John Lemke - Thawlines

Denovali / Cargo
VÖ: 27.05.2022
Unsere Bewertung: 7/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10

Himmelsflackern
Wenn Künstler nach längerer Pause neue Alben veröffentlichen, ist die Frage nach der Weiterentwicklung nicht weit. Denn wenn Zeit vergangen ist, muss sie ja auch irgendwie genutzt worden sein. Der Brite John Lemke hat die Zeit seit "Nomad frequencies", seinem fantastischen zweiten Album, auf jeden Fall sinnvoll genutzt. Sein neues Werk "Thawlines" greift Elemente des Vorgängers auf und fügt viel Neues hinzu. Dabei fällt vor allem auf, dass Lemke die Fühler noch mehr in Richtung klassischer Musik ausstreckt. Seine Tracks weisen Spannungsbögen auf, die nicht selten an die großer Soundtrackkompositionen eines Hans Zimmer oder Vangelis erinnern. So nimmt beispielsweise der Opener "Overture (Of futures past)" einige dramatische Wendungen, ehe er einem verträumten Ende entgegendriftet. Streicher, Synthesizer und Samples bilden einen dichten Klangteppich, auf dem es sich gut schweben lässt.
Wie der Titel des Albums nahelegt, suchte Lemke Inspiration im Winter, genauer gesagt im eisigen Norden Finnlands. Die Kälte klarer Nächte schimmert durch seine Kompositionen. Wenn die Sonne sowieso nicht aufgeht, kann man es sich auch vor dem Kamin gemütlich machen und die Gedanken treiben lassen. Immer wieder treten auch Post-Rock-Einflüsse hervor, allen voran in dem treffend betitelten "Haunter" und dem vertrackten "Apparition", das mit seinen komplexen Rhythmen Vergleiche zu Bands wie Tortoise nahelegt. Insgesamt geht es auf "Thawlines" jedoch ruhig zu. In Tracks wie "Mirage" lässt sich Lemke viel Zeit. Lang ausklingende Akkorde verhallen, während kunstvoll eingesetzte Effekte wie Neuschnee über der Musik flirren. Lemke ist ein Mann für die Details. Seine Arrangements kommen mit dem minimalen Tonvorrat aus und erreichen dadurch nicht selten maximale Wirkung.
Wunderschön ist etwa "It comes apart", das mit einer wehmütigen Melodie beginnt, bevor nach ungefähr zwei Minuten die Zügel angezogen werden. Immer dramatischer wird die Musik, bis sich alles in zarte Melancholie auflöst. Überhaupt, die Melancholie. Sie ist allgegenwärtig in der Musik des Engländers. Sie erzählt ganz ohne Worte Geschichten von der Einsamkeit. Es geht hier nicht um Eskapismus, sondern um Innerlichkeit. Wenn in "Halo" die Geigen von düsteren Zeiten künden, bleibt nur die Besinnung auf die wesentlichen Dinge. Die Klarheit, mit der Lemke musikalische Ideen kommuniziert, hinterlässt bleibenden Eindruck. Der Weg führt am Ende ins Licht – und wenn es nur das grüne Flackern der "Aurora" ist.
Highlights
- Overture (Of futures past)
- It comes apart
- Haunter
- Halo
Tracklist
- Overture (Of futures past)
- It comes apart
- Haunter
- Mirage
- Halo
- Frontier
- Apparition
- Wild wood
- Aurora
Gesamtspielzeit: 43:40 min.
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Referenzen
Vangelis; Hans Zimmer; Wisp; Aphex Twin; Petrels; Hydras Dream; Burial; Four Tet; Hecq; John Cage; Mike Oldfield; Philip Glass; The Octopus Project; Arvo Pärt; Max Richter; Mouse On Mars; Autechre; Deru; Ex Confusion; Orcas; Diamat; Jean-Michel Jarre; Tortoise; Grouper; The Chemical Brothers; Squarepusher; UNKLE; The Notwist; Phantom/Ghost; Tangerine Dream; To Rococo Rot; Schneider TM; DJ Koze; Bonobo; Kreidler; Tarwater; Kraftwerk; Mark Bell
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