The Murder Capital - Gigi's recovery

Human Season / ADA / Warner
VÖ: 20.01.2023
Unsere Bewertung: 8/10
Eure Ø-Bewertung: 9/10

Faszinierend grau
Bei der allerersten Begegnung mit The Murder Capitals zweitem Langspieler ertappt man sich bei dem Gedanken: Wer auch immer dieser oder diese Gigi sein mag und woran er, sie oder es leidet, angesichts der intensiven Post-Punk-Klänge der Iren scheint es per se etwas frech, schnelle Genesung zu wünschen oder gar zu erwarten. Denn The Murder Capital spenden keine Wellness-Session, haben keine schnellen Kurschatten-Freuden für uns parat. Sie fordern in nahezu jeder Minute Einsatz von ihren Hörer*innen. Passivität ist kein Rezept, möchte man nicht bald die Flucht vor dieser Band ergreifen. Doch das nicht etwa, weil ihre Klänge fernab von Schönheit wären.
Ein feines Beispiel für die klangliche Zerissenheit ist das vorab ausgekoppelte "Ethel". Zunächst regiert die leicht flirrende Gitarre, bevor James McCoverns einnehmende Stimme den Raum für sich beansprucht. Bis man jedoch von diesem tollen Stück Musik vollends in das wuchtige Dunkel von The Murder Capital gezerrt wird, braucht es ein wenig Geduld. Ganz ähnlich strukturiert ist "The stars will leave their stage", das seine Wurzel zunächst an einem markanten Keyboard-Sprenkel nährt, bevor kühles Drumming und McCoverns Art zu singen den Song zu einem entrückt-faszinierenden Erlebnis machen. Tom Waits am Iceage-Mikrofon wäre eine weitere mögliche Umschreibung.
Ebenso hätte es sich die aufstrebende Kombo leichter machen können, als das bedrückend-spährische "Crying" quasi an der Opener-Position von "Gigi's recovery" zu platzieren, diesem ambitinierten Nachfolger des vielbeachteten Debüts "When I have fears". Doch spätestens, wenn die absolut einnehmende Koexistenz von McCoverns flehender Gesangslinie, dem drückenden Bass und dem furiosen, treibenden Drumming wirkt, bleibt die Kinnlade für eine Weile unten. Inhaltlich ist die Platte äußert reflektiert. Es geht um durchaus unangenehme Fragen rund um die Existenz, um Selbstwahrnehmung und Selbstbetrug. "We die just to keep our souls / As features we hang them from our walls", stellt man in "The stars will leave their stage" bedrohlich realistisch fest. Bis die Schwere in "The lie becomes the self" bedrohlich greifbar und dennoch in funkelnder Schönheit kumuliert.
Auch um die schwierige(n) Kiste(n) mit den menschlichen Beziehungen kommen wir nicht herum, natürlich nicht. "Beside you / I die to exist", heißt es da im leicht zynisch betitelten "A thousand lives". Hach, man bräuchte sie fast, diese tausend Leben, bei all dem Mist, den man so baut. Oder wenigstens hundert. A propos: So richtige Hits fabrizieren, die von null auf hundert preschen, ähnlich dem unzerstörbaren Feger "Don't cling to life" vom Debüt, kann der talentierte Fünfer aus Dublin natürlich auch. "Return my head" heißt das Schmuckstück und hat beste Aussichten auf einen Dauerbrenner-Platz auf den Playlisten des Jahres 2023. Auch das super melodische und somit positiv in die Zukunft blickende "Only good things" lässt ein wenig Licht in all das Grau der Klänge. In all das faszinierende Grau.
Highlights
- Crying
- Return my head
- Ethel
- The lie becomes the self
- Only good things
Tracklist
- Existence
- Crying
- Return my head
- Ethel
- The stars will leave their stage
- Belonging
- The lie becomes the self
- A thousand lives
- We had to disappear
- Only good things
- Gigi's recovery
- Exist
Gesamtspielzeit: 46:55 min.
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(Neueste fünf Beiträge)
User | Beitrag |
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headup Postings: 91 Registriert seit 09.09.2017 |
2024-09-23 21:38:32 Uhr
Yes....sehr geil...und mal ziemlich direkt.Lässt mal wieder Großes erahnen.... |
MickHead Postings: 3573 Registriert seit 21.01.2024 |
2024-09-23 19:44:32 Uhr
Die irische Band The Murder Capital ist mit ihrer ersten neuen Musik seit ihrem großartigen zweiten Album „Gigi’s Recovery“ zurück. „Can’t Pretend to Know“ wurde von John Congleton produziert und ist ein echter Kracher, verfügt aber immer noch über den melodischen Sinn, der auf ihrem letzten Album zum Vorschein kam."Can't Pretend To Know" https://youtu.be/w78NwHYLjzo?feature=shared |
Huhn vom Hof Postings: 7619 Registriert seit 14.06.2013 |
2023-10-14 13:23:01 Uhr
Meine Platte des Jahres, definitiv! Meine auch :) Das Debüt "When I Have Fears" ist ebenfalls klasse. |
nörtz User und News-Scout Postings: 15561 Registriert seit 13.06.2013 |
2023-10-13 14:10:43 Uhr
Maja hat Recht. |
eric Mitglied der Plattentests.de-Chefredaktion Postings: 2871 Registriert seit 14.06.2013 |
2023-10-13 13:50:22 Uhr
Schön beschrieben, @Maja. Ich steh' nach wie vor zu der 8/10. Jetzt kommt ja auch die kühlere Jahreszeit, wo ich solche Alben wieder häufiger höre. :) |
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Referenzen
Iceage; Shame; The Horrors; Holograms; Fontaines D.C.; Savages; Protomartyr; The Twilight Sad; Crows; Future Of The Left; Preoccupations; Girl Band; Viagra Boys; Ought; Drahla; Show Me The Body; Tom Waits; Flasher; Metz; Drenge; Heavy Lungs; Meat Wave; Joy Division; Warsaw; The KVB; The Cure; Ceremony; Arcade Fire; Bauhaus; Motorama; Wire; These New Puritans; Fufanu; Ritual Howls; The National; Frightened Rabbit; Wipers; Gang Of Four; INVSN; The Birthday Party; The Boys Next Door; Interpol; Editors; The Drums; Girls Names; The Rakes; Iggy Pop; The Stooges; MC5; Killing Joke; ; Soviet Soviet; Fotocrime; Eagulls; Obits; The Icarus Line; The Men; The Dead Weather; The Kills; Black Rebel Motorcycle Club
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