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Niels Frevert - Pseudopoesie

Niels Frevert- Pseudopoesie

Grönland / Rough Trade
VÖ: 24.03.2023

Unsere Bewertung: 8/10

Eure Ø-Bewertung: 7/10

Vom Wollen und Können

"Manchmal gibt es nur noch die Befürchtung, ganz allmählich zu verstummen. Das, was ich will, hat mit dem, was ich kann, wenig zu tun." Das sang Niels Frevert im Jahr 2003 auf seinem zweiten Soloalbum "Seltsam öffne mich", und es war ein feines Beispiel für diese unzähligen Zitate, die bei ihm oft nur so dahingesagt wirken und sich doch irgendwie für immer festsetzen. Satte 20 Jahre später ist der ehemalige Frontmann der längst im Archiv versenkten Nationalgalerie noch immer unterwegs, und nach wie vor tastet er sich lyrisch durch allerlei Zweifel und Fragestellungen. Was ihm auf seinem Weg nicht abhandenkam, ist das Gespür für große Songs. "Pseudopoesie", sein mittlerweile siebtes Langwerk unter eigenem Namen, liefert dafür zehn neue Qualitätsnachweise.

Der Vorgänger "Putzlicht" hatte Frevert, 1967 in Hamburg geboren, musikalisch zwar nicht von seinen Wurzeln entfernt, sehr wohl aber in neuem – nomen est omen – Licht erscheinen lassen. Alles wurde etwas breitwandiger inszeniert; seine Klasse als fantastischer Songwriter schimmerte noch immer hinter jeder Ecke hervor, es kam aber ein Element hinzu, das vor allem live zündet. Frevert, das muss man so sagen, knallt geradezu auf der Bühne. "Pseudopoesie" geht diesen Weg konsequent weiter. Stücke wie "Weite Landschaft" wären in dieser Form vor einigen Jahren beim Hamburger eher nicht denkbar gewesen, mittlerweile aber klingen sie längst Frevert-typisch. Dinge ändern sich, nicht nur im Grundton seiner Musik: "War mal eine weite Landschaft / Bevor du sie runtergebrannt hast / War mal eine weite Landschaft / Bevor Du ein Hochhaus drauf gebaut hast." Jede Wette: Das entfaltet bei Konzerten große Wirkung.

Im folgenden Song "Fremd in der Welt" platziert er sich dort, wo er sich selbst womöglich sieht: ein gutes Stück abseits vom Rest. "Ich singe und singe / Nachtigallgleich / Ich sing' in einem Käfig / In dem der Algorithmus nicht greift." Das Wunderbare an seinen Texten? Man findet immer etwas für sich, versucht sich am Verstehen des Gesagten und weiß gleichzeitig: Wer etwas anderes herauslesen will, würde von Frevert nicht ausgelacht werden. Er versteht sich gerne als Beobachter und sinniert im grandiosen "Träume hören nicht auf bei Tagesanbruch": "Einmal Ost, einmal West / Nur weg von hier / Es ist überall anders besser / Der Blick ist weit und die Sehnsucht groß / Und jeder Morgen ein neuer Versuch / Träume hören nicht auf bei Tagesanbruch."

Wo auf dem Vorgänger das Putzlicht am Ende der Nacht aufflammte, geht der Spaß hier erst richtig los: "Eigentlich wollte ich längst nach Hause / Körper fragte nach 'ner Pause / Doch aus der Seitenstraße drang noch Lärm / Und ich nahm die drei Stufen in das Souterrain", heißt es in "Kristallpalast", und später: "Eben dachte ich noch letzte U-Bahn / Bei dem Griff nach dem letzten Strohhalm / Jetzt rühre ich meinen Drink gegen den Uhrzeigersinn / Und spüre dabei die Eiswürfel klingen." Pseudo ist hier gar nichts, poetisch hingegen ganz viel. Niels Frevert bringt das, was er will, mit dem, was er kann, vortrefflich zusammen. Das Verstummen darf er sich gerne noch sehr lange verkneifen.

(Torben Rosenbohm)

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Highlights

  • Weite Landschaft
  • Pseudopoesie
  • Träume hören nicht auf bei Tagesanbruch
  • Kristallpalast

Tracklist

  1. Weite Landschaft
  2. Fremd in der Welt
  3. Pseudopoesie
  4. Rachmaninow
  5. Träume hören nicht auf bei Tagesanbruch
  6. Waschbeckenrand
  7. Klappern von Geschirr
  8. Tamburin
  9. Kristallpalast
  10. Ende 17

Gesamtspielzeit: 32:38 min.

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(Neueste fünf Beiträge)
User Beitrag

Obrac

Postings: 2084

Registriert seit 13.06.2013

2024-03-07 12:47:06 Uhr
Wie toll ist eigentlich "Tamburin"?

Herr Bohm

Postings: 13

Registriert seit 10.02.2022

2023-05-15 12:49:54 Uhr
Wir haben sogar noch im Lagerhaus in HB direkt gegoogelt, ob er einen Bruder hat, der Bass spielt :-)

jo

Postings: 5658

Registriert seit 13.06.2013

2023-05-14 10:59:14 Uhr
Ist eigentlich auch jemandem die Assoziation gekommen, dass der Bass wie ein Bruder von Robert Habeck aussieht?!

Ich hatte tatsächlich in Mannheim die gleiche Idee :D. Lag aber eher daran, dass ich auch nicht direkt vor der Bühne stand.

Kalle

Postings: 344

Registriert seit 12.07.2019

2023-05-14 08:51:08 Uhr
Wieder mal ein herrliches Konzert von Niels Frevert gestern in Dortmund. Und als Höhepunkt das Gitarrensolo von "Der Typ, der nie übt". Wow.
Ist eigentlich auch jemandem die Assoziation gekommen, dass der Bass wie ein Bruder von Robert Habeck aussieht?!

Obrac

Postings: 2084

Registriert seit 13.06.2013

2023-05-08 22:25:08 Uhr
Ich dachte tatsächlich erst, "Kristallpalast" wäre von der "Seltsam".
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