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Die Wilde Jagd - Ophio

Die Wilde Jagd- Ophio

Bureau B / Indigo
VÖ: 24.02.2023

Unsere Bewertung: 8/10

Eure Ø-Bewertung: 7/10

Wo vorwärts ist

Zu Beginn ein wenig Sprachwissenschaft: "Ophio" ist ein aus dem Griechischen stammendes gebundenes Wortbildungselement mit der Bedeutung "Schlangen betreffend". Ophiologen und Altphilologen wussten das natürlich bereits. Ob Sebastian Lee Philipp, der Kopf hinter dem Projekt Die Wilde Jagd, Schlangenkundler ist, war zu Redaktionsschluss nicht bekannt. Dass er seit mittlerweile acht Jahren gar wundersame Musik veröffentlicht, hingegen schon. Spätestens seit "Haut" schert er sich auch nicht mehr um Konventionen. Die Tracks wurden mit der Zeit immer länger, die Konzepte hinter den Alben undurchdringlicher. Insofern stellt "Ophio", das vierte Album von Die Wilde Jagd, den konsequenten nächsten Schritt dar. Es gibt kein Halten mehr.

Man kann es auch so ausdrücken: Kein anderer deutschsprachiger Künstler klingt wie Die Wilde Jagd. Oberflächlich betrachtet ist das alles irgendwie immer noch Popmusik, es gibt Strophen, Refrains und eingängige Melodien. Während andernorts jedoch bereits nach einer halben Minute zum ersten Mal der Kehrvers angestimmt wird, passiert auf "Ophio" erstmal gar nichts. Über vier Minuten lang lässt Philipp sich Zeit, bis er schließlich die ersten Akkorde des Titeltracks auf der Akustikgitarre anschlägt. Was dann geschieht, hinterlässt bleibenden Eindruck. Der Song steigert sich von einem leichten, leisen Säuseln zu einem von Streichern angepeitschten Sturm. Dazu erklingen Verse wie "'Ophio, Ophio', sagst Du / Liegt im Ende von Dir noch das Beste vor mir?". Das lässt mindestens Raum für Interpretation.

Man kann es natürlich auch ziemlich meschugge finden. Diese Doppelbödigkeit zieht sich seit jeher durch das Werk von Die Wilde Jagd. Meint Philipp das alles wirklich ernst? Und wo soll das enden? Die Antwort lässt er selbstverständlich offen. Seine Kunst besteht darin, das Ungefähre hörbar zu machen. Songs wie "The hearth" und "In Wonnenhieben" leben von einer minimalistischen Klangästhetik. Auch die Stimme ist hier nur ein weiteres Instrument, das zwischen den Räumen verhallt. Genau dort wartet "Perseveranz", ein zehnminütiges Monstrum, das zunächst in Lauerstellung geht. Doch unmerklich, fast heimtückisch steigert sich auch dieser Track in manisches Flimmern. So einfach und so schön kann Musik sein, wenn man sie atmen lässt.

Doch der Atem gefriert. Es ist kalt geworden. "Kelch" geht vorüber und hinterlässt dabei eine Schneise der Vereisung. Dort, wo vorwärts hinführt, wartet die Finsternis. Ein Nebelhorn erklingt. Und schließlich, endlich fügen sich die Puzzleteile zusammen. Das treffend betitelte "Ouroboros" schließt den Kreis. "Ophio" ist ein Album über die Ewigkeit. Über die Fähigkeit von Kunst, jenseits ihrer Zeit zu existieren. Über all das, was irgendwo da draußen wartet, in den Tiefen des Kosmos, in der Weite des Verstands, der Entropie entgegen.

(Christopher Sennfelder)

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Highlights

  • Ophio
  • The hearth (feat. Lihla)
  • Ouroboros

Tracklist

  1. Ein Anfang
  2. Ophio
  3. Perseveranz
  4. Gnafna nie
  5. The hearth (feat. Lihla)
  6. In Wonnenhieben
  7. Kelch
  8. Ouroboros

Gesamtspielzeit: 48:00 min.

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(Neueste fünf Beiträge)
User Beitrag

n00k

Postings: 275

Registriert seit 26.01.2021

2024-10-15 18:58:17 Uhr
Der Titelsong ist fantastisch.

Hierkannmanparken

Postings: 1982

Registriert seit 22.10.2021

2023-03-06 21:13:08 Uhr
Die LP ist heute angekommen, es ist schon so ein halbes Kinoerlebnis! Jeder Sound wirkt dermaßen vorsichtig abgewogen.
Und trotz der Erstsemester-Germanistik-Lyrics finde ich die Musik sehr zugänglich, fast schon zum mitsingen.

Hierkannmanparken

Postings: 1982

Registriert seit 22.10.2021

2023-03-01 17:37:59 Uhr
Genau deshalb gönne ich mir die LP, mache ich inzwischen auch nicht mehr bei jedem Album, das mir gefällt. Bin schon richtig gespannt!

Oceantoolhead

Postings: 2309

Registriert seit 22.09.2014

2023-03-01 17:27:48 Uhr
Das Jahr 2023 hat echt nüchtern angefangen, mit einigen schweren und leichten Enttäuschungen. Aber die hier ist ein Volltreffer. Auch super geil produziert wie viel da im Stereobild passiert , scheinbar still stehende Kompositionen tauschen ständig details aus oder fügen neue hinzu. Ein Ohrenschmaus.

Christopher

Plattentests.de-Mitarbeiter

Postings: 3789

Registriert seit 12.12.2013

2023-02-28 22:56:18 Uhr
Ja, "Ouroboros" ist wirklich grandios.
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