Ashenspire - Hostile architecture

Aural / Code666
VÖ: 15.07.2022
Unsere Bewertung: 8/10
Eure Ø-Bewertung: 6/10

Lärm gegen Architektur
Einordnungen, so wichtig: "Ashenspire ist eine Avantgarde-Black-Metal-Band aus Glasgow, Schottland." Sagen sie selbst und es entspricht schon der Realität. Wahr ist ist aber auch, dass diese Zuordnung falscher nicht sein könnte, beziehungsweise nur einen Bruchteil dessen abbildet, was diese Band kann, und auf eine völlig falsche Fährte führt, falls jemand von dort auf den potenziellen Sound schließt. Darüber hinaus bezeichnen sich Ashenspire als RABM ("Red and anarchist black metal"), also der linken Seite zugehörig. Thematisch untermauert das Kollektiv dies mit einem Album, bei dem nicht nur schönstes Plattenbaugrau das Cover ziert, sondern auch die Texte sich unter anderem mit den Verwerfungen lebensfeindlicher Bauweise befasst. Tristesse in Glasgows Wohnsiedlungen kommnt genauso zur Sprache, wie die Tragödie um den Grenfell-Tower oder Anti-Obdachlosen-Architektur. Darüber hinaus befassen sie sich beispielsweise mit Misogynie und toxischer Maskulität. Viel politische Aufladung also, die sicher nicht überall gut ankommt, erst recht bei den Puristen des eingangs genannten Genres.
Dazu dieser Sound: "Hostile architecture" mag zwar, wie schon das Debüt "Speak not of the laudanum quandary", Strukturen des Black Metal verwenden, dessen Kargheit jedoch kontern sie komplett aus. Rein von dem, was die Schotten hier abfeuern, wäre eine irgendwie geartete Spielart des Jazzmetal vermutlich angemessener. Dazu ist Alasdair Dunn, welcher hier eine Art Sprechgesang beisteuert, keinesfalls keifend-kreischend unterwegs, sondern klar und deutlich zu vernehmen. Ashenspire haben schließlich eine Message und wollen auch, dass diese verstanden wird. Seit jeher sind Geigen eines der markanten Elemente im Sound der Band, mit dem neuen Werk bekommt nun auch das Saxofon eine zentrale Bedeutung und wertet alles zusätzlich auf. Schon im Opener "The law of asbestos" liefen sich die beiden zunächst ein kurzes, melancholisches Stelldichein, ehe der Track unter wütenden Shouts von Dunn voranprescht. Durch die teils gesprochene Vortragsweise seiner Stimme verweisen Ashenspire zusammen mit dem Jazzsound noch auf eine zunächst recht ungewöhnliche Referenz: Sie klingen nicht nur in "Plattenbau Persephone praxis" nach einer harten Variante der spannendsten Experimental-Rockbands der letzten Jahre: Black Country, New Road.
Ähnlich dem ebenfalls als Referenz dienendem Kollegen von Panopticon zelebrieren Ashenspire hier unter Zuhilfenahme klassischer Instrumente eine ausgebreitete Soundlandschaft, die in all ihrer Heftigkeit, in all ihrem Lärm, dieser Anstrengung, diesen schweren Themen gleichzeitig eine unglaubliche Schönheit ausstrahlt. Beispielsweise im instrumentalen Dreiminüter "Palimpsest", welches in "Cable street again" mündet, dem großen, knapp zehnminütigem Finale. Hier holen Ashenspire noch einmal alles heraus und gehen an ihre Grenzen – zwischenzeitliche Ausläufer, nach denen das Feuer umso radikaler brennt, inklusive. Gelingt ein Einlassen, ist "Hostile architecture" eines dieser Meisterwerke, welches noch sehr lange Nachhallen wird. Es ist nicht weniger als ein musikalisches und lyrisches Manifest.
Highlights
- The law of asbestos
- Plattenbau Persephone praxis
- Cable street again
Tracklist
- The law of asbestos
- Béton brut
- Plattenbau Persephone praxis
- How the mighty have vision
- Tragic heroin
- Apathy as arsenic lethargy as lead
- Palimpsest
- Cable street again
Gesamtspielzeit: 44:02 min.
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(Neueste fünf Beiträge)
User | Beitrag |
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nagolny Postings: 1636 Registriert seit 06.11.2022 |
2023-07-28 00:59:06 Uhr
Großartiges Konzeptalbum; hat für mich ein stark cinematisches Element, erinnernd an "Metropolis", aber moderner und bedrückender, mehr wie eine Brecht-Inszenierung.Komplett auf Bandcamp.com: https://ashenspire.bandcamp.com/album/hostile-architecture |
Bonzo Postings: 3285 Registriert seit 13.06.2013 |
2023-04-05 16:42:03 Uhr
Hoffentlich sind die Live scheiße, ansonsten ärgere ich mich. :D |
Bonzo Postings: 3285 Registriert seit 13.06.2013 |
2023-04-05 16:37:42 Uhr
Spotify-Algorythmus enttäuscht nicht. The Law of Asbestos ist Wahnsinn. |
Oceantoolhead Postings: 2309 Registriert seit 22.09.2014 |
2022-12-24 01:58:45 Uhr
„Bisschen die Albtraum-Version von Black country, new road.“Die Assoziation habe ich auch oft beim hören. Starkes Album das vorm fulminanten Schlusstrack kurz etwas nachlässt. Unglaublich was da grade aus Großbritannien und Irland kommt. Schade nur das all diese Bands, trotz stetig wachsender Followerschaft, kaum Beachtung in den Mainstream Medien (Radio ect ) bekommen. Aufgrund der abgefahren Musik aber auch wieder sehr logisch. |
The MACHINA of God User und Moderator Postings: 34413 Registriert seit 07.06.2013 |
2022-12-23 18:02:28 Uhr
Perfekt zur Lektüre von "Trainspotting" und den Romanen drumherum. Alles abgefuckt. Nice. Bisschen die Albtraum-Version von Black country, new road. :D |
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Referenzen
Nopticon; Imperial Triumphant; Colin Stetson; Ex Eye; Chat Pile; A Forest Of Stars; We Came From The North; Neptunian Maximalism; Deafheaven; Alcest; Wolves In The Throne Room; Luminous Vault; Aeviterne; Phaze I; In Human Form; Iskra; Tómarúm; Krallice; Liturgy; Murmüüre; Oranssi Pazuzu; Black Country, New Road
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- Ashenspire - Hostile architecture (12 Beiträge / Letzter am 28.07.2023 - 00:59 Uhr)