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Alex G - God save the animals

Alex G- God save the animals

Domino / GoodToGo
VÖ: 23.09.2022

Unsere Bewertung: 8/10

Eure Ø-Bewertung: 7/10

Die großen Fragen

Ein Albumcover als Mission: Gott blickt aus dem Titel herab auf seine bunt schillernden Geschöpfe, die es zu retten gilt. Nun ist die Erkundung der Spiritualität mit musikalischen Mitteln seit Menschheitsgedenken eine Konstante, von rauschhaften Trommelritualen, tanzenden Derwischen über Bach und Händel bis hin zu Sufjan Stevens. Dabei scheint Alex Giannascoli, der seinen Nachnamen gemeinhin zum Initial verkürzt, in der Vergangenheit kaum angedeutet zu haben, in welche Richtung sein bereits neuntes Album deuten könnte. Und doch: Bei aller genre-flexiblen DIY-Ästhetik und den Lo-Fi-Aufnahmen, für die man in den Neunzigerjahren noch den Kassettenrekorder ausgepackt hätte und die Giannascoli den Ruf eines schrulligen Slackers eingebracht haben – unter vielen seiner Songs verbarg sich stets die Faszination für traditionellere Themen und Ausdrucksformen. Schließlich stebt der beste Americana ja immer auch nach der Überwindung des vermaledeiten Subjekts in einer Kultur, die den Individualismus über alles schreibt. Gott, so erklärt Giannascoli etwas scheu, sei hier nicht allzu konkret zu verstehen, sondern eher die Chiffre für den Glauben allgemein, den größeren Zusammenhang: keine Doktrin, sondern eine soziale Sprache.

Keine Sorge, seine typische Verspieltheit und Experimentierfreude zelebriert der inzwischen 29-Jährige weiterhin. "God save the animals" ist aber zugleich eine ausgesprochen ernste Angelegenheit geworden, sein Fokus steht Giannascolis Songwriting-Gespür hervorragend. Die starken Vorabsongs stecken dabei bereits einen Großteil seiner Bandbreite ab. "Blessing" alterniert mit treibendem Groove zwischen brutzelnden Synth-Drones und unheilschwangerem Flüstern, das sich mit wenigen Gitarrentönen zu einem eindrücklichen Stimmungsbild verwebt. Spätestens beim nach zwei Minuten aufkommenden Riff sind bei aller Laut-Leise-Dynamik dann auch The Pixies nicht mehr weit entfernt. Der melodieselige Indie-Pop von "Runner" wiederum bildet das zentrale Glied eines imposanten Auftakt-Trios, dem zunächst hauptsächlich klare Akustikgitarren, cleane Klavierlinien, Bass und Schlagzeug ausreichen – und die auf dem Album immer wieder geschickt eingesetzten Stimm-Manipulationen. "After all" verwischt seine Vocals im Refrain zu geisterhaften Chören, die durch Mark und Bein gehen und die Botschaft sogleich verkomplizieren: "After all people come and people go away / Yeah, but God with me he stayed." "Mission" hingegen glänzt mit einem schmucken, knackigen Gitarrensolo, auf das ein vokaler Ausbruch aus der Ferne, dezente Geigen und kluge Harmonieverschiebungen folgen.

Die Konzentration auf das Gerüst eines guten Songs, seine Akkorde und Gesangsmelodien, zieht sich als roter Faden durch "God save the animals". Klangliche Exzentrik erlaubt es sich vor allem in den erwähnten Vokalverfremdungen: Die dritte Single "Cross the sea" verstört zunächst als eine Art Vocoder-Version von Everlasts "What it's like", die einem heiß ins Genick haucht, sich dann aber doch noch zu einer vielschichtigen und und fein produzierten Indietronica-Idylle emporschwingt. Das düstere "S.D.O.S." macht sie vollends zum atmosphärischen Stilmittel, wenn Giannascoli zunächst wie ein gebrechlicher alter Mann klingt, bevor Autotune à la Yeezy noch mal einen ganz anderen Weg einschlägt. Auf dem soliden Fundament seiner Songs entwirft er eine detailverliebte Soundpalette: "No bitterness" wiederholt mantraartig sein Credo, mäandert durch rückwärts abgespulte Gitarren, einen wummernden Elektrobeat, um letztlich doch wieder an seinem Ausgangspunkt wieder zu landen. Und "Ain't it easy" konfrontiert fragile Gitarren mit Gesangsharmonien aus dem Shoegaze-Himmel, ohne bei allen zwischenzeitlichen Dissonanzen je seine Sanftmut abzulegen. Die klangliche Vielfalt auf "God save the animals" bleibt dabei stets subtil und eng verflochten mit seinem Gesamtzusammenhang.

Wenn sich der Schleier dann mal lichtet, zeigt sich vollends, wie reif und gefestigt Alex G 2022 daherkommt – gerade weil seine Unsicherheiten auf dem Tisch liegen, zu denen nicht zuletzt das kratzige Timbre der nicht verformten Stimme zählt. "How many more songs am I supposed to write? / Before I should turn it off and say goodnight?" Der berührende Alt-Country von "Miracles" denkt entwaffnend offen und direkt über die Hoffnung auf und Ängste vor dem gesetzten Familienleben nach. "We got better pills than ecstasy, they're miracles and crosses", singt Giannascoli charmant wackelig, im Zeichen des Suchenden, nicht des Predigers. Und der findet das Wunder eben auch einfach in den sich kreuzenden Pfaden, den unerwarteten Begegnungen.

(Viktor Fritzenkötter)

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Highlights

  • Runner
  • Mission
  • Ain't it easy
  • Blessing
  • Miracles

Tracklist

  1. After all
  2. Runner
  3. Mission
  4. S.D.O.S.
  5. No bitterness
  6. Ain't it easy
  7. Cross the sea
  8. Blessing
  9. Early morning waiting
  10. Immunity
  11. Headroom piano
  12. Miracles
  13. Forgive

Gesamtspielzeit: 43:59 min.

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(Neueste fünf Beiträge)
User Beitrag

saihttam

Postings: 2477

Registriert seit 15.06.2013

2023-01-17 23:35:34 Uhr
Höre es jetzt erst mit Verspätung. Macht aber schon wieder viel Spaß, die vielen verschiedenen Details zu entblättern. Und über all dem liegt einfach eine wunderschöne Melancholie.

AliBlaBla

Postings: 6612

Registriert seit 28.06.2020

2022-09-22 15:10:10 Uhr
War mein letztes Konzert, bevor der Gast kam, den wir Corona nennen (Molotow, Hamburg).
Nach den letzten drei (!) großartigen Alben große Vorfreude auf das Album!
Track by Track Besprechung nächste Woche dann.
Die Kritik macht schon mal Appetit!

Armin

Plattentests.de-Chef

Postings: 27357

Registriert seit 08.01.2012

2022-09-21 21:05:50 Uhr - Newsbeitrag
Frisch rezensiert.

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