Sports Team - Gulp!
Bright Antenna / Island / Universal
VÖ: 23.09.2022
Unsere Bewertung: 6/10
Eure Ø-Bewertung: 6/10
That's all, folks?
Sports Team haben noch eine Rechnung offen. Es ist eh schon blöd, sein heißerwartetes Debüt vor Beginn eines pandemiebedingt nahezu konzertlosen Sommers zu veröffentlichen, aber noch blöder, wenn man als hochkinetische Rockband mit einem überdrehten Showman-Goofy als Frontmann seine volle Wucht nur live entfaltet. "Deep down happy" erreichte dennoch Platz zwei der britischen Charts und erhielt später im Jahr eine Nominierung für den Mercury Prize, was das Dilemma des "schwierigen zweiten Albums" nur noch prekärer machte. Sollten Sports Team mit einer weiteren Fuhre Uptempo-Hymnen die verlorene Zeit mit ihren Fans nachholen oder eher der Anerkennung der Fachpresse Tribut zollen und sich musikalisch weiterentwickeln? Der Londoner Sechser scheint diese "Lose or lose"-Situation auf seinem Zweitling selbst aufs Korn zu nehmen: Auf dem Cover brennt eine Dynamitstange, den Titel "Gulp!" kennt man sonst nur von Cartoonfiguren, bevor sie in den Abgrund stürzen. Leider verhindert die Selbstironie nicht, dass die Platte tatsächlich zwischen den Stühlen hängt. Sie klingt zu bemüht, um mit der gleichen Energie wie früher in jedes bewegliche Körperteil zu schießen, geht aber stilistisch nicht weit genug, um sich als konsequente Progression auszuzeichnen.
Im Opener "The game" ist noch alles beim Alten. Kompakte Riffs schälen sich aus dem Feedback, um ein Stück furiosen Indie-Glam-Punks vorwärts zu peitschen, während Alex Rice in bewährter Manier soziale Kälte in einen Mitgröl-Refrain verpackt: "Oh yeah, that's the game / Life's hard, but I can't complain." Das folgende "Dig!" irritiert dahingegen. Rice' Bariton murmelt über einen ungewohnt düsteren Post-Punk-Motor, lässt sich versweise von einem Kinderchor ablösen und der ganze Track deutet seine Ausbrüche und Hooks lieber nur an, anstatt sie von der Leine zu lassen. Besser macht's "The drop" mit seinen nach Bläsern klingenden Gitarren und der ausgefeilten Bridge, auch wenn man einen so geschmeidigen Erwachsenen-Rock-Groover eher dem Alterswerk eines Bryan Ferry, Iggy Pop oder Paul Weller zugeordnet hätte als einer Gruppe vorlauter Student*innen. "Cool it kid" holt sich Sorry-Sängerin Asha Lorenz dazu, um endgültig zu beweisen, dass Sports Team auch im ernsteren Midtempo bestehen können – zumindest solange, bis die eher lahmarschige Rockabilly-Annäherung von "Unstuck" doch die Geschwindigkeit vermissen lässt und zu allem Überfluss das Main-Riff des Songs ganz schön auf die Nerven geht.
Schade ist auch, dass die textliche Schärfe und Kreativität des Debüts auf "Gulp!" größtenteils fehlen. Explosive Moshpit-Treiber wie "R entertainment" oder "Fingers (taken off)" machen Laune, doch gerade die Social-Media-Kritik des ersteren kommt arg plump daher. Das umgekehrte Problem hat "Getting better": "They put you in the garden / Under six old feet of dirt / The worms are singing love songs / And the birds are saying grace", singt Rice da und lässt sich vom an The Kooks erinnernden Folk-Pop-Arrangement jede morbide Mystik nehmen. Gerade in Großbritannien erlebt Festival- und Indie-Disco-taugliche Gitarrenmusik aktuell ja wieder ein Revival, doch sind Sports Team trotz Rice' außergewöhnlichem Charisma keine Hauptattraktion mehr. Da hilft es nichts, wenn "Kool aid" ein cleveres Sprachbild wie "I watch my future drying like it's paint" mit einer mittelöstlich anmutenden Melodie und viel Power verbindet, oder der von Gitarrist Rob Knaggs gesungene Closer "Light industry" geschmackvoll melancholische Epik auffährt – auf "Gulp!" hört man eine Band, die sich selbst noch nicht sicher ist, wo sie genau hin will. Live werden Sports Team sicher wieder einige junge und alte Kids zum Schwitzen bringen, doch angesichts all der halbherzig eingelösten Versprechen stellt sich die Frage: Soll das wirklich alles gewesen sein?
Highlights
- The game
- The drop
- Cool it kid
Tracklist
- The game
- Dig!
- The drop
- Cool it kid
- Unstuck
- R entertainment
- Kool aid
- Getting better
- Fingers (taken off)
- Light industry
Gesamtspielzeit: 33:42 min.
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Skinner Postings: 70 Registriert seit 13.01.2020 |
2022-10-16 13:00:53 Uhr
Rezi geht in Ordnung.Ein bisschen enttäuschend, aber das ALbum liefert schon noch Stoff für ein gutes Konzert im November! Dafür kann ich die Frage in der Rezi zum ersten Album: ob das in einigen Jahren noch irgendwen interessiert? eindeutig mit JA beantworten. läuft immer noch viel das Debüt und verliert keinen Reiz! |
Armin Plattentests.de-Chef Postings: 27639 Registriert seit 08.01.2012 |
2022-10-12 20:18:19 Uhr - Newsbeitrag
Frisch rezensiert.Meinungen? |
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Referenzen
Art Brut; Parquet Courts; Yard Act; Idles; Shame; Fontaines D.C.; Wet Leg; Dream Wife; Dry Cleaning; Sorry; Kaiser Chiefs; Franz Ferdinand; The Libertines; The Magic Gang; Sea Girls; The Snuts; The Wombats; The Kooks; Razorlight; Blur; Graham Coxon; Jamie T; Declan McKenna; Wolf Alice; The Strokes; The Dandy Warhols; Courting; The Kinks; Ramones; Pavement; Paul Weller; Elvis Costello; David Bowie; Iggy Pop; Bryan Ferry
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