Polyphia - Remember that you will die
Rise / Ada / Warner
VÖ: 28.10.2022
Unsere Bewertung: 5/10
Eure Ø-Bewertung: 8/10
Hast Du Töne
Eines muss man Polyphia lassen: Sie wissen, wie man sich vermarktet. Dies beginnt bei den stets bis ins letzte Detail durchgestylten Musikvideos, geht über konstante Fütterung der Social-Media-Maschinerie (Gitarrentabs inklusive) und hört bei der Kleiderwahl noch lange nicht auf. Polyphia sind, das lässt sich nicht abstreiten, ein Gesamtkunstwerk. Im Kern des Produkts steht freilich die Musik – und die ist auch auf dem neuen Album "Remember that you will die" ein Fest für alle Luftgitarrenvirtuosen. Polyphias einzigartiger Mix aus Progressive Rock, Jazz und HipHop hat über die Jahre viele Fans gewonnen. Gleichzeitig wird die texanische Band für ihr Muckertum kritisiert, das böse Stimmen mit Adjektiven wie "affektiert" und "gekünstelt" bezeichnen.
Dabei ist genau jenes Muckertum der zentrale Reiz, der von Polyphia ausgeht. Wäre Musik ein Sport, nähme das Quartett sicher viele Trophäen mit nach Hause. Doch Musik ist mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit mehr. Und hier beginnt das eigentliche Dilemma: Bei allem Spaß, den das anfangs macht, stellen sich mit fortlaufender Spielzeit Ermüdungserscheinungen ein. Zu ähnlich sind sind sich die Arrangements, zu leblos ist die Produktion. Dabei gibt es aus technischer Perspektive absolut nichts zu mäkeln: Jedes Instrument hat seinen Platz, der Bass grummelt vorzüglich, die Drums haben Punch. Und doch fehlt etwas.
Einige Songs können allerdings durchaus überzeugen. So erzeugt "Playing god" mit seinen Flamenco-Licks gute Laune, erst recht, wenn es im zweiten Teil des Stücks zum Entspannen in die Lounge geht. Auch die völlig irre Single "ABC", bei der in Höchstgeschwindigkeit das Alphabet heruntergebetet wird, zaubert ein Grinsen aufs Gesicht. Die anderen Featuregäste aus dem Pop- und HipHop-Bereich hinterlassen dagegen kaum positive Eindrücke. Richtig schlimm ist das lustlose "Memento mori", bei dem Killstation nichtssagende Verse zu ebenso nichtssagenden Licks beisteuern. Auch Chino Morenos Beitrag in "Bloodbath" wirkt wie eine zwischen zwei Brotzeiten eingesungene Freundschaftsgeste.
Polyphias Musik ist bei aller Virtuosität erstaunlich statisch. Viele Songs grooven nett vor sich hin, kommen aber nicht wirklich vom Fleck. So liefern sich beispielsweise die beiden Gitarristen Scott LePage und Tim Henson in "Neurotica" ein packendes Duell, vergessen dabei aber, dass ein Song mehr als fünfhundert Riffideen braucht. Zum Glück schaut in "Ego death" Steve Vai vorbei und erhöht die Zahl der unzusammenhängenden Riffideen auf sechshundert. Im Ernst: Technisch ist das alles schon großes Kino. Aber emotional besitzt diese Musik ungefähr die gleiche Tiefe wie eine Pfütze.
Highlights
- Playing god
- ABC (feat. Sophia Black)
Tracklist
- Genesis (feat. Brasstracks)
- Playing god
- The audacity (feat. Anomalie)
- Reverie
- ABC (feat. Sophia Black)
- Memento mori (feat. Killstation)
- Fuck around and find out (feat. $NOT)
- All falls apart
- Neurotica
- Chimera (feat. Lil West)
- Bloodbath (feat. Chino Moreno)
- Ego death (feat. Steve Vai)
Gesamtspielzeit: 39:07 min.
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(Neueste fünf Beiträge)
User | Beitrag |
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nörtz User und News-Scout Postings: 15391 Registriert seit 13.06.2013 |
2023-01-12 14:30:40 Uhr
Der ja so kritische N. Brückner von den BBS ist begeistert und gibt 13/15 Punkten. Hat er auch der neuen AAL gegeben.http://www.babyblaue-seiten.de/album_20773.html#oben Damit sind Polyphia in einer Zeit, in der selbst der "progressiv" genannte Progressive Rock hier und da zu stagnieren scheint (im Retroprog, im Djent, im New Artrock), eine Bastion der Originalität. Abenteuerlustig und verspielt, mit höchsten technischen Fähigkeiten, einem klaren ästhetischen Willen und einer herausragenden Produktion, ist das enorm vielseitige "Remember That You Will Die" das Album, das Progfans sogar mit Pophörern und Hip-Hoppern zusammenbringen kann. Nicht umsonst wird dieses Album daher als etwas völlig neues gefeiert und von gleich mehreren Musik-Outlets als eines der besten Alben des Jahren 2022 gefeiert. Ich schließe mich an. |
nörtz User und News-Scout Postings: 15391 Registriert seit 13.06.2013 |
2022-11-26 19:02:24 Uhr
Ob er skilltechnisch unerreicht ist, da bin ich mir gar nicht sicher. Guck dir doch mal den hier an. Der Sweep ab 2:45... Der Herr hier ist übrigens meine Auffassung von Tech-Demo. :D War mal Vorband von AAL und das waren selbst für mich too many notes. |
Vennart Postings: 1056 Registriert seit 24.03.2014 |
2022-11-26 16:40:15 Uhr
Was Animals As Leaders angeht, bin ich bei Christopher.Für mich klingt das auch nach einer Band aus Musikern, die zeigt was technisch möglich ist aber auch von einer KI kommen könnte, sozusagen eine Tech-Demo im Bereich Virtuosität vor allem in rhythmischer Hinsicht. Das ist aber natürlich eine unglaublich beeindruckende Tech-Demo und ich habe auch nur Bewunderung für die übrig, auch wenn mir die Musik nicht wirklich gefällt. Und Tosin Abasi ist nach wie vor DER guitar hero der Szene, er hat das Gitarrenspiel im Progressive/Djent-Bereich alleine auf ein ganz neues Level gehoben und er ist skilltechnisch nach wie vor unerreicht. |
neutral Postings: 61 Registriert seit 08.01.2014 |
2022-11-26 09:00:14 Uhr
Ich würde das auch nicht ganz so hart formulieren. Gerade die vorletzte Platte in hatte schon tolle Melodien und ist für mich ihre beste Platte. Die neue Platte von Animal as Leaders muss ich gestehen ist mir dann auch zu kalt und technisch. Ist für mich die erste wirklich enttäuschende Platte von denen gewesen. |
nörtz User und News-Scout Postings: 15391 Registriert seit 13.06.2013 |
2022-11-26 00:03:32 Uhr
Schade.So unterschiedlich ist dann die Wahrnehmung, denn wenn ich allein schon an diverse Abasi-Solos denke, bekomme ich eine Gänsehaut und sie gehören ja zur Speerspitze des Djents und Abasi ist, bzw. war der Guitarhero der Szene. Vielleicht hätte man damals ihr vorletztes Album rezensieren sollen. Das hatte einen "Hit", "Physical Education", und war auch in den Billboard Charts.^^ Meinst du mit Djent-AI so etwas hier? |
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Referenzen
Chon; Plini; Intervals; Animals As Leaders; Unprocessed; Strawberry Girls; Periphery; Vitalism; Sithu Aye; Steve Vai; Joe Satriani; Yngwie Malmsteen; I Built The Sky; Mestis; Their Dogs Were Astronauts; Ichika Nito; David Maxim Micic; Scale The Summit; Monuments; Angel Vivaldi; Modern Day Babylon; Anup Sastry; TesseracT; The Contortionist; Shokran; Volumes; Spiritbox; Cloudkicker; Intronaut; John Petrucci; Rob Scallon; Fifth Quadrant
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