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Stephan Eicher - Ode

Stephan Eicher- Ode

Wrasse / Harmonia Mundi
VÖ: 28.10.2022

Unsere Bewertung: 7/10

Eure Ø-Bewertung: 7/10

Der Song als Star

Der Jahres-Endspurt macht vor den Wenigsten Halt – auch nicht vor dem tapferen Schreiberlein im vollverglasten Plattentests.de-Redaktionsgebäude. Nur logisch, dass im wilden Wirrwarr hier und da mal ein Release etwas unter dem Radar fliegt. Umso schöner daher, wenn dank eines freundlichen Stupsers vom Chef dann anno 2022 doch noch ein unerwartetes Highlight zur dunklen Jahreszeit bereitsteht. Auf Nachfrage musste der Schreiber dieser Zeilen ehrlicherweise zugeben, nicht wirklich tief im Kosmos von Stephan Eicher und dessen neuem Album "Ode" zu stecken. Mal reingehört? Ja schon, aber dann doch irgendwie überflogen. Es war also ein durchaus blauäugiges Kennenlernen mit einem der vielschichtigsten Singer-Songwriter der Schweiz. Aber ein mindestens genauso lohnendes – eröffnete sich doch erst im Laufe der aufmerksameren Hördurchläufe die musikalische Welt des 62-Jährigen. Und sorgte mit jedem Mal für ein kleines bisschen mehr Wohlbehagen, gar Begeisterung. Eine Begegnung, die sicherlich noch nachhallen wird.

"Ode" will als Gesamtwerk erschlossen werden und ist kein Kandidat für Playlist-Happen oder den schnellen Musikhappen zwischendurch. Kein Song schreit "Hit!", keine großen Gesten oder Posen springen seine Hörer*innen an. Eine äußerst angenehme Herangehensweise, die das Entdecken der einzelnen Songs umso lohnenswerter macht. Besonders, da von Eichers Stücken trotz aller Unaufgeregtheit ein einnehmender Sog ausgeht. Sinnbildlich hierfür steht der famose Opener "Sans contact", der sich zunächst mit einem perlenden Klavier und Eichers warmer Stimmfarbe zufrieden gibt, nur um sich im Anschluss mit dezenten Streichern, hallenden Drums und einem immerwährend pulsierenden Drang nach vorne in ein berührendes Finale aufzubauschen. Sämtliche Bauteile greifen hier präzise ineinander, nichts wirkt übertrieben oder fehl am Platz. Eine Klanglandschaft, die wie ein Wiedersehen mit alten Bekannten am schummrigen Kaminfeuer dunkler Winternächte anmutet. Und gerade deswegen auch so berührt. Eichers Qualitäten als Songwriter prägen auch an vielen anderen Stellen die durchaus flotte erste Albumhälfte: "Ne me dites pas non pt2" strahlt als fluffiger Pop-Song in einem von Americana-Anleihen angehauchten Gewand – das sich jedoch nie dem Klischee hingibt. Stattdessen kontrastiert der 62-Jährige den Country-Twang mit flächigen Synths und perfekt eingesetzen Bläser-Salven. Was klanglich schnell mal schiefgehen kann, wird hier auf den Punkt serviert. Auch "Doux dos" vermeidet trotz wuchtiger Drums und crunchgetränkter Gitarrenlicks das angestaubte Rock-Klischee. Es zahlt sich aus, dass Stephan Eicher zu keinem Zeitpunkt hoch hinaus möchte. Hier zählt der Song, sonst nichts.

Über seine zwölf Tracks ist "Ode" ein klanglich durchaus homogenes Hörerlebnis, wenngleich die erste Hälfte spürbar mehr Drive versprüht und Eicher sich in den hinteren Reihen – mit Ausnahme des fast schon bedrohlich anmutenden "Orage" – deutlich stärker der Introspektive hingibt. Umso mehr stechen die Songs heraus, in denen der Schweizer das Klangspektrum behutsam erweitert. Im geheimniskrämerischen "Autour de ton cou" besteht der Refrain – wenn man ihn überhaupt so nennen mag – lediglich aus dumpfen Beats und elektronisch verfremdeten Stimmen, im Verlauf übernehmen die Synth-Sounds immer mehr die Kontrolle über den Song. Und bilden damit in der ansonsten recht organisch-energischen ersten Albumhälfte einen spannenden Kontrastpunkt. "Où sont les clefs" ist derweil von asiatischen Klängen geprägt und mit seinem Sprachgesang-Einsatz eines der außergewöhnlichsten Stücke auf "Ode", ohne dabei jedoch als Fremdkörper herauszustechen. Es ist Stephan Eicher hoch anzurechnen, dieses bewusste musikalische Kleinod um wichtige kreative Ausreißer zu ergänzen, um auf Albumlänge nicht doch noch den Ermüdungserscheinungen zu erliegen. Und wenn "Eclaircie" das Album mit offenen Armen, Freude und ausladendem Arrangement beendet, kann man nur dankbar sein. Für dieses Album eines Songwriters, der zu jeder Zeit höchst raffiniert agiert, aber den Bogen nie überspannt. Auch der Autor dieser Zeilen hat seine Lektion nun gelernt und einen Herzenskünstler mehr im Plattenregal.

(Hendrik Müller)

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Highlights

  • Sans contact
  • Ne me dites pas non pt2
  • Autour de ton cou

Tracklist

  1. Sans contact
  2. Le plus léger au monde
  3. Ne me dites pas non pt2
  4. Autour de ton cou
  5. Lieblingsläbe
  6. Doux dos
  7. Où sont les clefs
  8. A nos coeurs solitaires
  9. Je te mentirais disant
  10. Rêverie
  11. Orage
  12. Eclaircie

Gesamtspielzeit: 44:40 min.

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(Neueste fünf Beiträge)
User Beitrag

MM13

Postings: 2492

Registriert seit 13.06.2013

2022-12-02 18:49:44 Uhr
den hab ich die letzten jahre irgendwie aus den augen verloren,aber um so besser jetzt dieses album!
danke für die erinnerung an stephan eicher, einen ausnahmemusiker.

Armin

Plattentests.de-Chef

Postings: 28833

Registriert seit 08.01.2012

2022-11-30 21:35:57 Uhr - Newsbeitrag
Frisch rezensiert.

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