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Circa Survive - Two dreams

Circa Survive- Two dreams

Rise / BMG / Warner
VÖ: 16.12.2022

Unsere Bewertung: 7/10

Eure Ø-Bewertung: 5/10

Abgang ohne Knall

Circa Survive sind nicht mehr da. Ein Satz, den man erst einmal schlucken muss, nachdem die Band um Anthony Green fast zwei Jahrzehnte lang eine Konstante in der vielfach als abgestorben erklärten Wüste zwischen Postcore und Emo war. Doch es hilft nichts: Im Oktober 2022 verkündeten sie zwar nicht ihre endgültige Auflösung, doch einen unbestimmten Hiatus mitsamt des vorläufig letzten Werks "Two dreams". Dieses fasst die beiden schon ein Jahr zuvor erschienenen EPs "A dream about love" und "A dream about death" zu einem Album zusammen, rückt sie damit in ein neues Licht. Obwohl das Material größtenteils vor der Pandemie entstand, meint man, die Spuren des Abschieds bereits vernehmen zu können – in dem Sinne, dass Circa Survive so befreit klingen wie noch nie. Nun ist es nichts Neues, dass sich Bands aus ihrer Umlaufbahn im späteren Karriereverlauf zu poppigeren, akustischeren oder elektronischeren Sternen aufmachen – hallo, Manchester Orchestra und The Mars Volta –, doch klingen Green und Co. hier wie komplett von Zeit und Raum gelöst. Sui generis ist diese auf nachvollziehbaren Songstrukturen bauende Musik zwar nicht gerade, für eine lieblose Kategorisierung als Alternative Rock jedoch auch zu freiförmig, sphärisch und ideenreich.

Gleich der Opener "Imposter syndrome" beschreibt eine einzige Klimax, der Einsatz der ganzen Band nach Greens eineinhalbminütigem Tasten durch das Dunkel von Synths und Drumcomputer dreht die Spannungsregler hoch, ohne wie ein explosives Gimmick zu wirken – mehr ein beständig und bedrohlich näherkommender Lavastrom als eine erderschütternde Eruption. "Our last shot" kämpft sich durch eine shoegazige Schwere, nur um am Ende auf holprigem Bass ganz in grabsteingraue Abgründe abzurutschen und sogar ein paar Knochen klappern zu lassen, bevor das Main-Riff von "Even better" die Sonne zurückholt. Als dezent Country-beschlagenes Akustikstück gleitet "Gone for good" schließlich in "Sleep well": den Abschluss der ersten EP, der mit seiner halbelektronischen Polyrhythmik und gedämpften Tasten höflich in Richtung Radiohead nickt. Circa Survive beweisen mit all dem ihr Gespür für Textur, setzen auf Atmosphäre statt auf große Hooks und Ausbrüche, womit sie vor allem ihren Frontmann strahlen lassen. Green, der laut eigener Aussage während des Schreibprozesses als bipolar diagnostiziert wurde und auch einen Rückfall in die Drogensucht erleiden musste, bildet mit seiner schmerzvoll-rohen Performance das emotionale Zentrum, in dem die stilistisch ungebundenen Fäden zusammenlaufen.

Das bleibt auch auf der zweiten EP so, wenn sich der Fünfer aus Philadelphia noch weiter nach draußen wagt. Das eröffnende "Electric moose" hängt mit zittrigem Beat und zerhackten 8-Bit-Synths zwischen zwei Disco-Dimensionen fest, ehe der Track die Leinen löst und zu schweben beginnt. "Discount on psychic readings" evoziert gar die Stone Roses, koppelt turmhohe Britpop-Refrains mit einem verstrahlten Handtrommel-Groove. Auf die Frage, wie viele Stücke sie in einem hypnotischen Strudel enden lassen wollen, antworten Circa Survive nicht nur im epischen Closer "Buzzhenge" mit einem beherzten "ja" – auch wenn sich der luftige Bedroom-Pop von "Die on the west coast" eine kleine Auszeit erlaubt. Das nimmt jedoch alles zu konstant ein, um es vorhersehbar zu nennen und befeuert auch die eingangs erwähnte Spurensuche wieder: Vielleicht kann die Band selbst noch nicht loslassen, verliert sich in jedem Song, damit sie ja nicht als erstes auflegen muss? Man nimmt ja jeden noch so überinterpretierten Brotkrumen als Bestätigung dafür, dass der Abschied wirklich nur ein vorläufiger bleiben wird.

(Marvin Tyczkowski)

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Highlights

  • Imposter syndrome
  • Our last shot
  • Electric moose
  • Discount on psychic readings

Tracklist

  1. Imposter syndrome
  2. Drift
  3. Our last shot
  4. Even better
  5. Gone for good
  6. Sleep well
  7. Electric moose
  8. Curitiba
  9. Last nap
  10. Discount on psychic readings
  11. Die on the west coast
  12. Buzzhenge

Gesamtspielzeit: 56:16 min.

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(Neueste fünf Beiträge)
User Beitrag

Obrac

Postings: 2561

Registriert seit 13.06.2013

2023-01-26 17:16:45 Uhr
Für mich ein spätes Jahreshighlight. Schade, dass es das letzte der Band ist, aber von Anthony Green wird sicher noch zu hören sein.

The MACHINA of God

User und Moderator

Postings: 34203

Registriert seit 07.06.2013

2022-12-14 15:26:00 Uhr
Irgendwie komisch, die elektronisch und (bisher) ruhig zu hören. Grad bei Track 3 der ersten.

Gomes21

Postings: 5333

Registriert seit 20.06.2013

2022-12-12 08:52:30 Uhr
Höre auch mal wieder rein, Circa Survive immer mal wieder gerne, aber selten zu viel am Stück da mir vieles schon sehr ähnlich klingt.
Hba sie auch in guter Live-Erinnerung.

Affengitarre

User und News-Scout

Postings: 11311

Registriert seit 23.07.2014

2022-12-11 19:11:05 Uhr
Schön, dass hier noch eine Rezension kam! Ich mag die rockigere Seite der Band zwar etwas lieber, halte die elektronischeren und ruhigeren Experimente hier dennoch für sehr gelungen. Gleichzeitig zieht sich durch die EPs eine Traurigkeit, die mich sehr mitnimmt. Absolut großartige Band mit makelloser Diskografie, ich hoffe, da kommt noch mehr. Immerhin ist Anthony Green jetzt mit Sound of Animals Fighting wieder aktiver.

Armin

Plattentests.de-Chef

Postings: 27981

Registriert seit 08.01.2012

2022-12-11 18:18:43 Uhr - Newsbeitrag
Frisch rezensiert.

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