Marcus Mumford - (Self-titled)
Island / Universal
VÖ: 16.09.2022
Unsere Bewertung: 7/10
Eure Ø-Bewertung: 4/10
Entwaffnend offen
Dass ausgerechnet Folk-Pop-Star Marcus Mumford mit zwei Zeilen aufmacht, die einem den Magen umdrehen, hätte 2022 wohl keiner erwartet. Nach vier Alben mit seiner Band Mumford & Sons waren die Ideen nicht mehr einfach aus der Luft gepflückt und zu großen Hits verarbeitet, eine handfeste Schreibblockade hatte sich eingeschlichen. Was folgte, war schmerzhafte Introspektion und eben jene Zeilen: "I can still taste you and I hate it / That wasn't a choice in the mind of a child and you knew it." Fast drei Jahrzehnte Verdrängung hatte es gedauert, bis Marcus Mumford über den sexuellen Missbrauch sprechen, schreiben und singen konnte, der ihm als Sechsjähriger widerfahren war. Ein gnadenloser Einstieg in ein intimes Solo-Debütalbum.
Zwar ist die selbstbetitelte Platte kein "For Emma, forever ago", um die Erwartungshaltung dahingehend ein wenig zu dämpfen und doch ist alles etwas kleiner gedacht als im mumfordschen Bandkosmos üblich. Das hält den Sänger zwar nicht von großen Gesten ab, wenn er nach dem schrecklichen Missbrauchsgeständnis das anschließende Gespräch mit seiner Mutter darüber in "Grace" vertont, aber das "Pop" aus Folk-Pop kann man für den größeren Teil von "(Self-titled)" getrost streichen. Nur "Better off high" plustert sich mit Bläsern erfolgreich auf Tausender-Venue-Größe auf und ist ein waschechter Mumford-Moment ©. Ansonsten sucht man die Boom-Clap-Beats vergebens, findet stattdessen programmierte Drums auf "Prior warning" und klassische Folk-Balladen wie das mit Klavier angereicherte "Only child".
Während hinter den Kulissen Namen wie Produzent Blake Mills, Rob Moose oder Robin Pecknold zum Album beitragen, geht Mumford vordergründig einen Weg, der auch The Nationals "I am easy to find" zu etwas Besonderem gemacht hat: Er lädt mehrere befreundete Sängerinnen zum Duett. Statt Harmoniegesang mit Mumfords Sons spielt er mit Clairo ein "Dangerous game", "Go in light" mit Monica Martin ist die obligatorische taghelle Allegorie und 2022 darf natürlich Phoebe Bridgers auf so einem Album nicht fehlen und stöpselt für "Stonecatcher" die E-Gitarre in den Verstärker. Die Gastbeiträge verkommen aber glücklicherweise nie zum reinen Selbstzweck, sondern verleihen den Songs subtil Tiefe. Auch lassen sich die zehn Stücke zum Glück nicht hinreißen Ramps aufzubauen, von denen sie in ein Stadionpublikum springen können. Sie gedulden sich.
So kommt der zweitgrößte Moment des Solo-Debüts von Marcus Mumford auch ganz am Schluss. Der umgedrehte Magen hat sich gerade wieder etwas erholt, da schließt "How" im Duett mit Grammy-Preisträgerin Brandi Carlile den Bogen zum Anfang, beschreibt noch mal das Unmenschliche und schafft zusätzlich das Unfassbare: "But I'll forgive you now / Release you from all of the blame I know how." Ja, ausgerechnet Marcus Mumford schafft es 2022, mit einem entwaffnend offenem Album zu überraschen.
Highlights
- Cannibal
- Better of high
- How
Tracklist
- Cannibal
- Grace
- Prior warning
- Better off high
- Only child
- Dangerous game
- Better angels
- Go in light
- Stonecatcher
- How
Gesamtspielzeit: 37:33 min.
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(Neueste fünf Beiträge)
User | Beitrag |
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Hierkannmanparken Postings: 848 Registriert seit 22.10.2021 |
2022-09-18 12:32:24 Uhr
Gerade weil es als 0815-Schmusefolk daherkommt, kriege ich Gänsehaut, wenn er diese schonungslos offenen Zeilen raushaut:You took the first slice of me and you ate it raw. Krass. Dabei bin ich beileibe kein Mum41-Fan. |
Fette Sau Alter Postings: 127 Registriert seit 18.09.2022 |
2022-09-18 11:19:48 Uhr
Peinliche Schmusimucke wie immer. Einfach unhörbar. |
Grizzly Adams Postings: 4640 Registriert seit 22.08.2019 |
2022-09-16 19:40:15 Uhr
Ich entschuldige mich für die Worterkennnnuuung. |
Grizzly Adams Postings: 4640 Registriert seit 22.08.2019 |
2022-09-16 19:38:39 Uhr
Gefällt mir ganz gut. Mit der Red-Wertung gehe ich mit. Seine Stimme ist immer noch sehr einnehmend und hat was Unverwechselbares. Hab die Signed-Edition erworben. Sieht allerdings ein bisschen so aus, als wenn ein zufällig diensthabender Amazon-Mitarbeiter dort mit nem Filzer einen Krakel hinterlassen hat. Nunja, angeben kann ich da,ist immer. Und ich werd’s überleben. ;-)Den Bin Jovi Vibe fühle/höre ich eher im Sing Better Off High. Den finde ich aber richtig stark. |
Armin Plattentests.de-Chef Postings: 26411 Registriert seit 08.01.2012 |
2022-09-14 21:22:03 Uhr - Newsbeitrag
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Referenzen
Mumford & Sons; Dan Mangan; Bear's Den; Nathaniel Rateliff; Foy Vance; The New Basement Tapes; Wild Rivers; Oscar Isaac; Noah Gundersen; Noah And The Whale; Fleet Foxes; Clairo; Phoebe Bridgers; Brandi Carlile; Paolo Nutini; George Ezra; Roo Panes; The Lumineers; Vance Joy; Maggie Rogers; Dawes; The Head And The Heart; Jamie T; Ben Howard; Bon Iver; James Vincent McMorrow; Laura Marling; Iron & Wine; Bright Eyes; The National
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- Marcus Mumford - (self-titled) (9 Beiträge / Letzter am 18.09.2022 - 12:32 Uhr)