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Die Sterne - Hallo Euphoria

Die Sterne- Hallo Euphoria

PIAS / Rough Trade
VÖ: 16.09.2022

Unsere Bewertung: 7/10

Eure Ø-Bewertung: 7/10

Vom Wissen und Wollen

Wenigstens eine Band. Das ist mehr, als man zuletzt über Die Sterne sagen konnte, nachdem Frank Spilker den selbstbetitelten Longplayer von 2020 ohne seine langjährigen Mitstreiter Thomas Wenzel und Christoph Leich eingespielt und sich stattdessen eine Wagenladung deutsche Indie-Prominenz ins Studio gekarrt hatte. "Die Sterne" und vor allem dem meisterhaft instrumentierten Disco-Monster "Der Sommer in die Stadt wird fahren" schadete dieser Umstand nicht, und allmählich kristallisierte sich mit Jan Philipp Janzen und Phillip Tielsch von Urlaub In Polen respektive Von Spar, The-Blood-Arm-Keyboarderin Dyan Valdés und Arrangeur Max Knoth so etwas wie eine Lieblingsbesetzung heraus. Auf "Hallo Euphoria" ist das Weltall also nicht bloß zu zweit, sondern gleich zu fünft, und Die Sterne haben sich ihren Plural endlich wieder verdient. Und nicht nur den.

"Stellt mir einen Clown zur Seite", fordert Spilker zu Beginn – und macht in der Folge zuweilen den Eindruck, als habe er selbst einen gefrühstückt. Siehe hierzu den angesichts von pandemischen Wirrungen, Ukraine-Krieg und Energiekrise nachgerade amüsant optimistischen Titel des 13. Studioalbums, auf dem sich der Frontmann außerdem zu Zeilen wie "Immer neue Dichterfürsten / Immer wieder Distinktion / Prätentiöse Pseudo-Lyrik / Bringt uns nicht die Revolution" hinreißen lässt. Treffsichere Zivilisationskritik oder scheiß Autoreferentialität? Jedenfalls ein aufgekratzter Einstieg, der nicht nur mit infektiösem Upbeat und dezent durchglühender Orgel, sondern auch mit anschwellendem Streicherarrangement einen gleichzeitig preziösen wie zackigen Grundton etabliert. So angestochen wie nötig, so entspannt wie möglich. Und meist ausgesprochen funky.

Denn schnell stellt sich heraus, dass auch Tielsch und Janzen eine so zwingende wie swingende Rhythmusgruppe abgeben, wie es sich für Die Sterne als Bungalow-Version der Hamburger Schule gehört: mehr Sly & The Family Stone als Dinosaur Jr. oder The Fall. Ein von munteren Keyboards durchklingelter Groover wie "Alles was ich will" sitzt dabei genauso drin wie der patzige Minimalkompakt-Rocker "Die Welt wird knusprig" inklusive dezent angewidertem Quasi-Rap – da werden sogar Waldbrände infolge globaler Erwärmung kurz sexy, wenn man über sie singt wie über etwas, das man auf den Grill schmeißt. Wunderbar selbstironisch hingegen, wie der Sänger ausgerechnet im verspielten Protest-Blues "Spilker immer mittendrin" ein entnervtes "Das mit dem Ruhigbleiben muss man auch erst mal hinkriegen" dahinphilosophiert – und danach immer ruppiger wird.

"Gleich hinter Krefeld" geht's los – mit einem elastischen Basslauf nach Vorbild von Blumfelds "Pro Familia", der die west- und ostdeutsche Provinz zur Startrampe für eine kratzbürstige Krautrock-Rakete umfunktioniert. Noch rigider gibt sich der elektronische, von mehrstimmigem Satzgesang aufgelockerte Motorik-Pop des Titelstücks, ehe die Stimmung von "Hallo Euphoria" zusehends kippt. "Niemand kommt unschuldig raus" wäre gern ein verspielter Folksong, kriegt aber immer wieder eins mit der Stromgitarre übergebraten und verhandelt missmutig das gleiche gesellschaftliche Mitgehangen- und Mitgefangensein, das bei Beck seinerzeit "Modern guilt" hieß. "Wir wissen nichts", versichert der Abschluss zu schwermütigen Schluchz-Geigen – aber bloß nicht heulen: Alles wissen ist nicht so wichtig wie das Richtige wollen. Und das tun Die Sterne jederzeit.

(Thomas Pilgrim)

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Highlights

  • Alles was ich will
  • Die Welt wird knusprig
  • Gleich hinter Krefeld
  • Niemand kommt unschuldig raus

Tracklist

  1. Stellt mir einen Clown zur Seite
  2. Alles was ich will
  3. Spilker immer mittendrin
  4. Die Welt wird knusprig
  5. Gleich hinter Krefeld
  6. Hallo Euphoria
  7. Die Kinder brauchen Platz
  8. Niemand kommt unschuldig raus
  9. Ping Pong
  10. Wir wissen nichts

Gesamtspielzeit: 39:07 min.

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(Neueste fünf Beiträge)
User Beitrag

n00k

Postings: 232

Registriert seit 26.01.2021

2023-03-04 00:19:09 Uhr
Die Welt wird knusprig erinnert total an The Magnificent Seven von The Clash.

Gordon Fraser

Postings: 2650

Registriert seit 14.06.2013

2022-12-12 16:37:25 Uhr
Schönes Album, gerade in der ersten Hälfte. Der Titeltrack, "Ping Pong" und "Spilker immer mittendrin" wohl meine Highlights. Mag die aktuelle Phase der Band sehr.

Armin

Plattentests.de-Chef

Postings: 27175

Registriert seit 08.01.2012

2022-09-14 21:23:29 Uhr - Newsbeitrag
Frisch rezensiert.

Meinungen?

Karsten

Postings: 25

Registriert seit 12.11.2013

2022-08-19 10:16:22 Uhr
Witzig, Video gedreht im Plattenladen meines Vertrauens bei Zardoz im Karoviertel. So muss das!

Armin

Plattentests.de-Chef

Postings: 27175

Registriert seit 08.01.2012

2022-08-17 19:01:29 Uhr - Newsbeitrag
Die Sterne - Spilker immer mittendrin

Der Countdown läuft! Am 16.9. erscheint das neue Die Sterne-Album “Hallo Euphoria“ über [PIAS] Germany. Ein Türchen wird jetzt noch vorher geöffnet!

Nach dem großartigen Sommerhit, der Single “Hallo Euphoria“, zu der wir die Puppen haben tanzen lassen folgt jetzt… (Kunstpause.) Endlich. (Kunstpause.) Überraschend: (Trommelwirbel) “Spilker immer mittendrin“.

“Alter ich könnte mich immer so aufregen…." ja klar. Aber worüber regt sich Spilker da eigentlich wieder auf? Greenwashing? Distinktionsgewinn? Und ist der Vortrag nicht alles in Allem viel zu lakonisch, als das sich die Wut auf uns Zuhörer übertragen könnte? Wir erfahren nur wenig darüber ausser: Spilker befindet angeblich mittendrin. Na toll. Geht ja mal wieder gut los hier. Jazzig, melodisch und locker.





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