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Cola - Deep in view

Cola- Deep in view

Fire Talk / Bertus
VÖ: 20.05.2022

Unsere Bewertung: 8/10

Eure Ø-Bewertung: 5/10

Das Spardosen-Terzett

Was das Interessanteste an Cola ist? Man muss nur vier Buchstaben verändern, und schon hat man Bier. Harr harr und tschuldigung. Aber mal ehrlich: Wer seine Gruppe so nennt, darf sich über Montagmorgen-Flachwitze wie diesen nicht beschweren. Eigentlich. Bei Cola aus Montreal ist nämlich Vorsicht geboten: Es handelt sich immerhin um den legitimen Nachfolger des 2021 aufgelösten, noisigen Post-Punk-Quartetts Ought, das in kurzer Zeit völlig verdient zur kratzbürstigen Institution aufstieg. Wer so hochklassige und hintergründige Platten wie "More than any other day" oder "Sun coming down" kennt, wird sich also denken können, dass sich Frontmann Tim Darcy und Bassist Ed Stidworthy etwas beim Bandnamen gedacht haben. Und richtig: Cola versteht sich hier als spitzfindiges Akronym von "cost of living adjustment". Wir ahnten sowas schon.

Womit das Trio, das der von U.S. Girls und The Weather Station bekannte Drummer Evan Cartwright komplettiert, sozusagen Musik zur Zeit macht. Falls Sie gerade übrigens von irgendwoher einen spitzen Schrei hören, hat gerade wieder jemand seine Heizkostenabrechnung aus dem Briefkasten gefischt. Und da wir alle sparen müssen, gehen Cola auf "Deep in view" mit gutem Beispiel voran – in zehn höchst präzisen Tracks, die sich noch schlanker durch eine aufs Nötigste abgespeckte gute halbe Stunde winden als die bereits ziemlich sehnige, synthetisch getriebene Ought-Single "These 3 things". Und mit dieser kunstvollen musikalischen Reduktion und dem vom Zen-Philosophen Alan Watts inspirierten Albumtitel sind die Kanadier nach der pastosen Pinselei auf dem "Room inside the world"-Cover endgültig beim Art-Rock angekommen. Liest sich ja furchtbar.

Ist aber umso knackiger. Ungefähr wie die ebenfalls extrem komprimiert zu Werke gehenden Omni aus Atlanta, die klingen, als habe man The Strokes mit Oberhemd-Schlacks am Mikro in der Trockeneis-Kiste vom letzten Festival vergessen. Denn so spröde "Deep in view" zunächst wirkt, so verlässlich zünden Colas kleine Song-Bomben – schlüssiger als Darcys Solo-Debüt "Saturday night" und praktisch ohne elektronische Spielereien. Dass die Band den von einem scharfen Lick getragenen Einstieg "Blank curtain" als umgestülpten Chicago House verstanden wissen will, nehmen wir als Pointe zur Kenntnis – hörbar ist davon freilich nichts, was dem zackigen Groover aber nicht schadet. Ähnlich verhält sich der nur anfangs fragile Ohrwurm "Gossamer", dessen satte Riffs glühen wie einst Televisions "Marquee moon". Willkommen zu den effektivsten Indie-Hits der Saison.

Natürlich liegen zwischen diesen beiden Stücken weitere genauso hervorragende. Zum Beispiel das schluffig verkantete "So excited", das Schlonzigkeit zum neuen Tight erhebt, oder "Water table", wo Cartwrights planvoll nach vorne rumpelndes Schlagzeug den Laden fast alleine schmeißt. Erst spät kommt eine fein säuberlich ziselierte Gitarre ins Spiel, während Darcy zum Thema digitale Identitäten versichert: "I think I'm doing alright / I don't need additional lives." Dabei singt er immer mehr wie ein abgespannter Thurston Moore statt wie ein intellektueller Mark E. Smith, wenn das fantastische "Fulton Park" einen Pub-Rocker andeutet und sich dann zum drahtigen Highlight mausert. Hinreißend, dass unter diesen Umständen die blecherne Piano-Streicher-Miniatur "Landers" drin ist – der wunderbare Abschluss eines kleinen Meisterwerks, mit dem Cola groß rauskommen sollten.

(Thomas Pilgrim)

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Highlights

  • Blank curtain
  • Water table
  • Gossamer
  • Fulton Park

Tracklist

  1. Blank curtain
  2. So excited
  3. At pace
  4. Met resistance
  5. Degree
  6. Water table
  7. Gossamer
  8. Mint
  9. Fulton Park
  10. Landers

Gesamtspielzeit: 34:24 min.

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(Neueste fünf Beiträge)
User Beitrag

eric

Mitglied der Plattentests.de-Chefredaktion

Postings: 2798

Registriert seit 14.06.2013

2023-01-04 08:51:06 Uhr
Mein Track ist „Degree“, der war in sämtlichen Playlists über das Jahr verteilt. :)
Tolle Platte auch.

maxlivno

Postings: 2744

Registriert seit 25.05.2017

2023-01-03 22:09:18 Uhr
ein schönes Album. Keine Großtat, wie die ersten beiden Ought-Alben, aber knackiger Post-Punk in Reinform

Armin

Plattentests.de-Chef

Postings: 26281

Registriert seit 08.01.2012

2023-01-03 20:35:49 Uhr - Newsbeitrag
Frisch rezensiert.

"Vergessene Perle 2022"!

Meinungen?

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