Billy Nomates - Cacti

Invada / PIAS / Rough Trade
VÖ: 13.01.2023
Unsere Bewertung: 5/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10

Herzlich angepisst
Es war ein durchaus beschwerlicher Weg, den sich Tor Maries in den späten 2010er-Jahren durch die DIY-Szene des englischen Südens bahnte. Nach einigen frustrierenden Bandprojekten, die kurz vor einem vermeintlichen Durchbruch an Lappalien und Befindlichkeiten scheiterten, hieß es daher: Alter Ego zulegen und alleine durchbeißen. Unter ihrem Alias Billy Nomates legt die Engländerin nun einige Jahre später mit "Cacti" bereits ihr zweites Album vor. Was 2020 auf dem selbstbetitelten Debüt in seiner kargen, verschrobenen und pissig vorgetragenen Verletzlichkeit bereits begeisterte, soll hier laut Maries nun weiter ausgeführt werden. Stichwort: mehr emotionale Einblicke zulassen, mehr Inneres zeigen – und dabei auch das Klanggewand etwas auflockern. Für die Aufnahme zeichneten dabei erneut keineswegs Big-Name-Producer oder schillernde Studios verantwortlich, sondern Drumcomputer, Küchenutensilien und Schrankinhalte. Ein rundum sympathischer Ansatz, der durchaus für Spannung vor dem ersten Hören sorgt.
Allerdings auch einer, dessen Umsetzung über die gesamte Länge von "Cacti" dann doch etwas auf der Strecke bleibt und enttäuscht. Die luftigeren Arrangements und die musikalische Öffnung sind Maries‘ Zweitling an vielen Stellen anzumerken – zünden wollen sie leider nicht immer. Schon das Opener-Duo aus "Balance is gone" und "Black curtains in the bag" lässt den Punch und Esprit des Debüts etwas vermissen. "Balance is gone" weiß dabei noch mit der hingerotzten Willkommensbotschaft "My inner peace is broken into five / I meditate but I am not alive" einen erzählerischen Haken zu setzen, musikalisch wirken beide Tracks aber etwas uninspiriert, gar müde. Ein Umstand, den man auf "Cacti" leider häufiger diagnostizieren muss. "Roundabout sadness", "Same gun" oder auch das komplett akustisch vorgetragene "Fawner" sind zu keinem Zeitpunkt schlecht, aber lassen den Drive, die Dringlichkeit, das Unmittelbare vermissen, die Maries' bisheriges Schaffen unter dem Pseudonym Billy Nomates so erfrischend und spannend machten.
Bevor wir nun der Teufel an die Wand malen, sei allerdings gesagt: Trotz offensichtlicher Schwächen bietet "Cacti" auch mitreißende Momente. Der düstere Titeltrack beispielsweise ist auf das absolut Nötigste reduziert und wird lediglich von wabernden Synth-Beats und Maries' Stimme getragen – eine musikalische Weiterentwicklung in diese Richtung? Immer her damit! Emotionales Kernstück des Albums ist allerdings das großartige "Spite", welches selbstreflektierte Lyrics wie "Only I hold power over me / Even then, I don't stick to everything I say" über trockene Beats und angecrunchte Gitarrenlicks legt, um anschließend in einen händereckenden Refrain mit – ja, wirklich – Achtziger-Pop-Anleihen überzugehen. Nun assoziiert man eine Pop-Hymne sicher nicht als Erstes mit Billy Nomates, trotzdem funktioniert diese hier als kraftvolles katharthisches Statement vorzüglich. Und könnte nebenbei bemerkt auch perfekt den Abspann eines melancholisch getränkten Roadmovies untermalen. Vielleicht ja auch denjenigen des Roadmovies über das bewegte Leben von Tor Maries, das sie ihren Hörer*innen auf "Cacti" wieder in aller Offenheit näherbringt. Auch, wenn dieses Mal ein paar Schlenker auf dem Weg nicht von der Hand zu weisen sind.
Highlights
- Cacti
- Spite
- Blackout signal
Tracklist
- Balance is gone
- Black curtains in the bag
- Blue bones (Deathwish)
- Cacti
- Saboteur forcefield
- Roundabout sadness
- Spite
- Fawner
- Same gun
- Vertigo
- Apathy is wild
- Blackout signal
Gesamtspielzeit: 40:46 min.
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(Neueste fünf Beiträge)
User | Beitrag |
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Enrico Palazzo Postings: 5390 Registriert seit 22.08.2019 |
2023-01-27 09:30:18 Uhr
Hm, ich find die Wertung schon okay, würde wohl ne 6 geben. Mit mir passiert da nicht viel und es ist kaum was, das nicht auch nebenbei einfach im Radio dudeln könnte, allerdings auch ohne dabei weh zu tun. |
myx Postings: 5367 Registriert seit 16.10.2016 |
2023-01-26 20:13:28 Uhr
Habe es wiederholt probiert, bei mir springt der Funke nicht über. |
Kevin Mitglied der Plattentests.de-Chefredaktion Postings: 1049 Registriert seit 14.05.2013 |
2023-01-26 17:17:20 Uhr
Erstes Jahres-Highlight, da gehe ich absolut mit. |
Perfect Day Postings: 712 Registriert seit 18.01.2014 |
2023-01-23 18:59:47 Uhr
Bin auch ziemlich angetan. Dachte an eine ordentliche Jahresauftaktplatte, aber das hier ist um vieles besser. Gefällt mir mit jedem Durchlauf besser. |
Carl Sandburg Postings: 12 Registriert seit 24.08.2022 |
2023-01-23 17:45:35 Uhr
Letzte Woche entdeckt, fantastische Platte! Warum das hier nur 5/10 abgekriegt hat, keine Ahnung. Blue bones ein richtiger Hit, auch sonst viele Ohrwürmer. Die erste kenn ich noch nicht... |
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Referenzen
Sleaford Mods; Kae Tempest; Wet Leg; Fontaines D.C.; Black Midi; The Streets; Loyle Carner; Farai; Idles; Shame; Porridge Radio; Working Men's Club; TV Priest; The Murder Capital; Squid; Sports Team; King Krule; Sound Of Rum; Skepta; De La Soul; Little Simz; Roots Manuva; Algiers; Viagra Boys; Soft Play; Baxter Dury
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