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Gently Tender - Take hold of your promise!

Gently Tender- Take hold of your promise!

So Young
VÖ: 26.08.2022

Unsere Bewertung: 8/10

Eure Ø-Bewertung: 9/10

Heal the world

Sam Fryer wollte sich besser um sich kümmern. Ob er den schrammeligen Garagen-Indie seiner Ex-Band Palma Violets für diesen selbsttherapeutischen Heilungsprozess als ungeeignet betrachtete oder schlicht etwas Neues ausprobieren wollte, nachdem er und seine Jungs doch nicht die erneut für tot erklärte Rockmusik retten konnten, ist nicht bekannt. Was wir wissen: Palma Violets gibt's nicht mehr, dafür haben Fryer, Peter Mayhew (nein, nicht Chewie) und Will Doyle ein neues Projekt namens Gently Tender am Start, für das sie auch Gitarrist Adam Brown und The Big Moons Celia Archer gewinnen konnten. Sie versuchen nicht mehr, stickige Proberaum-Luft auf Tonträger zu bannen, sondern suchen einen eigenständigen Vibe zwischen ur-britischen, pastoralen Weiten und US-amerikanischer Studio-Magie. Letztere ist ein gutes Stichwort, um Matthew E. White ins Spiel zu bringen, jenen großen Konservator einer vergangenen Soul-Ästhetik, der für die Produktion von Gently Tenders Debütalbum "Take hold of your promise!" extra nach Wales flog – und dabei freilich seine obligatorischen Chöre und Bläser-Fronten im Gepäck hatte. Das Ergebnis strahlt eine sich selbst und die ganze Welt umarmende Wärme aus, ohne in sinnlose Hippie-ismen zu driften, ist komplex arrangiert, aber sofort mitreißend, untrendy, aber nicht altbacken. Kurz: einfach nur umwerfend.

Fryers und Archers Harmoniegesang eröffnet "Home anymore" und packt auch nach zahlreichen Tempo- und Richtungswechseln noch fest zu. Mit seinem Kontrast von männlichem Bariton und einer hellen weiblichen Stimme sowie der psychedelischen Hymnik klingt jener Opener ein wenig so, als hätten sich Modern Studies mit einer Sammlung von Morricone-Soundtracks ein paar Tage in einer Präriehütte eingesperrt. "Dead is dead" kommt direkter auf den Punkt, breitet über kratzigeren Riffs und Hüftwackel-Beat Vergänglichkeitsweisheiten aus – gemeinsam mit "Love all the population" derjenige Song, in dem die Vergangenheit der Bandmitglieder am lautesten nachhallt. Letztgenannte Single pustet eine Brise schaurig-romantischen Post-Punks über die Felder von 60s-Pop und 70s-Soul, bevor Fryer in derangierter Bowie-Manier ausrastet, begleitet von gleichermaßen durchdrehenden Bläsern. "Sunlight in motion" findet im Anschluss wieder ein ruhigeres Plätzchen zur Selbstreflektion, was den Fünfer aber nicht davon abhält, einen weiteren gigantischen Refrain anzusteuern – übertroffen höchstens von "True colours (Sometime I'll get through)", das neben der fantastischen Hook auch mit einer subtilen Coda samt Solo-Finish von Archer brilliert. Fünf Tracks, fünf absolute Volltreffer und eine der besten ersten Albumhälften des Jahres.

Leidenschaftlich und doch gelassen schütteln Gently Tender solche akustischen Wunder aus dem Ärmel, als hätten sie diese zwischen Waldspaziergängen und Cricket-Partien aufgenommen – was auch tatsächlich der Fall war. "Maybe I'm in heaven / Maybe I don't care", heißt es dazu passend im Geister-Blues von "Heaven ho!". Songs wie "God didn't leave the factory" oder "Right time" mögen für sich stehend vielleicht nicht mehr als die ganz großen Meisterwerke strahlen, doch tragen sie die Atmosphäre der Platte wunderbar weiter und sorgen dafür, dass der Begeisterungsfaden nie abreißt. "Take hold of your promise!" ist eine dieser perfekten Symbiosen zwischen einer Band und einem charakterstarken Produzenten, bei der letzterer zwar seine Trademarks durchsetzt, man aber nie das Gefühl bekommt, er würde irgendetwas erzwingen: Den Soul haben Fryer und Co. schon ganz allein im Blut. Zwischen den Gospelchören, Orgeln und Pianoklängen des tiefenentspannten Closers "This is my night of compassion" klingt der Frontmann fast ein bisschen wie Nick Cave, treibt seine Dämonen aber weniger aus, als dass er sie an den Händen packt und mit ihnen ins Morgengrauen tanzt. Sam Fryer ist mit sich ins Reine gekommen und hat in den dafür notwendigen 47 Minuten den Rest der Welt gleich mitgeheilt.

(Marvin Tyczkowski)

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Highlights

  • Home anymore
  • Dead is dead
  • Love all the population
  • Sunlight in motion
  • True colours (Sometime I'll get through)

Tracklist

  1. Home anymore
  2. Dead is dead
  3. Love all the population
  4. Ain't no river wide enough
  5. Sunlight in motion
  6. True colours (Sometime I'll get through)
  7. Ain't no valley low enough
  8. Heaven ho!
  9. God didn't leave the factory
  10. Right time
  11. Pointless noise
  12. This is my night of compassion

Gesamtspielzeit: 47:12 min.

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(Neueste fünf Beiträge)
User Beitrag

köttbullar

Postings: 185

Registriert seit 03.10.2019

2022-11-15 23:20:02 Uhr
Bei mir auch save Top 5 2022, evtl. auch Top 3. Ich muss noch mal den Jahresanfang studieren. Vor allem die Gang of Youths hat es mir da angetan. Egal, sie wird so oder so weit oben landen. DIE Überraschung dieses Jahr.

Hogi

Postings: 531

Registriert seit 17.06.2013

2022-11-15 11:55:40 Uhr
die Band war Sonntag in Hamburg Support von Band of horses und hat mich sehr positiv überrascht. Jetzt das Album gehört. Ist wirklich super und wird in meinen Jahrescharts ganz weit oben landen... 9/10

Sick

Postings: 284

Registriert seit 14.06.2013

2022-09-24 18:52:14 Uhr
Das macht richtig Freude. Das fällt in der zweiten Hälfte auch nicht ab.
Grandioser Sound voller Hymnen und Hits.

köttbullar

Postings: 185

Registriert seit 03.10.2019

2022-09-21 21:57:45 Uhr
Auf den Punkt. Super Rezension. Ich hätte allerdings noch ein Pünktchen mehr gegeben. Anwärter auf das Album des Jahres. Was bis True Colours passiert ist tatsächlich gigantisch. Und danach geht es zwar auf ein etwas niedrigeres aber immer noch so hohes Niveau dass das schon beeindruckend ist….

Armin

Plattentests.de-Chef

Postings: 27355

Registriert seit 08.01.2012

2022-09-21 21:06:01 Uhr - Newsbeitrag
Frisch rezensiert.

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