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Haken - Fauna

Haken- Fauna

InsideOut / Sony
VÖ: 03.03.2023

Unsere Bewertung: 7/10

Eure Ø-Bewertung: 8/10

Tierisch verplant

Man könnte ja meinen, im Progressive Metal sei alles auserzählt. Wenn es darum geht, krachende Riffs mit höchster Spielfertigkeit zu verknüpfen, geht nach wie vor vieles auf Dream Theater zurück, die sich – mittlerweile 34 Jahre nach dem Debüt-Album "When dream and day unite" – mit Fug und Recht als die Urväter des Genres bezeichnen dürfen. Oder platt formuliert: Nur Geballer und Gefrickel reicht auf Dauer nicht. Und wenn es um ausufernde Konzepte, albumübergreifendes Storytelling oder ganz allgemein um ganz viel Kopf geht, dann werden gerne Coheed And Cambria genannt, deren Werke wohl nur mit abgeschlossenem Literaturstudium analysiert werden können. Und doch haben sich Haken eine kleine Nische gegraben, ließen mit "The mountain" 2013 erstmals auch außerhalb des Undergrounds von sich hören – und verirrten sich zuletzt mit den thematisch eng verwandten Alben "Vector" und "Virus" im Dickicht der bisweilen stereotypen Djent-Riffmaschinerie.

Eine harte Zäsur ist das siebte Studioalbum "Fauna" deshalb noch lange nicht. Die einzigen Verbindungen in die Vergangenheit bestehen lediglich in der Rückkehr von Keyboarder Peter Jones und der Zusammenarbeit mit Produzent Jens Bogren – jener verhalf bereits "The mountain" zum Durchbruch. Das eröffnende Duo aus "Taurus" und "Nightingale" zeigt jedoch, dass zumindest songtechnisch zunächst wenig am bewährten Konzept verändert wurde. Vor allem geben die Briten nach wie vor wenig Zeit, sich im Dickicht der Ideen zurechtzufinden – wenn der Beginn von "Taurus" nicht nach wenigen Takten im Blut ist, hat man eben Pech gehabt und wird dennoch durch den Strophenteil formvollendet in Düsternis hinabgezogen. Nur dass die Erlösung hier keine Djent-Eskalation ist, sondern ein höchst dramatischer Refrain von Frontmann Ross Jennings. Puh.

Was jedoch umgehend beeindruckt, ist die Leichtigkeit, mit der die Londoner durch die verzwicktesten Songs navigieren. "The alphabet of me" klingt zwischendurch mit seinen auf dumpf getrimmten Pop-Teppichen, als würde man einem dezent ausflippenden Serj Tankian aus der Gummizelle zuhören. Wenn man versuchen sollte, den Rhythmuswechseln von "Beneath the white rainbow" zu folgen, kann man verstehen, warum die Band in Interviews gerne anmerkt, sich im Proberaum ob vermeintlich unspielbarer Passagen über sich selbst kaputtzulachen. Doch wenn dieser Irrwitz bei Devin Townsend funktionieren kann, dann auch bei Haken – das Ergebnis ist zwar anstrengend, belohnt die Mühen aber mit zahlreichen Aha-Effekten und immer schlüssigen Auflösungen der diversen Rhythmus-Knoten. Was umso erstaunlicher ist angesichts des Umstands, dass sich dieses Gewirr zumeist in kompakten fünf bis sieben Minuten abspielt.

Einzig "Elephants never forget" benötigt elf Minuten, um seine Pracht zu entwirren. Hielten sich die Briten bis hierhin noch mit ihrem Eklektizismus zurück, zitieren sie sich hier völlig enthemmt quer durch die Prog-Geschichte. Es dürfte auf längere Sicht unmöglich sein, wirklich alle Referenzen zu erraten, doch was wirklich zählt, ist die Spielfreude und der irrsinnige Spaß, den Haken hier gehabt haben müssen. Zumal allerspätestens hier deutlich geworden sein muss, dass die Briten tatsächlich auch Songs schreiben können, die nicht in ein großes Ganzes eingebettet werden müssen, sondern die vielmehr alleine für sich stehen und funktionieren können. Gut so. Denn würde tatsächlich irgendjemand "Fauna" hören, weil die Songs so geschickt den konzeptionellen Überbau, jeder einzelne Track stehe für ein so genanntes Kraft-Tier, miteinander verknüpfen? Eben.

(Markus Bellmann)

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Highlights

  • Taurus
  • The alphabet of me
  • Elephants never forget

Tracklist

  1. Taurus
  2. Nightingale
  3. The alphabet of me
  4. Sempiternal beings
  5. Beneath the white rainbow
  6. Islands in the clouds
  7. Lovebite
  8. Elephants never forget
  9. Eyes of ebony

Gesamtspielzeit: 62:11 min.

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(Neueste fünf Beiträge)
User Beitrag

Sroffus

Postings: 816

Registriert seit 25.07.2013

2023-10-22 21:59:21 Uhr
Doch! Gutes Album!

Jonas

Postings: 13

Registriert seit 31.08.2021

2023-06-08 02:08:08 Uhr
Kein Genre-Kenner, aber mich durch diese Mischung aus Wahnsinns-Arrangements und üblen Klischees durchzuhören hat mich so glücklich gemacht wie eine starke, augenzwinkernde Hyperpop-Produktion. Daumen hoch. :-)

hos

Postings: 1948

Registriert seit 12.08.2018

2023-03-17 21:43:09 Uhr
Betreff Progmetal:

"(...) Dream Theater (...), die sich (...) mit Fug und Recht als die Urväter des Genres bezeichnen dürfen."


Bitte was? :D


Oceantoolhead

Postings: 2278

Registriert seit 22.09.2014

2023-03-16 18:28:55 Uhr
So schlimm wie hier gemacht, ist das Album beileibe nicht. Einige tolle Melodien und Soundexperimente sind schon dabei. Ich verstehe nur nicht warum die aktuellen ProgMetal/ProgRock Acts einem ihr Genre so unter die Nase reiben müssen. Letztens nochmal die Effloresce von Oceansize aufgelegt, auch die benutzten damals krumme Takte und lange Songstrukturen. Nur eben subtil und songdienlich eingearbeitet. Bei Fauna aber auch beim neuen (aber auch deren alten) Peripherie Album krieg ich deutliche selbstinzenierungsvibes. Ganz nachdem Motto:: „HOEr m_aL MaM1 / W iE unGL/\u - blich_ pr0ggiE \/\/ I R si_nd!“

Hierkannmanparken

Postings: 760

Registriert seit 22.10.2021

2023-03-16 13:57:10 Uhr
Ich finds auch sehr unzugänglich. Musikalisch auf eine Art undurchdringlich, die ich total austauschbar finde. Die Produktion ist mir zu glatt. Die Lyrics kommen mir unnötig komplex vor. Einfach null emotional. Wenn ich das zb damit vergleiche, was Close to the Edge, Red, Hand Cannot Erase oder irgendwas von Jethro Tull in mir auslöst.
Dabei scheinen ja echt rührende Themen hinter den Songs zu stecken. Aber das Ganze ist so unnahbar und mechanisch.
Meine Progphase ist trotzdem noch lange nicht vorbei! :D
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