Suede - Autofiction
BMG / Warner
VÖ: 16.09.2022
Unsere Bewertung: 8/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10
Rage und Resignation
"Close the curtains, and dim the lights." Die Tage werden kürzer, Energiepreis und soziale Kälte steigen bedrohlich, und eines liegt auf der Hand: Es wird ein schwieriger Winter. Inmitten dieser Aussichten legen Brett Anderson und Suede ihr neuntes Studioalbum vor und liefern den perfekten Soundtrack zum Untergang, denn irgendwann im nunmehr dreiunddreißigsten Jahre ihres Bestehens ist ihnen eine besonders dicke Laus über die Leber gelaufen. Die "beautiful ones" kapitulieren angesichts des drohenden Unheils, und nachdem schließlich was passiert ist, heißt es dann: "It's always the quiet ones." Suede zeigen sich kratzbürstig, nahezu aggressiv. "Autofiction" geht dahin, wo es wehtut. Den epischer angelegten und auf Konzept getrimmten Kompositionen von "The blue hour" stellt das Quintett aus Manchester einen rohen, ungeschliffenen Nachfolger entgegen, der nur noch vereinzelt Erinnerungen an unbeschwerten Glam, Britpop und feierlichen Rock'n'Roll zulässt.
Das vierte Post-Reunion-Album will vor allen Dingen zetern und spucken: "Personality disorder" spart sich eine eingängige Melodie, stampft stattdessen in bester Post-Punk-Manier alles kurz und klein. Donnernden Bass gibt es auch in "Shadow self" zu hören, was ebenso gut den Albumtitel hätte stellen können. Anderson erörtert den Verfall, den eigenen und gesellschaftlichen – die am Boden zerstörte Gestalt auf dem Cover würde sich sowieso auch gut auf einem Placebo-Album machen. Hymnischen Britpop auf Synthie-Teppich kredenzt "15 again" hingegen immer noch, doch selbst hier schwingt eine todtraurige Melancholie mit, wenn der Sänger voller Zynismus einer zwanglosen Jugend hinterhertrauert. In "The only way I can love you" versteckt er sich buchstäblich im Dunkeln und fragt dann in "Drive myself home": "How low can I go?", während die Leitplanke immer näherkommt und er keinerlei Anstalten macht, den Fuß vom Gas zu nehmen. "Autofiction" wühlt und windet sich im Schmerz. Dass "She still leads me on" in Andenken an Andersons verstorbene Mutter regelrecht euphorisch daherkommt, grenzt an Wahn. Der Song ist einer von Suedes besten seit zehn Jahren.
In "That boy on the stage" bekriegen sich dröhnende Slide-Gitarren und hüpfendes Falsett, Roxy Music und Presslufthammer. "He speaks of love and power / And all these pretty things." Ansonsten regieren fliegende Licks wie von einem windschiefen Johnny Marr, finsterer Post-Punk und ein Anderson, der um sein Leben singt. Schon immer hatten Suede einen ungemein eigenen Sound, zeigen sich hier aber besonders ungezwungen und pflanzen immer wieder faszinierende Details in ihre Kompositionen, seien es betrübte Bläser, schräge Chöre oder Stahlwerk-Synths. Das Triumvirat aus "It's always the quiet ones", dem pianogeschmückten "What am I without you" und "Turn of your brain and yell" lässt auch ausufernde, schleppendere Werke zu, die das, O-Ton, "Punk-Album" der Band konsequent beschließen. Highlights herauszupicken, fällt schwer, halten Suede das Niveau doch fortwährend hoch: immer angepisst, immer theatralisch und immer so gut wie hoffnungslos. Im Breitwand-Finale fragt Anderson: "Can you feel the sun shine / When you turn off your brain and yell?" Der einzige Ausweg scheint, die Augen vor der Realität zu verschließen und sich ganz der innerlichen Wut hinzugeben bis zur erlösenden Katharsis. "Reveal yourself!" Wir sind alle verloren.
Highlights
- She still leads me on
- That boy on the stage
- Shadow self
- It's always the quiet ones
Tracklist
- She still leads me on
- Personality disorder
- 15 again
- The only way I can love you
- That boy on the stage
- Drive myself home
- Black ice
- Shadow self
- It's always the quiet ones
- What am I without you
- Turn off your brain and yell
Gesamtspielzeit: 45:31 min.
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(Neueste fünf Beiträge)
User | Beitrag |
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kingsuede Postings: 4316 Registriert seit 15.05.2013 |
2023-12-29 19:34:21 Uhr
Ich habe kein Album von Suede so selten gehört. Dabei wird es wohl auch bleiben. |
Ralph mit F Postings: 608 Registriert seit 10.03.2021 |
2023-12-29 18:15:19 Uhr
Gibt auf Spotify nun die Expanded-Version mit sechs B-Seiten/Bonustracks und der ganzen Chose dann noch mal live. |
nagolny Postings: 1440 Registriert seit 06.11.2022 |
2023-05-19 07:16:34 Uhr
Verglichen mit Coming Up klingt das doch alles recht matschig. |
nagolny Postings: 1440 Registriert seit 06.11.2022 |
2023-05-19 07:14:35 Uhr
Irgendwie war die Produktion früherer Suede-Alben klarer, und auch die Lautleisedynamik ausdrucksstärker.Anfangs klangen mir auch die Songs etwas zu farblos im Direktvergleich. Schlecht fand ich "Autofiction" auch auf Anhieb zwar nicht, aber ich war schon etwas enttäuscht. Inzwischen beginnt das Album aber zu wachsen, einzelne (manchmal) Favoriten beginnen sich je nach Stimmung herauszukristallisieren und abzuwechseln, weitere Songs beginnen sich als eigenständig und abwechslungsreicher zu konturieren, aus dem vermeintlichen Einheitsbrei herauszulösen. Dennoch wirkt aufgrund der Einlassung auf / die Zugeständnisse an den loudness war das Album immer noch etwas zu lang und wird wohl nie mein liebstes der Band werden, vermutlich nichtmal ein Highlight der Diskographie. Das ist schade. |
Sloppy-Ray Hasselhoff Postings: 2176 Registriert seit 02.12.2019 |
2023-04-06 20:54:36 Uhr
Der Ref in "That Boy on Stage" ist genial. Die gesamte Platte eine Wohltat. |
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Referenzen
Brett Anderson; The Tears; Supergrass; Elastica; Pulp; Jarvis Cocker; Ash; Manic Street Preachers; The Smiths; AC Acoustics; Mansun; Gene; Placebo; The Verve; Echobelly; Sleeper; Feeder; The Stone Roses; Super Furry Animals; Primal Scream; The Charlatans; The Horrors; Oasis; Stereophonics; My Vitriol; T. Rex; Roxy Music; Echo & The Bunnymen; Scott Walker; Strangelove; Blur; Morrissey; Travis; R.E.M.; Idles; Muse; Interpol; Slang; Mudhoney; The Jesus And Mary Chain; Lou Reed; Paul Weller; The Psychedelic Furs; David Bowie; The Cure; Iggy Pop; The Fall
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