The Decemberists - Her majesty, The Decemberists

Kill Rock Stars / Cargo
VÖ: 13.10.2003
Unsere Bewertung: 8/10
Eure Ø-Bewertung: 9/10

Im Westen was Neues
Daß eine Platte die Vergangenheit erkundet, ist ungewöhnlich. Im allgemeinen bleiben Musiker politikabstinent, und wenn sie schon Aktionismus zeigen, dann an unmittelbaren, gegenwärtigen Mißständen. Bei den Decemberists läuft der Vorwurf der Geschichtsvergessenheit hingegen ins Leere. Die sechs Amerikaner aus Portland haben sich dem selbst in Europa mittlerweile weitgehend vergessenen Beginn des 20. Jahrhunderts angenommen: dem Ersten Weltkrieg. Ein Künstlerkollektiv wischt den Staub von den Geschichtsbüchern, durchwandelt die Wirren des Weltenbrandes und macht diesen fühlbar.
Die Tristesse, die Trauer, das Absurde, die Sehnsucht, die Kameradie und die Einsamkeit: Impressionen aus dem Stellungskrieg in den europäischen Schützengräben. Collagiert und fragmentiert streift das lyrische Ich durch die Schützengräben; immer auf der Suche nach dem Sinn betrachtet es das Chaos, lauscht dem Vergangenen, ersehnt das Künftige. Die Jahre von 1914 bis 1918 sind fern, doch wenn "The bachelor and the bride" uns den Verlust beschreibt, wenn "Los Angeles, I'm yours" die Ambivalenz und die Sehnsucht aufzeigt, ist die Ferne doch nah. Sechs Musiker, die man eher als Literaten verstehen möchte, orchestrieren und besingen ein Ereignis auf filigrane Weise, welches eigentlich nicht in Worte, geschweige denn Musik zu fassen wäre.
Dabei werden keine Lektionen erteilt, keine Klischees bedient, keine intellektuelle Arroganz poliert. Hier will niemand klugscheißen, hier ist jemand ernsthaft berührt. The Decemberists lassen uns an einem Verarbeitungsprozess Teil haben, der so weit vom Geschichte-Proseminar entfernt ist wie ihre Musik von den hippeligen Hymnen der Neuzeit. Dichter Folk mit dem Hang zum Opulenten. Dabei jedoch keineswegs schmierig, sondern in aller Verspieltheit irgendwie erdig. Nicht der denkbare Versuch, sich musikalischen Phänomenen des frühen zwanzigsten Jahrhunderts zu nähern, sondern das Nachspüren des atmospärischen Widerhalls zeichnet "Her majesty, The Decemberists" aus. Elf musikalische Kleinode, die gerade durch ihre ohrenbestechende Qualität innovativ werden. Durch jene Ruhe, jene überlegene Durchdachtheit. Und den klammernden Gesang von Colin Meloy, der singt wie andere lesen und der schreibt wie andere dichten. Man läßt sich mitnehmen, hört und fühlt, riecht und schmeckt. Musik, die mehr sein will als einfach nur Schönklang. Musik, die mehr sein kann als einfach nur Unterhaltung.
Highlights
- The bachelor and the bride
- Los Angeles, I'm yours
- The soldiering life
- Red right ankle
Tracklist
- Shanty for the Arethusa
- Billy liar
- Los Angeles, I'm yours
- The gymnast, high above the ground
- The bachelor and the bride
- Song for Myla Goldberg
- The soldering life
- Red right ankle
- The Chimbley sweep
- I was meant for the stage
- As I rise
Gesamtspielzeit: 48:33 min.
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(Neueste fünf Beiträge)
User | Beitrag |
---|---|
reinvan |
2006-09-26 17:56:21 Uhr
wie ist das album in der diskographie der band einzuordnen (stlistisch, qualitativ?) |
Husker |
2006-09-24 23:57:15 Uhr
Chimbley ist ortsgebundener Slang für Chimney. |
Wahn-Hörer |
2006-09-24 23:27:46 Uhr
sorry, nee, du meinst wirklich chimbley sweep. kenn ich nich und dict.leo.org hilft hier auch nicht. |
jeb |
2006-09-24 23:22:33 Uhr
http://dict.leo.org/?lp=ende&lang=de&agent=firefox-de&search=chimney%20sweepdict.leo.org hilft |
Wahn-Hörer |
2006-09-24 23:19:13 Uhr
und du meinst nicht zufällig chimneysweep = schornsteinfeger |
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Referenzen
The Paperbacks; The Weakerthans; Death Cab For Cutie; Of Montreal; Neutral Milk Hotel; The Smiths; Morrissey; Belle & Sebastian; The Reindeer Section; The Delgados; Love Unlimited Orchestra; I Am Kloot; Badly Drawn Boy; Clem Snide; Elliott Smith; The Walkabouts; Uncle Tupelo; The Derailers; Bright Eyes; The Good Life; Departure Lounge; Levellers; New Model Army; Neil Young; Ron Sexsmith; Elvis Costello; Robyn Hitchcock; The Beatles
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