Marlon Williams - My boy

Dead Oceans / Cargo
VÖ: 09.09.2022
Unsere Bewertung: 8/10
Eure Ø-Bewertung: 9/10

Stop crying your heart out
Es ist vielleicht eine der überraschendsten Albumeröffnungen, seit die Strandpopper von Sugar Ray ihr Album "14:59" mit einer knappen Minute Metal-Geklöppel begannen. Marlon Williams bestückte sein Debüt mit hoffnungsarmem Country-Rock und suhlte sich auf dem wundervollen Zweitling "Make way for love" dann richtig in Selbstmitleid, Trauer und Eifersucht. Das war natürlich viel Gejammer, aber gerade letztgenanntes ist eines dieser Alben, die nur eine Sache machen, aber diese eben besonders gut. Und nun ist das erste, was man auf "My boy" im Titeltrack zu beschwingtem Pop hört: "Dudududududu dudududu, dudu dudu dudu." Dazu führt Williams im zugehörigen Video eine verschmitzte Tanzperformance auf und singt sehnsüchtig in einen Schaufelgriff. "He's all I'm living for / Nothing can touch my boy." Womit auch klar ist, was der Neuseeländer meint, wenn er sich auf diesem dritten Album der Maskulinität in all ihren Facetten widmen will.
Dementsprechend ist "My boy" auch in der Folge Williams' extrovertiertestes Album, wenngleich der angesprochene Opener sicher ein jubilierender Ausreißer ist. Williams scheint hier mehr in verschiedene Rollen zu schlüpfen, anstatt in jedem Song sein Herz auszuschütten. Das im beruhigten Vintage-Sound eingebettete "Morning crystals" schmeißt beispielsweise plötzlich alle Fesseln weg und ruft zu energischen Geklampfe: "Hey, hey / I'm gonna do a spin / Hey, hey / I'm gonna twist and shout." Hat da jemand Selbstironie? Formidabel gelingt zudem "Don't go back", welches den Wechselgesang im Chorus schlagfertig einsetzt. "Don't go back to the party / Everbody thinks they know you." Nicht nur der Rhythmus, auch die Streicher schmecken dezent nach Disco. "Thinking of Nina" könnte derweil glatt ein vergessener herrlicher Synthpop-Klassiker aus den Achtzigern sein, inklusive ohrwurmigem Drama im Refrain.
So verspielt diese elf Songs in Teilen daherkommen, der "alte" Marlon Williams findet sich durchaus an einigen Ecken. "My heart the wormhole" ist jedenfalls allein ein äußerst Williams-typischer Songtitel, wobei das Scheppern der Instrumente aufhorchen lässt. Die fantastische Melodie von "Easy does it" steht denen vom Vorgänger in nichts nach und der Vorwurf "You are an expert in the field of distance" ist als subtiler Beziehungsdiss auch ganz auf der bisherigen Linie. Das folgende "River rival" braucht derweil gar nicht mehr als einen reduzierten Puls und einigen Hall, um eine einnehmende Atmosphäre zu erzeugen. Williams halluziniert, hebt ab. "I can see a light around you / Empty spaces will confine you."
Bei all dieser Abwechslung darf auch ein cheesiges "Soft boys make the grade" als Gegenpol existieren sowie Williams im spärlich bedeckten "Trips" wiederholt "I've just about had it to here with you all" murmeln. Wenn "Promises" die Platte pathetisch, aber ohne Bombast abschließt, verstärkt sich das Gefühl, den Künstler noch besser zu kennen – obwohl "My boy" eigentlich viel mehr ironische Distanz als seine bisherigen Alben auffährt. Was Williams in seinen Musikvideos und Auftritten schon länger zeigt, ist nun auch endgültig in seine Musik hineingeflossen: Er ist vielseitig, charmant und unberechenbar. Und das bei konstant hoher Qualität.
Highlights
- Easy does it
- River rival
- Don't go back
- Thinking of Nina
Tracklist
- My boy
- Easy does it
- River rival
- My heart the wormhole
- Princes walk
- Don't go back
- Soft boys make the grade
- Thinking of Nina
- Morning crystals
- Trips
- Promises
Gesamtspielzeit: 35:32 min.
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(Neueste fünf Beiträge)
User | Beitrag |
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Chris Mars Postings: 200 Registriert seit 13.04.2021 |
2022-09-09 13:47:04 Uhr
Wir kennen diesen tollen und sehr sympathischen Musiker bereits seit Mai 2015, als er mit der australischen Band „Husky“ auf Tour war (im Vorprogramm). Als er damals so alleine auf der Bühne stand, konnte man seine besondere Begabung und Leidenschaft für die Musik 🎶 bereits erkennen. Wir haben uns anschließend wirklich nett mit ihm unterhalten und seine dort erhältliche CD „Live and Pre Recorded at La Niche Melbourne“ gekauft + signieren lassen. Seitdem war er schätzungsweise noch 3-mal als Hauptact auf Tour in Hamburg, wir waren natürlich jedes Mal dort und trafen ihn jew. am Merchandising-Stand.Seine neue Platte wird noch heute gekauft. |
Edrol Postings: 545 Registriert seit 19.10.2018 |
2022-09-09 12:00:02 Uhr
Ich habe diesen Künstler erst durch diese Rezension entdeckt und bin sehr angetan; sowohl vom Vorgänger als auch vom heute erschienenen neuen Album. "Thinking Of Nina" ist auch mein großes Highlight. Mit den 8/10 gehe ich sofort mit. |
Armin Plattentests.de-Chef Postings: 28017 Registriert seit 08.01.2012 |
2022-09-05 20:57:12 Uhr - Newsbeitrag
Frisch rezensiert.Meinungen? |
SoundMax Postings: 276 Registriert seit 19.05.2015 |
2022-08-29 20:51:48 Uhr
Freu mich schon! Thinking of Nina ist ganz stark! |
Felix H Mitglied der Plattentests.de-Chefredaktion Postings: 10364 Registriert seit 26.02.2016 |
2022-08-29 19:49:20 Uhr - Newsbeitrag
Kommt am 9.9., ein paar Singles/Videos sind schon draußen.Deutlich weniger leidend und extrovertierter als der Vorgänger, den ich aber immer noch sehr toll finde. |
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Referenzen
M. Ward; Conor Oberst; Bright Eyes; Aldous Harding; Andrew Bird; Weyes Blood; Perfume Genius; Feist; Devendra Banhart; Patrick Watson; Rufus Wainwright; Nick Drake; Elliott Smith; Daniel Johnston; Roy Orbison; Ricky Nelson; Elvis Presley; Townes Van Zandt; Amy Winehouse; The Irrepressibles; Nick Cave & The Bad Seeds; Antony & The Johnsons; Sufjan Stevens; Monsters Of Folk; The Tallest Man On Earth; Calexico; Beck; Damien Jurado; My Morning Jacket; Okkervil River; Lambchop; Iron & Wine; Passenger; Sun Kil Moon; Father John Misty
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