Sam Fender - Live from Finsbury Park

Polydor / Universal
VÖ: 09.12.2022
Unsere Bewertung: 8/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10

Großer Wahnsinn
Ist das noch Rock'n'Roll oder schon Größenwahn? Bevor wir diese bloß Aufmerksamkeit erhaschende Eröffnung erörtern, halten wir fest, dass die Geschichte von Sam Fender schon ein bisschen märchenhaft daherkommt. Ein Songwriter, der mit nur zwei Studioalben im Gepäck den Globus erobert, die Fans mit seiner emotionalen Stimme zum Ausrasten und Heulen bringt und die Stadien des Vereinigten Königreichs ausverkauft. Ein modernes Indie-Rock-Märchen, sozusagen. Und auch, wenn aufgrund der Zeit, in der wir leben, der Hype um Sam Fender vielleicht nicht ganz vergleichbar ist mit dem Britpop-Wahnsinn der Neunziger: Ein bisschen Oasis-Vibe hat das Geschehen rund um den Songwriter aus North Shields in der Nähe von Newcastle schon.
Kritiker*innen schlugen einst schnell Alarm, schon im Vorfeld seines 2019er-Debüts "Hypersonic missiles" hagelte es Lobeshymnen im Feuilleton. So heimste Fender in seiner noch frischen Karriere bereits einen BRIT Award in der Kategorie „Best British Alternative / Rock Act“ und zwei NME Awards ("Best Album by an UK artist", "Best Album in the world") ein. Und für den Zweitling "Seventeen going under" dann mal eben eine Nominierung für den Mercury Prize in der Kategorie „Album of the year“. Natürlich hat der Erfolg des schmächtigen Briten musikalische Gründe. Irgendetwas an Fenders bodenständiger Art und Weise zu komponieren und zu texten, an diesen in Alltagshymnen gepackten Emotionen, lässt eine spezielle Atmosphäre zwischen Künstler und Hörer*innen erwachsen.
Genau das funktioniert natürlich gerade live wunderbar, auch in den großen Arenen. Beim Glastonbury Festival gaben der 28-Jährige und seine Band 2022 den Co-Headliner vor Billie Eilish, im Hyde Park durfte Fender gar bei den Rolling Stones als Special Guest auftreten. Am 15. Juli 2022 dann das bisher größte Konzert: Finsbury Park, London, 45.000 Zuschauer*innen. Eine Liveaufnahme des für Fender historischen Auftritts erscheint nun im Rahmen der Deluxe-Ausgabe von "Seventeen going under live deluxe", aber auch lösgelöst davon als Vinyl, zum Jahresausklang. Der Abend beginnt absolut laut und selbstbewusst mit dem flotten, hymnischen "Will we talk?", also mit einem echten Hit, bevor "Getting started" erste Springsteen-Vibes in den Finsbury Park bringt.
Das Publikum agiert während der Show ähnlich enthusiastisch wie die Bläser-Sektion in Fenders Band, ist zugunsten der musikalischen Naherfahrung aber meist eher in den Hintergrund gemischt. Das lohnt sich, weil man einem eingespielten Musiker-Ensemble lauscht und die Setlist nicht überraschend viel Laune macht: Album eins und zwei im Hit-Mix. Wer 2022 auf der Tour live mit dabei war, wird sich gern erinnern. Ob kleine Gänsehaut-Schübe bei "Dead boys" und "Get you down", nachdenkliches Schwelgen zu "Better of me" oder "Spit of you", ekstatisches Tanzen zu "The borders". Dann nochmal schnell ins Mini-Moshpit zu "Spice", gemeinsam "Saturday" singen und zum berührenden "The dying light" die großen Emotionen rauslassen. Bevor nach dem überschwänglichen Finale des wuchtigen Doppels "Seventeen going under" und "Hypersonic missiles", beides Übersongs wie moderne Rock-Klassiker, wirklich alle selig und grinsend in die Nacht gehen. Mit Sam Fender in den Beinen und im Ohr. Für 2023 plant der Mann ein Heimspiel: Der St. James Park, das Stadion des Newcastle United F.C., fasst über 52.000 Zuschauer*innen. Das ist jedoch nicht größenwahnsinnig, sondern bloß folgerichtig.
Highlights
- Dead boys
- The borders
- Get you down
- Saturday
- Seventeen going under
- Hypersonic missiles
Tracklist
- Will we talk?
- Getting started
- Dead boys
- Mantra
- Better of me
- The borders
- Spice
- Howdon Aldi death queue
- Get you down
- Spit of you
- Alright
- Play God
- The dying light
- Saturday
- Seventeen going under
- Hypersonic missiles
Gesamtspielzeit: 86:12 min.
Album/Rezension im Forum kommentieren
Teile uns Deine E-Mail-Adresse mit, damit wir Dich über neue Posts in diesem Thread benachrichtigen können.
(Neueste fünf Beiträge)
User | Beitrag |
---|---|
OMalley Postings: 923 Registriert seit 16.01.2022 |
2023-12-12 10:31:20 Uhr
Wir waren in Amsterdam, im wunderschönen Paradiso, dem vorletzten Konzert vor Corona. Damals gab es schon Befürchtungen, dass die Tour nicht weitergehen kann, aber Amsterdam und Hamburg gingen noch, dann war Schluss für eine Weile. Ich bin auch auf das kommende Album gespannt. Welch großartiger Musiker mit toller Band. Leider finde ich die Konzerte immer als zu kurz und die Setlist könnte 3 - 4 Lieder länger sein. Vielleicht ist es seiner labilen Gesundheit geschuldet, dass er zarter machen muss, um eine Tour überhaupt durchzuhalten. Er hatte ja zahllose Konzertabsagen durch immer wiederkehrende Infektionen. Aber die rund 80 Minuten waren immer ein Fest. Das erste Mal im Gloria, noch ohne Platte 2019, dann in der Live Music Hall, Amsterdam und zuletzt in Düsseldorf. Düsseldorf war natürlich bei weitem nicht ausverkauft, aber bei jedem Konzert kamen mehr Leute und auch durch alle Altersschichten durch. Vorne die kreischenden Teenies (und wir), weiter hinten die älteren Semester. Sehr selten, dass ein junger Musiker so übergreifend die Generationen abholt. Eigentlich braucht man sich bei ihm wenig Sorgen machen, dass sein nächstes Album nichts wird, dafür ist er immer zu gut. Bleibt die Hoffnung auf eine gute Tour im kommenden Jahr! |
kingsuede Postings: 4479 Registriert seit 15.05.2013 |
2023-12-11 22:46:06 Uhr
Live ähnlich großartig wie auf Platte. Gesehen habe ich ihn live am 29.2.20, dann kam Corona. |
Blanket_Skies Postings: 671 Registriert seit 21.09.2013 |
2022-12-12 12:09:52 Uhr
Für ein Live-Album hätte ich gerne zuvor noch ein drittes Studio-Album gehabt, zwecks größerer Auswahl an Songs. Aber ich versteh schon, dass man das Momentum mitnehmen will. Mal sehen, wie die Reise mit Sam weitergeht, ich höre jedenfalls begeistert zu. |
Otto Lenk Postings: 794 Registriert seit 14.06.2013 |
2022-12-12 11:16:37 Uhr
Im Augenblick bin ich wieder in Höchst und total begeistert. Sam Fender war für mich das Live-Erlebnis des Jahres. |
Armin Plattentests.de-Chef Postings: 28017 Registriert seit 08.01.2012 |
2022-12-11 18:16:47 Uhr - Newsbeitrag
Frisch rezensiert.Meinungen? |
Hinterlasse uns eine Nachricht, warum Du diesen Post melden möchtest.
Referenzen
Bruce Springsteen; The War On Drugs; The Waterboys; Brandon Flowers; The Killers; Kurt Vile; The Gaslight Anthem; Brian Fallon; Tom Grennan; Blossoms; The Pale White; The Night Café; The Glorious Sons; Manic Street Preachers; Alex Cameron; R.E.M.; Sea Girls; The Amazons; The Revelries; The Police; Neil Young; Ron Gallo; The Hold Steady; Craig Finn; Peter Gabriel; The Cure; Dire Straits; Declan McKenna; The Strokes; Liam Gallagher; Oasis; Noel Gallagher & The High Flying Birds; Arcade Fire; Frank Turner; Jeff Buckley; The Weakerthans; John K. Samson; Jamie T; Editors; Frightened Rabbit; The National; The Boxer Rebellion; White Lies; Augustines; Spoon; Morrissey; The Smiths
Bestellen bei Amazon
Weitere Rezensionen im Plattentests.de-Archiv
Threads im Plattentests.de-Forum
- Sam Fender - People watching (47 Beiträge / Letzter am 16.02.2025 - 19:10 Uhr)
- Sam Fender live (4 Beiträge / Letzter am 21.10.2024 - 18:21 Uhr)
- Sam Fender - Live From Finsbury Park (7 Beiträge / Letzter am 12.12.2023 - 10:31 Uhr)
- Sam Fender - Seventeen going under (83 Beiträge / Letzter am 25.10.2022 - 22:56 Uhr)
- Sam Fender - Winter song (1 Beiträge / Letzter am 25.11.2020 - 18:12 Uhr)
- Sam Fender - Hypersonic missiles (55 Beiträge / Letzter am 23.05.2020 - 12:42 Uhr)