Dry Cleaning - Stumpwork
4AD / Beggars / Indigo
VÖ: 21.10.2022
Unsere Bewertung: 7/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10
Das Haar in der Suppe
Beim Blick auf das Cover der zweiten Platte der englischen Postpunk-Hipster von Dry Cleaning dürfte allen Mini-Monks ein bisschen der Mageninhalt hochkommen: Kringelige Haare bilden da auf einem ollen Stück Seife den Albumtitel "Stumpwork". Natürlich ist das Motiv phänomenal gut, aber eben auch phänomenal eklig. Weniger eklig, aber dafür trotzdem gut: die Musik auf dem Nachfolger zum letztjährigen Debüt "New long leg". Ihren Sound hat die Band aus dem aktuell so produktiven Indie-Epizentrum Südlondon schon früh gefunden: Refrains und große Gesangsmelodien wird man im Dry-Cleaning-Kontext kaum finden. Dafür legen sich Spoken-Word-Lyrics auf Klanglandschaften, die sich manchmal wie die zweite Ableitung einer Talk-Talk-Kurve anfühlen, manchmal aber auch räudig und kratzig und ungelenk die Ellenbogen ausfahren. Auf "Stumpwork" geht die Band um Frontfrau Florence Shaw diesbezüglich noch mehr ins Detail.
Schon der tolle Opener "Anna calls from the Arctic" baut eine intensive Stimmung auf: Man merkt, dass Dry Cleaning ganz genau im Blick haben, was die in ähnlichen Gefilden aktiven Black Country, New Road so in Sachen Sounddesign und Songstruktur veranstalten. Ein Saxofon stolziert durch die Nummer und wirkt überhaupt nicht fehl am Platz, während der Bass seinen dickflüssigen Rhythmussirup in den Song pumpt. Doch neben solchen, sich langsam und behutsam entwickelnden Kompositionen, die sogar ein wenig Postrock atmen, mischen sich ganz selbstverständlich kurze, fast schon skizzenhafte Ohrwürmer wie "Gary Ashby" und die schwungvolle Single "Don't press me", die in unter zwei Minuten dann auch mal alles sagt, was gesagt werden muss. Ohnehin, die Lyrics: Oftmals sind sie eher impressionistische Wortkaskaden, mal schrammen sie die Grenze zum Dadaismus. Und dennoch brennen sich manche Zeilen ein. Nennen wir es: Kunst.
Dry Cleaning wollen sich nicht festnageln lassen und "Stumpwork" macht dies recht eindrucksvoll deutlich. Wenn im erratischen "Hot penny day" Jazz, Grunge, Postpunk und Postrock eine wilde Party schmeißen und die Hörgewohnheiten des Publikums in einer Pfeife rauchen, dann ist das schon herrlich uneindeutig. Auch sonst kommen stilistische Ringkämpfe nicht zu kurz. Aber wer sich daran stört, hat mit Dry Cleaning ohnehin die falsche Band gewählt. Im vorwärts drängelnden "Conservative hell" pfeifen irgendwann Orgel und Saxofon so dermaßen unnachgiebig um die Wette, dass es hoffentlich allen reaktionären Tories den Fifi vom Kopf wehen dürfte. Diese unverfrorene Spielfreude, welche die unterschiedlichsten Quellen anzapft, dürfte letztlich zu den größten Stärke einer Platte zählen, der zwar vielleicht ein Hit vom Schlage "Scratchcard lanyard" abgeht, die einen solchen aber auch mitnichten nötig hat. Oder wollen wir hier wirklich das Haar in der Suppe suchen?
Highlights
- Anna calls from the Arctic
- Hot penny day
- Don't press me
Tracklist
- Anna calls from the Arctic
- Kwenchy kups
- Gary Ashby
- Driver's story
- Hot penny day
- Stumpwork
- No decent shoes for rain
- Don't press me
- Conservative hell
- Liberty log
- Icebergs
Gesamtspielzeit: 45:16 min.
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(Neueste fünf Beiträge)
User | Beitrag |
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myx Postings: 5170 Registriert seit 16.10.2016 |
2022-10-30 19:28:03 Uhr
Ich konnte nicht anders und habe mir ein Ticket für Köln – 9.11. Club Volta – besorgt (da ich tags zuvor in Frankfurt was zu erledigen habe, ist das Ganze gar nicht so ganz abwegig). |
myx Postings: 5170 Registriert seit 16.10.2016 |
2022-10-27 18:28:32 Uhr
Gerne, bin gespannt. |
saihttam Postings: 2513 Registriert seit 15.06.2013 |
2022-10-27 14:16:44 Uhr
Ui, so viel Lob von deiner Seite. Das klingt vielversprechend. Mir hats beim ersten Hören auch sehr gut gefallen. Werde berichten, wo es sich für mich hinentwickelt. |
myx Postings: 5170 Registriert seit 16.10.2016 |
2022-10-27 13:42:10 Uhr
Also wenn das nicht mein Album des Jahres wird, dann weiss ich auch nicht. Durchgehend verdammt stark, mit vielen musikalischen Facetten und einer wunderbar lakonischen Florence Shaw. Die beiden Schlusssongs türmen sich nochmals richtig gross auf und bilden ein fantastisches Finale. Dazu die Trillerpfeife im Closer, für mich bei aller Ernsthaftigkeit und Traurigkeit des Themas wieder ein kleines Augenzwinkern (nehmt es nicht zu schwer, wir wollen uns selber auch nicht verrückt machen), das finde ich einfach genial. |
Deaf Postings: 3010 Registriert seit 14.06.2013 |
2022-10-26 11:55:16 Uhr
Die gewisse Monotonie lädt schon zum Wegdösen ein, habe auch das Debut kaum mal am Stück gehört. Meine Befürchtung ist, dass dem neuen Album die Hits abgehen, aber mal schauen, wie die zweite Hälfte des Albums wird. |
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Referenzen
Porridge Radio; Sorry; Shame; Fontaines D.C.; Idles; Do Nothing; Bodega; Ought; Tim Darcy; Preoccupations; Black Country, New Road; Protomartyr; Dream Wife; Squid; Shopping; TV Priest; Goat Girl; Crack Cloud; Public Practice; The Murder Capital; Soccer Mommy; Parquet Courts; Viagra Boys; Sports Team; Black Midi; Life Without Buildings; Pom Poko; Iceage; Lower Dens; The Men; Savages; Jehnny Beth; These New Puritans; Slint; Shellac; The Fall; Clinic; Sonic Youth; Pere Ubu; Gang Of Four; Mission Of Burma; Magazine; Talk Talk; The Clean
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