Dawes - Misadventures of doomscroller
Rounder / Universal
VÖ: 22.07.2022
Unsere Bewertung: 8/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10
Menschen, die auf Bildschirme starren
"We're all gonna die" hieß ein Album von Dawes, das 2016 erschien. Wenngleich die Grundaussage zwangsläufig auf jeden von uns tatsächlich irgendwann zutrifft, hat die 2005 gegründete Band den Widerständen des Lebens bis dato resolut getrotzt, und sie zeigt sich mit Studiowerk Nummer sechs quicklebendig. Mit gerade einmal sieben Songs, die auf "Misadventures of doomscroller" zusammen knapp mehr als eine Dreiviertelstunde ergeben, setzen die US-Amerikaner diesmal auf die große Geste. Ausufernd, abwechslungsreich und stets auf der Suche nach neuen Ideen: Dawes erweisen sich im zweiten Bandjahrzehnt als echte Kreativzelle.
Die vier Musiker um das Brüderpaar Taylor und Griffin Goldsmith wählen einen funkig-beschwingten Einstieg im furiosen Opener "Someone else's cafe / Doomscroller tries to relax", der gleich mal mit Schwung die Neun-Minuten-Marke reißt. Ihren Ansatz, sich keine künstlichen respektive künstlerischen Grenzen zu setzen, leben sie hier mit Verve aus. Nach grandiosem Zwischenpart wechselt das Ganze zu einem psychedelischen Rocktrip, bevor sich noch Pianoklänge hinzugesellen und Sänger Taylor Goldsmith gekonnt in höhere Tonlagen abzweigt. Spätestens mit dem zweiten Song packen sie dann endgültig zu: In "Comes in waves" übernimmt die Basslinie das Kommando, die Nummer groovt herrlich vor sich hin. Ein intimer, zurückhaltender Moment sorgt für eine kurze Pause, bevor die Band die Angelegenheit versiert zum Ende führt. Was für ein Start!
In der Folge wird es nicht schlechter. "Everything is permanent" kommt zunächst im Vergleich zu den ersten Stücken geradliniger daher, schlägt nach einem Gitarrensolo aber mit einem Mal eine ausschweifendere Richtung ein und führt die Hörerschaft das eine oder andere musikalische Jahrzehnt zurück in die Vergangenheit. Dawes mag das Etikett Folkrock anhängen, doch auf "Misadventures of doomscroller" probieren sie mehr als je zuvor auch andere Stilarten mit Freude aus. Nicht zu überhören ist der jazzige Ansatz, beispielsweise in "Ghost in the machine". Und dann ist da noch der überaus gelungene Abschluss: "Sound that no one made / Doomscroller sunrise" schließt nicht nur im Titel die Klammer um das Album, sondern trägt die Sache souverän zu einem starken Ende.
"Doomscrolling" beschreibt übrigens den Vorgang, fortwährend schlechte Nachrichten aus dem Internet aufzusaugen und dabei den Blick für die Realität zu verlieren. Dawes hingegen schauen glücklicherweise neugierig in alle Richtungen und haben sich auf "Misadventures of doomscroller" zu einem Höhepunkt ihres bisherigen Schaffens aufgeschwungen. Sich selbst haben sie allerdings auch eine schwere Aufgabe ins Nest gelegt: Die neuen Songs dürften live nicht in jedem Fall einfach zu spielen sein, aber überaus spannende Momente für das Publikum bereithalten – noch weiter ausufernde Experimente sind dabei sicherlich nicht ausgeschlossen.
Highlights
- Someone else's cafe / Doomscroller tries to relax
- Comes in waves
- Sound that no one made / Doomscroller sunrise
Tracklist
- Someone else's cafe / Doomscroller tries to relax
- Comes in waves
- Everything is permanent
- Ghost in the machine
- Joke in there somewhere
- Joke in there somewhere (outro)
- Sound that no one made / Doomscroller sunrise
Gesamtspielzeit: 46:06 min.
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(Neueste fünf Beiträge)
User | Beitrag |
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Grizzly Adams Postings: 5265 Registriert seit 22.08.2019 |
2022-07-13 16:57:42 Uhr
Hab in der Vergangenheit zwei oder drei Dawes-Alben probiert. Geschmeckt hat mir keines so recht. Das könnte sich mit diesem ändern. Die Vorabsongs gefallen. Bin da mindestens bei einer 7/10 |
maxlivno Postings: 2830 Registriert seit 25.05.2017 |
2022-07-12 23:04:34 Uhr
Huch, das ist aber eine sehr überraschende 8. Ich mochte "All Your Favorite Band" damals und höre "Things Happen" immer mal wieder, aber alles danach hat mich sehr kalt gelassen. Habe in die 4 Singles (gleichzeitig die ersten 4 Songs) reingehört und das klingt teilweise wie eine andere Band, wenn nicht die Stimme wäre. Ich bin wirklich positiv überrascht und hätte nicht gedacht, dass ich mal Vorfreude auf ein neues Dawes Album empfinden würde |
Armin Plattentests.de-Chef Postings: 27190 Registriert seit 08.01.2012 |
2022-07-12 21:35:51 Uhr - Newsbeitrag
Frisch rezensiert.Meinungen? |
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Referenzen
Conor Oberst; Conor Oberst And The Mystic Valley Band; Bright Eyes; The New Basement Tapes; Tweedy; Wilco; Eagles; Jackson Browne; Warren Zevon; Langhorne Slim; The Avett Brothers; The Low Anthem; Deer Tick; Father John Misty; Simone Felice; The Felice Brothers; Gary Louris; Mark Olson; The Jayhawks; The Creekdippers; Monsters Of Folk; The Decemberists; The Head And The Heart; Iron & Wine; American Music Club; Woody Guthrie; Bob Dylan; John Mellencamp; Jeff Beck; Neil Young; Crosby, Stills, Nash & Young; My Morning Jacket; Ray LaMontagne; Dylan LeBlanc; James Vincent McMorrow; Jonathan Wilson; Kings Of Leon; Gram Parsons; The Byrds; Counting Crows; Dire Straits; Pearl Jam
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