Joseh - These days
Superlaut / Edel
VÖ: 12.08.2022
Unsere Bewertung: 7/10
Eure Ø-Bewertung: 8/10
Durchhalteparolen mit Harfe
Manchmal ist es schwierig oder geradezu unmöglich, mit seiner Kunst gegen eine ignorante, wegschauende Öffentlichkeit anzukommen. Bestimmt kann auch Joseh ein Lied davon singen: Der Hamburger Songwriter mit philippinischen Wurzeln, bürgerlich Joseph Hanopol, flog außerhalb der Hansestadt bislang unter dem Radar, "These days" ist bereits sein viertes Album. Der oft gediegene, dann wieder pompös arrangierte und pop-rockende Indie-Folk, den er im Köcher hat, hat jedoch zweifellos mehr Aufmerksamkeit verdient. Und das nicht nur, weil immer wieder eine – richtig gehört – Harfe den zärtlichen Ton angibt. Im Titeltrack beklagt Joseh zunächst die harten Zeiten, in denen die Selbstliebe immer schwieriger aufrechtzuerhalten ist, macht dabei aber einen auf gut gelaunten Achtziger-Springsteen. Harfenistin Uli zieht ihr Instrument dazu durch den Verstärker und lässt sie wie ein Rock'n'Roll-Piano tanzen. Böser Ohrwurm, großartiger Einstieg. Im Folgenden liefert Joseh dann selbst Lösungsvorschläge für das im Opener beschriebene Problem mit der Selbstliebe in diesen Tagen.
Alle Stücke provozieren nämlich ein riesengroßes "Aww", und hinterher mag man sich selbst und die Welt direkt ein kleines Stückchen mehr: Famose Pop-Hits wie die Aufheiterungshymne "Little heart" zum Beispiel, in der sich elektronisches Fundament und asiatisch anmutende Harfe die Hände reichen, zeugen von den hochgesteckten Ambitionen des Künstlers: "You're still doing time for your yesteryear's crimes." "Skin and bones" rockt sich fröhlich-psychedelisch durch die Siebziger, während "Guilt" einen melancholischen Chor auffährt und "See me go" eine wahnwitzige Streicheruntermalung spendiert bekommt. Wäre "Happy man" hingegen vor 15 Jahren veröffentlicht worden, man hätte seitdem bestimmt unzählige schwermütige Szenen in Fernsehserien damit untermalt. Auch wenn sich die breit aufgestellte Begleitband gelegentlich zurückhält: Simple, aber kreative Melodiebögen, getragen von Josehs kratziger und markanter Stimme – mehr braucht es hier oft nicht.
Im weiteren Verlauf driftet "These days" immer mehr in Easy-Listening-artigen Soul ab, den man böswillig auch als Kuschelrock bezeichnen könnte, bis Joseh vollends mittendrin liegt und es sich dort so richtig schön gemütlich macht. "Half across the world" kratzt mit seinen sanften Bläsern in diesem Sinne beinahe am Kitsch, ist dann aber wieder so herzallerliebst, dass selbst gestählteste Hörer*innen schwach werden. "I resist" bräuchte anschließend neben seinem Gniedelsolo eigentlich nur noch ein Saxofon, und der Closer "Dreams do come true" zieht zu sanftem Gezupfe die Vorhänge zu, während mehr als nur eine Flasche Rotwein bereitsteht. Es wird eine milde und entspannte Nacht werden. Und am Morgen danach ist Joseh vielleicht endlich so berühmt, wie es diesen zwölf Songs gebührt, die mit ihrer Einfachheit und Eindeutigkeit überzeugen, ohne zu Kalendersprüchen zu werden. Auch außerhalb der Mauern Hamburgs und nicht bloß wegen der Harfe.
Highlights
- These days
- Little heart
- Happy man
- Half across the world
Tracklist
- These days
- Little heart
- High wall
- Hold me
- Skin and bones
- Guilt
- Happy man
- Break it off
- See me go
- Half across the world
- I resist
- Dreams do come true
Gesamtspielzeit: 35:24 min.
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Referenzen
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