Lambchop - The bible

Merge / Cargo
VÖ: 30.09.2022
Unsere Bewertung: 8/10
Eure Ø-Bewertung: 9/10

Im Takt des Pianos
Bei Musikerinnen und Musikern ist im fortgeschrittenen Alter oft und gerne die Rede davon, dass sie längst nichts mehr zu beweisen hätten. Im soundsovielten Bandjahrzehnt sei dann endlich die Phase erreicht, in der nur noch das eingespielt werde, was ihnen eben gerade exakt so gefalle. Unabhängig davon, dass ja auch dann noch immer Rechnungen zu begleichen sind und Fans eher nicht vollkommen verprellt werden wollen, lässt sich daraus ohnehin keine Gesetzmäßigkeit ableiten – zu unterschiedlich sind die Kreativen am Ende. Manchmal aber begegnet einem dann doch so ein Werk, das mal unterschwellig, mal ganz offensiv von diesen Dingen kündet: musikalische Freiheit, höchste Souveränität dank jahrzehntelanger Erfahrung, ungebremste Freude am Experimentieren. Kurt Wagner, Kopf und Mastermind der US-Amerikaner von Lambchop, begeistert auf "The bible" mit all diesen Elementen. Und legt nach fast 30 Jahren Band-Historie erneut ein echtes Highlight vor.
Das 16. Studioalbum reiht sich ein in eine ganze Serie von Veröffentlichungen, mit denen Lambchop zuletzt von sich reden gemacht haben. Im jährlichen Rhythmus erschienen seit 2019 "This (is what I wanted to tell you)", "Trip" und "Showtunes". Insbesondere Letztgenanntes zündete nicht bei jedem auf Anhieb, schaffte es dann aber doch, kontinuierlich zu wachsen. "The bible" macht es der geneigten Hörerschaft wieder etwas leichter, ohne oberflächlich daherzukommen. Der Zugang zu den Stücken gelingt schneller, und doch bleibt viel Potenzial, nach und nach tiefer in die Details einzutauchen. Direkt zum Auftakt bildet "His song is sung" dafür ein gutes Beispiel, denn wie Wagner es hier schafft, das Stück mittendrin noch einmal in eine andere Richtung zu lenken, ist große Kunst. "Thirty summers from here", singt er darin, und könnte unter anderem seine Karriere meinen, wenn er den Blick auf die Sommer der Vergangenheit richtet.
Das herausragende "Whatever, mortal" beginnt mit vertontem Pragmatismus: "I am not ok with this / But here we are / nobody's dancing." Tatsächlich stehen Lambchop ja nun gerade nicht für tanzbare Musik, allerdings laden manche Passagen auf "The bible" dann doch eben dazu ein. Der Bandchef hat für das Album einer gewaltigen Anzahl an Gästen die Tür geöffnet, die in vielfältiger Form ihre Spuren hinterlassen. Ganz besonders gilt das für den Pianisten Andrew Broder, der den Songs die Struktur gibt, und seinen Produktionspartner Ryan Olsen. In einer stillgelegten Lackfabrik in Nashville wurden die Stücke eingespielt, die Zusammenarbeit mit einem externen Produzenten stellte auch für Wagner etwas Außergewöhnliches dar: erfrischende Offenheit eines alten Hasen.
Die elektronischen Spielereien, die er sich zuletzt regelmäßig gönnte, sind auch auf diesem Album unüberhörbar und machen sich sehr gut im Klangkosmos. Lyrische Songwriter-Qualitäten, musikalische Grenzsprengungen irgendwo zwischen Rock, Folk, Jazz und Alternative plus Gospel-Chöre, dazu die unverkennbare Stimme Wagners: Lambchop klingen ebenso traditionsbewusst wie fortschrittlich. "The future is so important, this is a ballad / Of a country music nerd", singt er im abschließenden "That's music", und es ist zu hoffen, dass die Zukunft dieser Band noch einiges bereithält. Auch, wenn es wohl nicht mehr "thirty summers from here" sein dürften, immerhin feiert Wagner im Oktober seinen 63. Geburtstag.
Highlights
- His song is sung
- Whatever mortal
- Police dog blues
- That's music
Tracklist
- His song is sung
- Little black boxes
- Daisy
- Whatever mortal
- A major minor drag
- Police dog blues
- Dylan at the mouse trap
- Every child begins the world again
- So there
- That's music
Gesamtspielzeit: 49:53 min.
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(Neueste fünf Beiträge)
User | Beitrag |
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kingsuede Postings: 4474 Registriert seit 15.05.2013 |
2022-10-28 23:23:16 Uhr
Gutes Album. Das erste, das mich seit Mr. M wieder so richtig packt. |
captain kidd Postings: 3750 Registriert seit 13.06.2013 |
2022-10-01 19:03:22 Uhr
Stimmt schon. Bis alt geblieben. Aber gute Musik bleibt gute Musik. Bitte, wie geil ist Little Black Boxes? Könnte ein Hit werden... |
nörtz User und News-Scout Postings: 15534 Registriert seit 13.06.2013 |
2022-10-01 18:37:59 Uhr
Das liegt daran, Captain, dass du alt geworden bist. Darum kannst du ihnen nichts mehr abgewinnen. |
ijb Postings: 6852 Registriert seit 30.12.2018 |
2022-10-01 18:24:21 Uhr
Bin sehr gespannt auf die neue Platte, stimme cpt kidd da voll zu (auch wenn ich keineswegs alle Alben der Band gleich gerne mag, manche sogar ziemlich langweilg finde). Aber auch bei Wanda muss ich zustimmen. Das ist so eine dieser Bands, bei denen sich mir der Hype nie erschlossen sind. Ich fand die geradezu unsympathisch. (Aber da muss ich auch sagen, dass ich keineswegs alle Platten kenne.) |
captain kidd Postings: 3750 Registriert seit 13.06.2013 |
2022-10-01 15:25:38 Uhr
Die ist Mal wieder kompletter Mist. Ganz nette Keyboard -Melodien hier und da - schön 80s. Aber die haben halt schon lange nichts mehr zu sagen. Immer und immer wieder das selbe. Sorry, da bin ich raus. |
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Referenzen
Andrew Broder; CJ Camerieri; Giant Sand; Tindersticks; Wilco; The National; Howe Gelb; Vic Chesnutt; Damien Jurado; Bill Callahan; Smog; Mark Kozelek; Sun Kil Moon; Jeff Tweedy; Songs:Ohia; Elliott Smith; Sufjan Stevens; Justin Vernon; Bon Iver; Okkervil River; Micah P. Hinson; Will Oldham; Conor Oberst; Nick Drake; Neil Young; Bob Dylan; Hank Williams; Bonnie "Prince" Billy; Yo La Tengo; Tom Waits; Randy Newman; George Gershwin; Hoagy Carmichael
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