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Tvivler - Kilogram

Tvivler- Kilogram

Fysisk Format / Cargo
VÖ: 27.05.2022

Unsere Bewertung: 7/10

Eure Ø-Bewertung: 9/10

Faul im Staate

Im Zweifel für den Zweifel? Was schon Tocotronic auf "Schall & Wahn" feststellten, propagieren auch Tvivler aus Kopenhagen. Falls sich jemand fragen sollte, was der Bandname bedeutet. Ihr zweites Album nach dem bereits ziemlich rabiat zutretenden Debüt "Ego" wiegt nicht nur im Titel mehr als doppelt so schwer wie Nachbars Lumpi. Allein darum, weil es sich das Quartett um den wutentbrannt belfernden Frontmann Thomas Burø auf "Kilogram" erneut nicht nehmen lässt, sämtliche Texte in seiner Muttersprache zu verfassen. Aber auch musikalisch haben sich die Dänen allerlei draufgeschafft: Blieben ihre punkigen Song-Granaten bisher meist unter der Drei-Minuten-Marke, platzen sie nun in deutlich großzügigerer Spielzeit vor direkt auf die Kauleiste zielenden Brummern aus Post-Hardcore und Noise-Rock und drehen sogar gelegentlich eine latent jazzige Ehrenrunde.

Und das, obwohl hier außer der Band nichts und niemandem irgendeine Ehre gebührt. Weder stramm rechten Arschlöchern und neoliberalen Kapitalisten noch allen sonstigen Existenzen, die sich längst als Menschen disqualifiziert haben. Dabei geben Tvivler als dialektisch geschulte Zeitgenossen allerdings mitnichten stumpfe "Kracht kaputt, was Euch kaputt macht"-Parolen aus, sondern drehen den Spieß in ihren atemlos ausgestoßenen Traktaten oft listig um. Ihr wisst schon: "Eins zu eins ist jetzt vorbei" und so was. Dass dieses Album mit dem Post-Punk-Poeten Michael Strunge beginnt und mit dem umstrittenen Pragmatisten Richard Rorty endet, zeigt zudem, dass Tvivler ihre literarischen und philosophischen Pappenheimer kennen – auch wenn es diesen mutmaßlich nicht immer passen würde, was der Vierer von sich gibt. Musikalisch sowieso nicht.

Hier knirscht es nämlich selbst in einem vergleichsweise eingängigen Hardcore-Brocken wie "Dagdrømmer" wie nichts Gutes, wenn die spitzen Riffs das Stück zerteilen und Burø über verkompliziertem Schlagzeug die Verfechter überkommener Wertvorstellungen anbrüllt, was das Video köstlich in eine Extrem-Staubsaug-Session umdeutet. Eher Alb- als Tagtraum hingegen: der ruinös hackende Brutalo-Groover "Der er for få borgerlige i det her land", der sarkastisch die angeblich allzu geringe Anzahl Konservativer beklagt und immer mitdenkt, dass die Einwanderung ablehnende Partei "Nye Borgerlige" noch nicht einmal das rechteste Sammelbecken im Staate Dänemark ist. Dazu setzt es sehr explizite Zeilen über sehr schweinigelige Kopulationsfantasien sowie den Satz "Welt, Dein Name ist Chaos." Und über Sex kann man nicht nur auf Englisch singen.

Genauso wie über den imaginären Schwanzvergleich mit dem unter mysteriösen Umständen verstorbenen, islamkritischen Dichter Yahya Hassan im Noise-Brett "Ex-medlem af menneskeheden", das den meisten Zweibeinern die Menschlichkeit abspricht. Wie zuvor den "Mænd der hader dyr", einem rollenden NoMeansNo-Surrogat über oder vielmehr gegen alle, die Tiere hassen. Was man als Statement für Veganismus, aber auch als existenzialistische Metapher verstehen kann – Dänisch müsste man können. Wenigstens reicht es noch für die Erkenntnis, dass Burø im kurzen, aber destruktiven "Jeg bor her jo bare" mit einem "Ich wohne nur hier" kaum mehr etwas ausrichten kann, nachdem Tvivler zum vernichtenden Speed-Finale die ganze Bude dem Erdboden gleichgemacht haben. Da gibt's nur eins: wieder aufbauen und noch einmal von vorne anfangen. Zweifelsfrei.

(Thomas Pilgrim)

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Highlights

  • Dagdrømmer
  • Der er for få borgerlige i det her land
  • Ex-medlem af menneskeheden

Tracklist

  1. Michael Strunge som neoliberal
  2. Dagdrømmer
  3. Der er for få borgerlige i det her land
  4. Mænd der hader dyr
  5. År 529
  6. Ex-medlem af menneskeheden
  7. Jeg bor her jo bare
  8. Livsform på tvangsauktion
  9. Richard Rorty på klinikken

Gesamtspielzeit: 35:16 min.

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(Neueste fünf Beiträge)
User Beitrag

tjsifi

Postings: 786

Registriert seit 22.09.2015

2022-07-13 15:36:13 Uhr
Schönes Brett! Produktion gefällt mir unglablich gut, präsent aber furztrocken.

Yndi

Postings: 316

Registriert seit 23.01.2017

2022-06-24 14:25:56 Uhr
Denmark's finest! Ich hab die mal vor Dillinger Escape Plan in Odense gesehen, war auch live ein ziemlicher Abriss. Die Hardcore Punk Brecher des Vorgängers fand ich ja schon richtig gut, aber da waren auch ein paar schwache Songs bei. Der Noiserock steht ihnen mindestens genau so gut und das Album hat alles, was ich mir von der Musik wünsche. Gute 8/10 bei mir.

Armin

Plattentests.de-Chef

Postings: 26212

Registriert seit 08.01.2012

2022-06-24 11:44:34 Uhr - Newsbeitrag
Frisch rezensiert.

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