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Tüsn - Am Ende bleibt Dir nichts

Tüsn- Am Ende bleibt Dir nichts

Redfield / Al!ve
VÖ: 13.01.2023

Unsere Bewertung: 7/10

Eure Ø-Bewertung: 6/10

Komm tanz mit mir

Ein bisschen aus der Zeit gefallen ist die Musik von Tüsn schon. Was die Band um Sänger Stefan "Snöt" Fehling nun schon auf dem dritten Album versucht, hat viel von dem, wozu die gerade volljährigen Kids um 2010 herum ekstatisch in der Indie-Disco getanzt haben. Viel Pop, große Gesten und starke elektronische Einflüsse: Tüsn geben sich ambitioniert, aber am besten funktioniert ihre Musik, wenn man nicht zu lange über sie nachdenkt.

Dabei hat Fehling in seinen Texten schon den Anspruch, sich mit der Jetztzeit auseinanderzusetzen, gereimte Denkanstöße zu geben und eventuell den Diskurs anzuregen. In "741 Millionen" prangert er die ungleiche Verteilung von Vermögen an und kommentiert zynisch die Missgunst im erbarmungslosen Wettkampf: "Wer verhungert, ist wohl selber schuld daran." Das alles wird mit weit geöffnetem Mund überartikuliert, Pianomelodien hetzen durch einen Großteil der Songs und druckvolle Synthies schieben zusätzlich an. Selbst eine oberflächliche Flucht in die Partyhymne "Was hast Du heute Abend vor" ist alles andere als eine entspannte Auszeit, sondern tanzt zu Bläsern bis in die Morgenstunden.

Runterfahren kann man zwischenzeitlich mit der Pianoballade "Vernavigiert" – zumindest theoretisch. Doch die pathetischen Zeilen will man mit geschlossenen Augen so laut mitsingen, dass man sich automatisch in sein 18-jähriges Ich zurückverwandelt und schon wieder kaum Luft zum Atmen bleibt: "Wie oft bin ich schon falsch abgebogen, ohne die Kreuzung überhaupt zu registrieren?" Das ist vielleicht ein bisschen cringe, aber es fühlt sich so verdammt richtig an. Und falls man sich zwischen den Songs ein Glas Wasser holen möchte, dann bitte Beeilung, denn schon im darauffolgenden "Am Ende bleibt Dir nichts" schreit man wieder nach Liebe.

Ob das alles so clever ist, wie es vielleicht einmal gedacht war, sei dahingestellt, aber es macht auf jeden Fall wahnsinnig viel Spaß. Und: Wenn alle Karten zusammenpassen, die Sterne richtig stehen und das runterfallende Marmeladenbrötchen ausnahmsweise auf der ungeschmierten Seite landet, dann kann auch bei Tüsn etwas Herausragendes passieren. Die Single "Ruinieren wir uns heile" frönt zu einem unwiderstehlichen Beat dem Hedonismus und stakkatiert sich in Richtung Delirium: "Keiner braucht jetzt Gebete / Bring die Hausapotheke mit zur Kaltgetränketheke." Ein perfekter Indie-Popsong voller Dramatik, der gegen alles antanzt und sich keine Gedanken über den Kater macht: "Der Rausch muss lauter sein als jede Langeweile." Ein bisschen aus der Zeit gefallen ist die Musik von Tüsn also schon, aber sie haben mindestens den einen Hit, den 2023 gut gebrauchen kann.

(Arne Lehrke)

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Highlights

  • Ruinieren wir uns heile
  • Vernavigiert
  • Am Ende bleibt Dir nichts

Tracklist

  1. Jetzt & für immer
  2. 741 Millionen
  3. Blinde Scheiben
  4. Was hast Du heute Abend vor
  5. Ruinieren wir uns heile
  6. Vernavigiert
  7. Am Ende bleibt Dir nichts
  8. Auf Wiedersehen
  9. Algorithmen
  10. Regentag

Gesamtspielzeit: 37:12 min.

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