden stapft. Womit Ulrika Spacek nun auch ihr "Sister Ray" in der Diskografie hätten. Und ein weiteres tolles Album auf der Habenseite. Gute Entscheidung.

(Thomas Pilgrim)

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Highlights

  • The sheer drop
  • It will come sometime
  • Diskbänksrealism
  • Stuck at the door

Tracklist

  1. The sheer drop
  2. Accidental momentary blur
  3. It will come sometime
  4. Lounge angst
  5. Diskbänksrealism
  6. Through France with snow
  7. If the wheels are coming off, the wheels are coming off
  8. Compact trauma
  9. Stuck at the door
  10. No design

Gesamtspielzeit: 48:54 min.

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(Neueste fünf Beiträge)
User Beitrag

noise

Postings: 976

Registriert seit 15.06.2013

2023-03-19 12:47:53 Uhr
Mochte damals den Vorgänger auch sehr gerne.
Problem: Zur Zeit höre ich diese Art von Indiepop ala Sonic Youth gar nicht mehr. Aber ich werde der neuen gerne mal ein Ohr gönnen.

Armin

Plattentests.de-Chef

Postings: 26377

Registriert seit 08.01.2012

2023-03-15 22:29:33 Uhr - Newsbeitrag
Frisch rezensiert.

Meinungen?

cargo

Postings: 674

Registriert seit 07.06.2016

2023-03-10 15:34:00 Uhr
Nach sechs Jahren ist heute der Nachfolger zu dem fantastischen "Modern English Decoration" erschienen. Habe die Platte erst zwei Mal durch, kann aber jetzt schon sagen, dass die Band sich hervorragend weiterentwickelt hat.

Müsste eigentlich sehr vielen hier im Forum taugen.

"If The Wheels Are Coming Off, The Wheels Are Coming Off"
https://www.youtube.com/watch?v=sd7hr6hrQlM
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