Yeah Yeah Yeahs - Cool it down
Secretly Canadian / Cargo
VÖ: 30.09.2022
Unsere Bewertung: 7/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10
Es schmilzt
Karen O steht auf der Bühne und spuckt eine Fontäne aus Bier in die Luft. Es ist kein Zufall, dass ausgerechnet dieses Bild das Cover von "Meet me in the bathroom" ziert, Lizzy Goodmans Buch über das New Yorker Rock-Revival zu Beginn der Nullerjahre – und damit die Yeah-Yeah-Yeahs-Frontfrau zur Gallionsfigur dieser Szene erklärt. Neben all den Strokes, Interpols und LCD Soundsystems war Karen Orzoleks Band vielleicht nie die beste, aber immer die faszinierendste und ungreifbarste. Ein Art-Punk-Trio mit einem provokanten Derwisch als Sängerin, dessen bis heute größter Song trotz all der offensiven Attitüde ein zärtliches Liebeslied namens "Maps" ist. Das sich vor allem mit seiner Entwicklung in den Folgejahren im Gegensatz zu einigen seiner Zeitgenossen nie eine gerade Erblinie entlang zu The Velvet Underground, Talking Heads, Joy Division oder wem auch immer zurückführen ließ. 20 Jahre sind seit dieser bewegten Zeit an der amerikanischen Ostküste vergangen und trotz eines kleinen Hiatus sind Yeah Yeah Yeahs nicht nur weiterhin aktiv, sondern noch immer künstlerisch relevant. Weil nach wie vor keines ihrer Alben wie das andere klingt, weil sie immer wieder aus einem neuen Kokon schlüpfen, ohne ihre alte Seele zurückzulassen.
Eine Wandelbarkeit, die gerade ob der personellen Konstanz dahinter überrascht: Nicht nur haben es Orzolek, Nick Zinner und Bryan Chase über zwei Dekaden miteinander ausgehalten, auch hinter den Reglern sitzt für "Cool it down" wieder TV On The Radios Dave Sitek, wie bei allen vier Platten zuvor. Das nahezu pure Elektropop-Soundbild erinnert am ehesten an "It's blitz!", zielt aber nicht mehr auf die Tanzfläche, sondern lässt Synth-Gletscher im Majestätstempo über den Boden schleifen. Der Opener "Spitting off the edge of the world" nutzt zusätzlichen Gesang von Perfume Genius und einen um den Globus hallenden Beat, um erst seinem Titel gerecht zu werden und dann vom Weltrand aus ins All zu schießen. "Mama, what have you done? / I trace your steps / In the darkness of one / Am I what's left?" fragt Orzolek, und es ist gleichzeitig eine Anklage an die ältere Generation im Angesicht der Klimakrise als auch das völlig zeit- und raumlose Zweifeln einer Verlorenen. "Lovebomb" erstarrt unter tiefem Ein- und Ausatmen zur Ambient-Skulptur, bevor die Frau mit der immer noch so unheimlich einnehmenden Stimme ihren Kate-Bush-Moment im famosen "Wolf" feiert: ein absolut erhabenes Stück Musik, das Leuchtsignale durch einen verschneiten Wald aus mammutbaumhohen Synth-Streichern schickt.
An dieser Stelle beginnt der lebendigere Mittelteil eines ansonsten außergewöhnlich ruhigen Albums. Unter einem Club-Piano-Loop und griffigen Hooks beschwört "Burning" Feuer, Rauch und Kometen – dass die Welt am brennen ist, weiß ja nicht nur das ausdrucksstarke Cover-Foto. Doch "Cool it down" kann's nicht nur gesellschaftskritisch: "That's where we dance to ESG", erklärt das ausgelassene "Fleez", das sich als durch die Kunsthalle groovender Funk-Post-Punk-Hybrid auch akustisch vor den Legenden aus der South Bronx verneigt. Warum es solche Auflockerungen nicht noch häufiger gibt, ist der einzige Vorwurf, den sich das Album auf hohem Niveau gefallen lassen muss. Man kauft Yeah Yeah Yeahs noch immer alles ab: Sie bilden weiterhin das Totem einer gleichzeitigen Unnahbarkeit und Aufrichtigkeit, wirken wie freundliche Aliens, die sich kaum in Schubladen stecken lassen, bei denen man aber auch nie Angst haben muss, in fiese, ironische Stolperfallen gelockt zu werden. Die Albernheit war den dreien schon immer ernst, weswegen es trotz aller musikalischen Hochklasse etwas irritiert, wenn diesem frostig-humorlosen Art-Pop eine solche fehlt. Doch wenn im finalen "Mars" das Eis taut und Orzolek ein Gedicht für ihren kleinen Sohn vorträgt, wissen wir: Yeah Yeah Yeahs sind auch deshalb noch eine der relevantesten Bands ihrer Indie-Generation, weil sie sich nicht gegen das Erwachsenwerden wehren.
Highlights
- Wolf
- Fleez
- Burning
Tracklist
- Spitting off the edge of the world (feat. Perfume Genius)
- Lovebomb
- Wolf
- Fleez
- Burning
- Blacktop
- Different today
- Mars
Gesamtspielzeit: 32:24 min.
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(Neueste fünf Beiträge)
User | Beitrag |
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Felix H Mitglied der Plattentests.de-Chefredaktion Postings: 10088 Registriert seit 26.02.2016 |
2023-07-24 22:11:03 Uhr
Schade! Ich hatte sie bisher immer verpasst und freu mich drauf. "Cool It Down" gefällt mir auch, für mich hinter "Blitz" und "Fever" auf Platz 3. |
Kojiro Postings: 4192 Registriert seit 26.12.2018 |
2023-07-24 22:07:07 Uhr
Ah, Tatsache! Gar nicht mitgekriegt... aber sehr cool! Bin bisschen neidisch. Bin am 1.9. - 3.9. beruflich in Berlin. Leider sind die Zugtix schon gebucht, sonst wäre ich paar Tage vorher angereist :-/// |
Felix H Mitglied der Plattentests.de-Chefredaktion Postings: 10088 Registriert seit 26.02.2016 |
2023-07-24 21:58:24 Uhr
Also ich seh sie Ende August in Berlin, mindestens da sind sie also. |
Kojiro Postings: 4192 Registriert seit 26.12.2018 |
2023-07-24 21:57:27 Uhr
Hach, "Lovebomb" ist schon 1 Brettchen. Wieso eig. nicht in Deutschland das neue Album live präsentiert? Haben aktuell Automatic als Vorband. Wäre ne absolute Traumkombi! |
Kojiro Postings: 4192 Registriert seit 26.12.2018 |
2022-11-28 20:22:46 Uhr
Macht immer noch Spaß; heute wieder gehört. |
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Referenzen
Karen O; Goldfrapp; Ladytron; Bat For Lashes; Austra; Half Waif; Hercules And Love Affair; Perfume Genius; TV On The Radio; Celebration; Kate Bush; Metric; The Jezabels; Chromatics; Fever Ray; Au Revoir Simone; Mitski; Robyn; Ladyhawke; Crystal Castles; CSS; Le Tigre; Gossip; Blood Red Shoes; Bloc Party; Cut Copy; The Faint; Hot Chip; Yeasayer; LCD Soundsystem; The Rapture; Talking Heads; ESG; Anna Calvi; David Bowie
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