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Bryde - Still

Bryde- Still

Ferryhouse / Rough Trade
VÖ: 15.07.2022

Unsere Bewertung: 7/10

Eure Ø-Bewertung: 8/10

Über die Unruhe (Sanft)

Manchmal muss es einfach raus. Brydes "Like an island" war so ein Moment auf Tonträger gebannter Katharsis, in dem sich Sarah Howells eruptiv den Frust von der Seele schrie. Damals erschienen die lauten Gitarren noch wie eine Abkehr von den Folk-Koordinaten, innerhalb derer sich Howells als Teil des Duos Paper Aeroplanes bewegte – jetzt wissen wir, dass sie eher nur ein Ausreißer waren. Der Nachfolger "The volume of things" bettete sich wieder zwischen sanfteren Saiten, wo auch die dritte Solo-Platte "Still" ihren Platz gefunden hat. Gute-Laune-Musik macht die Waliserin zwar immer noch nicht gerade, doch artikuliert sie ihre Ängste, Zweifel und Schmerzen mittels eines introvertierten Indie-Pops, dem man aufs oberflächliche erste Ohr emotionales Flachland unterstellen kann.

Blöd ist das nur für die Leute, die in ihrer festgefahrenen Erwartungshaltung nichts anderes als ein zweites "Like an island" akzeptieren können und hier deshalb nicht genau hinhören wollen. "Still" mag keine Erdbeben auslösen, zeigt aber genug innere Risse auf, um sich nicht sofort durchschauen zu lassen. Eher entschleunigt als aufgewühlt singt Bryde von großen metaphysischen Themen und kleinen Beziehungen, ohne bei banalen Wahr- oder Weisheiten anzukommen. Ihr Songwriting und ihre Stimme packen auch im ruhigeren, eingängigeren Kontext zu – das beweist direkt der Opener "Algorithms (Cyber)", wenn er auf zuckrigen Riffs einem Refrain entgegen gleitet, der einen fast unbemerkt langsam umschlingt.

Ein bisschen prätentiös wirken die Klammerergänzungen, die fast jeder Songtitel spendiert bekommt, doch die tatsächliche Musik könnte bodenständiger kaum sein. So schüchtern, wie sich "Silver suns (Divine)" an sein verspieltes Keyboard-Pattern klammert, mag man nicht glauben, dass es dort um eine Art "göttlicher Liebe" gehen soll. Ähnlich existenzialistische Gedanken prägen den Roadtrip von "State we're in (Self)", dessen dringlich gezupfte Spannung sich erst in einem melodischen Break entlädt, ehe Bryde "Yeah-hey"-Chöre wieder cool zu machen versucht – nicht ganz erfolgreich, aber gerade deshalb sympathisch. Der famose Fast-Titeltrack "Still (Shadow)" schickt derweil wieder mehr Strom durch die Gitarre, während er "I'm still breathing" über den düster-atemlosen Beat versichert.

Zaghaft umkreist der Song die Daughter-esken Gefühlsabgründe, in die sich das Herzstück "Backless dress (Chemical)" kopfüber hineinstürzt. "It's a tightrope", singt Bryde da und versucht, von Drums, verzerrten Saiten und ihrem eigenen Echo eingeengt das Gleichgewicht zu halten. Den befreiten Gegenpart dazu spielt "Conversations (Conditional)" – ein verkappter Synthpop-Hit mit entzückender Hook und einer am Klavier geseufzten Bridge: "Telling everybody how I met somebody and that body didn't want me back." Die seit über 20 Jahren aktive Musikerin fühlt sich im Licht wie im Schatten gleichermaßen wohl und bleibt auch standfest, wenn "Headlong (Cosmic)" einen Schwarm Streicher im Hintergrund davonfliegen lässt.

Das zehn Sekunden lang ein reduziertes Akustiklied antäuschende "Dancing in the middle (Romantic)" und der "Epilogue" – der zumindest zeilenweise aus Sicht einer Toten getextet sein könnte – zeigen indes, dass Crescendi auf "Still" weiterhin Bedeutung tragen, auch wenn sie intimer und weniger krachig ausfallen als früher. Wer das Understatement des Albums als belanglos abtut, ist selbst schuld, denn bei Bryde ist immer alles von Belang. Sie muss bloß nicht mehr vor trostlosen Panoramen Stürme beschwören, um ihren seelischen Unruhen eine Sprache zu geben. Manchmal muss es einfach raus, aber manchmal reicht es auch, mit bequemen Socken vor dem sonnigen Fenster zu liegen und die Gedanken kreisen zu lassen.

(Marvin Tyczkowski)

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Highlights

  • Backless dress (Chemical)
  • Conversations (Conditional)
  • Still (Shadow)

Tracklist

  1. Algorithms (Cyber)
  2. Silver suns (Divine)
  3. Hill I'm dying on (Unrequited)
  4. State we're in (Self)
  5. Backless dress (Chemical)
  6. Dancing in the middle (Romantic)
  7. Conversations (Chemical)
  8. Headlong (Cosmic)
  9. Still (Shadow)
  10. Epilogue

Gesamtspielzeit: 34:59 min.

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User Beitrag

Plattentests.de-Sammelaccount

Postings: 32

Registriert seit 19.07.2022

2022-07-20 21:08:55 Uhr - Newsbeitrag
Frisch rezensiert.

Meinungen?

Cayit

Postings: 204

Registriert seit 05.05.2014

2022-07-16 10:50:10 Uhr
Album ist gut geworden, der vorgänger hatte die schnelleren uptempo songs...
Dieses hier ist mehr Meloncholischer und ruhiger.
Trotzdem wieder mal sehr guter Indie Rock.

Sick

Postings: 261

Registriert seit 14.06.2013

2022-07-15 21:34:51 Uhr
Sehr schönes Album. Gefällt mir besser als der Vorgänger. Erstes Highlights sind "Hill I'm Dying On" und "Still".

Armin

Plattentests.de-Chef

Postings: 25189

Registriert seit 08.01.2012

2022-05-20 12:54:47 Uhr - Newsbeitrag

Armin

Plattentests.de-Chef

Postings: 25189

Registriert seit 08.01.2012

2022-03-04 19:37:22 Uhr - Newsbeitrag
Bryde teilt den Titelsong ihres kommenden Albums Still
(VÖ: 15. Juli 2022) via Ferryhouse

++ Neue Single "Still (shadow)" hier anhören ++

Mit “Still (shadow)” hat die walisische Indie-Rock-Künstlerin Bryde aka Sarah Howells heute den Titelsong ihres neuen Albums Still veröffentlicht, das 15. Juli bei Ferryhouse / Easy Life Records erscheint. Auf die vorige Singleauskopplung “Silver Suns (divine)” folgend, handelt die neue Single “Still (shadow)” davon, die Kluft zwischen Bewusstsein und Unterbewusstsein zu verkleinern und sich mit Schatten seiner selbst anzufreunden, sich dem Unbekannten hinzugeben und über die Unermesslichkeit des Universums nachzudenken.

“STILL (SHADOW)” (Official Video)

Bryde – das ist Sarah Howells. Eine Frau und ihre elektrische Gitarre, die wilde und zarte Songs spielt. Ihre Musik wechselt von unnachgiebig zu verletzlich innerhalb von Strophe und Refrain. Dabei entstehen Botschaften, die lebensbejahend und trotzig zugleich sind. Fasziniert von der Psyche von Menschen und den Dynamiken zwischen ihnen, schafft Bryde ehrliche und furchtlos authentische Lieder, die als „verworren und entblößend“ gleichzeitig beschrieben wurden.

Howells macht seit über 20 Jahren Musik. Sie hat die Uni geschwänzt, um mit ihrer High-School-Rockband auf einem in einen rostigen Transit gequetschten alten Sofa durch das Vereinigte Königreich zu touren. Aufgewachsen im Grunge der 90er und Emo der 00er-Jahre und kurz vor der Unterschrift eines Plattenvertrags, geriet die Welt der vier eng befreundeten Musiker ins Wanken, als bei Bassistin und Gründungsmitglied Nia Leukämie diagnostiziert wurde. Nach einem 18-monatigen Kampf mit der Krankheit starb Nia auf tragische Weise und die Band löste sich auf.




Der Verlust ihrer Freundin und ein Umzug von Milford Haven nach Cardiff führten dazu, dass sich Howells' Musikgeschmack vom Power-Pop ihrer Jugend zum introspektiven Emo-Folk als Teil des Duos Paper Aeroplanes entwickelte. Sie tauschte die E-Gitarre gegen die akustische Variante. Paper Aeroplanes tourten ausgiebig durch Großbritannien und Deutschland, verkauften Venues wie die legendäre Union Chapel und die Hamburger Prinzenbar aus, spielten auf dem SXSW und veröffentlichten drei Alben in Eigenregie und ließen ein Majorlabel nach dem anderen abblitzen.

Während einer Bandpause im Jahr 2016 sah Sarahs Bedürfnis weiter zu kreieren und sich wieder mit der E-Gitarre zu vereinen - dies war der Beginn ihres Solo-Projekts Bryde, das von der Sunday Times mit "wilde Gitarre...sensationell" beschrieben wurde.

Mit ihrem Debütalbum Like an Island wurde Bryde 2018 für den Welsh Music Prize nominiert, tourte durch Europa und zierte die Bühnen von Festivals wie Latitude, Boardmasters und Live at Leeds. Es war eine Platte über Emanzipation und das Lernen, wieder allein zu existieren.

Was folgte, war ihr zweites Album The Volume of Things (2020), geschrieben und aufgenommen zwischen London und den Studios verschiedener Freunde in Berlin und produziert von Thomas Mitchener (Frank Carter & The Rattlesnakes, The Futureheads). Das Album wurde während der ersten Phase der Pandemie veröffentlicht und handelte von der Bombardierung des modernen Lebens, der Lawine von Nachrichten, Mitteilungen, Ratschlägen und Ideen, zu denen wir jeden Tag Zugang haben, und dem Versuch, aus dem weißen Rauschen einen Sinn herauszufiltern.

Spiritualität, Liebe, Religion, Heilung und die Macht des Geistes sind Themen, die sich schon seit Jahren durch Brydes Musik ziehen, aber jetzt, im Jahr 2022, scheinen sie relevanter denn je.

Brydes neues Album Still erscheint am 15. Juli 2022 bei Ferryhouse als LP, CD sowie digital und kann hier vorbestellt werden:
https://orcd.co/brydestill



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