Drive-By Truckers - Welcome 2 Club XIII
ATO / PIAS / Rough Trade
VÖ: 03.06.2022
Unsere Bewertung: 7/10
Eure Ø-Bewertung: 9/10
Rastplatz mit Aussicht
Immer und immer wieder die Straße. "Used to go out driving, sometimes late into the night / Trying to make sense of the pieces of my life." Als die Umgebung zur Silhouette verschwimmt und in den Hintergrund tritt, geht erst die wirkliche Reise los. Situationen und Szenen aus der Vergangenheit tauchen vor dem inneren Auge auf, scheinbar banale Beobachtungen, die weit zurück liegen, gelangen an die Oberfläche. "That rare day when we just turned the music off / And let the wide-open vistas fill our minds." Unterbrochen wird der klaustrophobische Bewusstseinsstrom nur von Schaefer Llana, die Patterson Hoods Sprechgesang über einem grummelnden Gitarrenriff mehrmals für kurze Zeit unterbricht. Sieben Minuten lang mäandert "The driver" so vor sich hin – und zieht einen förmlich hinein in diese Platte, mit der Hood und sein Kumpane Mike Cooley den Blick in den Rückspiegel wagen. Drive-By Trickers haben sich offenkundig etwas vorgenommen. Denn auch insgesamt dominiert auf "Welcome 2 Club XIII" die Intro- beziehungsweise Retrospektive.
Nur selten gerät diese so unbeschwert wie im Titelsong, der mit seinen Honky-Tonk-Anleihen die biergetränkten Anfangstage der Band, die damals noch noch unter dem schönen Namen Adam's House Cat auftrat, in Muscle Shoals wiederaufleben lässt. Oder so offensiv sarkastisch wie im ruppigen "Every single storied flamed out", in welchem Cooley mit Bläsern im Rücken ein vertracktes Vater-Sohn-Verhältnis aufspießt. Häufiger sind die nachdenklichen und melancholischen Tonarten, wobei die Songs mehr Fragen stellen als sie Antworten liefern. Erfahrung macht nicht unbedingt klüger, das wird ein ums andere Mal klar. "Seems the more I know / The less I have the answers to these things I sow", heißt es etwa in "Shake and pine". Das ähnlich getragene "Forged in hell and heaven sent" hängt unterstützt von Margo Price und Jeremy Ivey einer verloschenen Freundschaft nach. Man kennt das: Langsam und unmerklich nimmt die Distanz zu, verliert man einander immer häufiger aus den Augen und dem Sinn. Jede und jeder hat seine eigenen Probleme und Sorgen, und wie Jahr um Jahr ins Land ziehen, wächst auch die Entfremdung.
Über die Qualitäten von Drive-By Truckers als versierte Geschichtenerzähler wurde hier und anderswo oft genug geschrieben. Immer wieder gelingen ihnen aber auch einzelne Zeilen von lyrischer Präzision und Klarheit. "You drift into narcotic splendor of your never-ending bender / Eyes glazed but somehow smiling like a haze across the skyline", heißt es in "We will never wake you up in the morning". Die sparsam instrumentierte Ballade richtet einen berührenden Abschiedsgruß an eine Person, die dem Alkohol letztlich unterlegen war. Schließlich ist es hier wie dort immer wieder die Frage nach der Vergänglichkeit, die Hood und Cooley umtreibt. Was, wenn die besten Tage schon hinter einem liegen? Das abschließende "Wilder days" führt zurück auf die Straße. Die Reise ist noch nicht vorüber, aber ihr Ende liegt näher als der Anfang. Trauer und Trotz halten sich dabei gekonnt die Waage. "Now the days are getting shorter and the years are counting down / As the sun gets dizzy watching us as we go spinning around / I find it best to laugh at the absurdity of life above the ground / There's no comfort in survival but it's still the best option that I've found."
Damit ist der größte Unterschied zum dezidiert politischen Vorgängertrio bestehend aus "American band", "The unraveling" und "The new OK" vor allem inhaltlicher Natur. Als kritische Chronisten der US-amerikanischen Verhältnisse gönnen sich Hood und Coley vorerst eine Auszeit. Was nicht heißen soll, dass die unschöne Gegenwart nicht hier und da durchschimmert. Wenn etwa das beschwingte "Maria's awful disclosures" mit R.E.M.s Mike Mills eine tatsächlich wahre Fake-News-Story aus dem 19. Jahrhundert ausbreitet, ist es naheliegend, hierin einen Kommentar zu heutigen Zuständen zu sehen. Und wenn im Opener plötzlich eine Gruppe Ku-Klux-Klan-Mitglieder am Straßenrand steht und im nächsten Augenblick schon wieder verschwunden ist – "vanished like rats" – darf das auch als eindeutiger Hinweis verstanden werden. Aber das sind Ausnahmen. Läutet das nunmehr 14. Studioalbum der Bandgeschichte also das saturierte Alterswerk ein, schwelgen Drive-By Truckers von nun an nostalgisch in Erinnerungen? Eher schon wirkt "Welcome 2 Club XIII" wie eine Zwischenstation, die bewusst offen lässt, wohin es künftig gehen wird. Noch bleibt ja etwas Zeit.
Highlights
- The driver
- We will never wake you up in the morning
- Wilder days
Tracklist
- The driver
- Maria's awful disclosures
- Shake and pine
- We will never wake you up in the morning
- Welcome 2 Club XIII
- Forged in hell and heaven sent
- Every single storied flamed out
- Billy Ringo in the dark
- Wilder days
Gesamtspielzeit: 42:42 min.
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2022-06-16 20:12:38 Uhr - Newsbeitrag
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Referenzen
Patterson Hood; Jason Isbell; Jason Isbell and the 400 Unit; Uncle Tupelo; Son Volt; James McMurtry; The Hold Steady; Whiskeytown; Danny And The Champions Of The World; Neil Young; Sleepercar; Jay Farrar; Wilco; Old Man Markley; Scott H. Biram; Bruce Springsteen; The Black Crowes; Steve Earle; Bob Dylan; Townes Van Zandt; Gov't Mule; Johnny Cash; The Allman Brothers Band; Booker T. Jones; Billy Bragg; Schaefer Llana; Eddie Hinton; Lucero; The Dexateens; Centro-matic; Lynyrd Skynyrd; Ryan Adams; Ryan Adams & The Cardinals; Margo Price; Jeremy Ivey; Justin Townes Earle; Ian Noe; Hannah Aldridge; William Elliott Whitmore; The Handsome Family; The Old 97's; Ryan Bingham; Giant Sand; Calexico; The Jayhawks; Widespread Panic; 16 Horsepower; Lambchop; Band Of Horses; R.E.M.; Shooter Jennings; Lifter Puller
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