Frankie Cosmos - Inner world peace
Sub Pop / Cargo
VÖ: 21.10.2022
Unsere Bewertung: 7/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10
Geständnisse einer Minimalistin
"It's good sometimes to cut her slack / That version of myself I don't want back", singt Greta Kline in "Abigail", dem Opener ihres fünften Albums. Ob im Kontext der kleinen Schlafzimmer-Skizzen, die sie noch als Teenagerin alleine auf Bandcamp hochlud, oder der etwas ausgereifteren Stücke ihrer Band Frankie Cosmos, Klines Lo-Fi-Indie-Pop kannte immer nur ein Thema: die komplexen inneren Tumulte seiner mit dem Erwachsenwerden konfrontierten Erschafferin. "Inner world peace" verschärft die Konflikte zwischen vergangenen und zukünftigen, idealisierten und tatsächlichen Ichs nur noch mehr – vielleicht beflügelt durch viel Zeit zum Grübeln während der Corona-Isolation sowie die magische Zahl 30, die für Kline langsam näherkommt. So will sich "Prolonging babyhood" am liebsten wieder ins Säuglingsalter zurückversetzen lassen, gefüttert werden und sich keine Sorgen um die ungewisse Zukunft machen müssen, bevor "Spare the guitar" ans andere Lebensende schielt und den eigenen Tod reflektiert. "I was making such progress / Now there's new stuff to process", heißt es in "Street view", erschöpft über die in alle Richtungen sprießenden Gedanken, die immer wieder neue Wurzeln schlagen.
Musikalisch lassen sich Frankie Cosmos dabei nicht aus der Ruhe bringen. Ihr Zusammenspiel strahlt eine einladende Wärme aus, erinnert wie nie zuvor an Siebziger-Folk-Rock und ist selbstsicher genug für den einen oder anderen Schnörkel. "Aftershook" spielt sich zwischen psychedelisch verschleppten Strophen und Pop-Refrains den Ball zu, ehe ein außerweltlich verzerrtes Irgendwas-Solo reingrätscht. Der Track vertont mehrere Herzen, die in ein und derselben Band schlagen, weil auch die persönliche Entwicklung ja nie linear verläuft, sich stellenweise in Widersprüche verwickelt – ein Thema, das auch das wundersam schwebende "One year stand" aufgreift. "Empty head" – mit über fünf Minuten der mit Abstand längste Song des Albums – vollzieht ebenfalls mehrere Tempowechsel. Bass und Synths formen einen honigweichen Ambient-Rahmen, während Klines Emotionen immer wieder an Fahrt aufnehmen: "Sometimes I'm always bursting at the seams." Das famose "A work call" endet in einem intensiven Strudel aus durch den Raum wirbelnden Vocals und Instrumenten, "F.O.O.F." vermählt schrammelige Slacker-Attitüde mit mondäneren Breaks und Harmonien in knapp 130 Sekunden – und nimmt sich damit sogar vergleichsweise viel Zeit.
Denn der New Yorker Vierer hält weiterhin an seinem Trademark der oft nicht einmal über zwei Minuten hinausgehenden Tracklängen fest. Unfertig wirken die Songs dabei nie, sie fließen höchstens manchmal etwas undifferenziert ineinander, offenbaren bei genauem Hinhören aber genug textliche wie musikalische Ideen und Reizpunkte, um sich voneinander abzugrenzen. "Fruit stand" findet in seinem Warmwasserbad mit Synth-Badesalz Zeit für ein bisschen Existenzialismus: "If it's raining and I can't feel it / Is it raining?" Zwischen den dicht verschlungenen Saiten von "Fragments" meint man, ein Blasinstrument zu vernehmen, "Magnetic personality" hantiert punkigere Riffs, um den Frust übers Älterwerden rauszulassen: "I don't still play the guitar everyday." Es sind solche Geständnismomente, die Klines Miniaturen auch am anderen Ende der Leitung aufs Herz stempeln. Man kann sich in das verknallte Delirium der Protagonistin von "Wayne" hineinversetzen und fühlt sich spätestens dann komplett verstanden, wenn "Sky magnet" die ganze Welt in den Schlummermodus schalten will. Endorphinströme, kathartische Ausbrüche oder einfach ein gepflegtes "Ihr könnt mich mal!" in Richtung all der Stressbeschleuniger um einen herum – es gibt viele Wege, einen "Inner world peace" zu verhandeln.
Highlights
- Aftershook
- A work call
- Empty head
- One year stand
Tracklist
- Abigail
- Aftershook
- Fruit stand
- Magnetic personality
- Wayne
- Sky magnet
- A work call
- Empty head
- Fragments
- Prolonging babyhood
- One year stand
- F.O.O.F.
- Street view
- Spare the guitar
- Heed the call
Gesamtspielzeit: 36:54 min.
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