Tate McRae - I used to think I could fly
RCA / Sony
VÖ: 27.05.2022
Unsere Bewertung: 5/10
Eure Ø-Bewertung: 5/10
Girl x
"You say I should be on top of the world / But I'm not feeling much." Die Leiden des jungen Teenie-Pop-Stars, die nicht einmal knapp vier Milliarden Streams verarzten können. Mit gerade einmal 14 Jahren ging Tate McRae auf YouTube viral, bekam einen Plattenvertrag und schoss im Anschluss komplett in die Social-Media-Stratosphäre: Veröffentlicht in einer Phase Pandemie-erzeugter Langeweile, eroberte ihr Song "You broke me first" eine Vielzahl von TikTok-Herzen und wurde 2020 zum Multi-Platin-Mega-Hit. Nun ist die ehemalige Castingshow-Tänzerin immerhin schon 18 und versucht mit ihrem Debütalbum "I used to think I could fly" an den Erfolg anzuknüpfen, unterstützt etwa von Hit-Produzent Greg Kurstin und Billie-Eilish-Bruder Finneas. Der Name besagter Eilish fiel bei McRae ja oft als erste Referenz, doch hat sie sich von deren Edginess inzwischen entfernt und fährt stattdessen mit einem Bein auf dem Trend-Zug weichgezeichneten Pop-Punks mit, für den vor allem Olivia Rodrigo eine "Drivers license" hat. In diesem Sinne navigiert sich die Kanadierin durch Coming-Of-Age-Turbulenzen aus Selbstzweifeln und Liebestrauer auf einem generischen Luftschiff, das zwar ein paar gute Nummern abwirft, insgesamt aber eher beiläufig am Himmel vorbeizieht.
Der Beginn ist dabei durchaus vielversprechend: "Don't come back" fädelt zwischen Akustiksaiten ein luftiges Stück R'n'B auf und beweist eine gewisse Ironie, wenn es sich an Nellys Hit "Ride wit me" zurückerinnert, bei dessen Release McRae minus zwei Jahre alt war. "Never left your dad's basement / Now you're mad that I made it", bratzt daraufhin "I'm so gone", lässt seine textliche Säure jedoch unter einem bräsigen 08/15-Clap-Beat versickern. Dies pointiert ein grundlegendes Problem von "I used to think I could fly": McRaes Lyrics prägt oft eine persönliche Offenheit, die ihren jungen Fans einen gesunden Resonanzraum eröffnet, doch die bedeutend weniger charakterstarke Musik schafft es nicht, die Worte nachhaltig zu fixieren. "Hate myself" und "Feel like shit" bringen glaubhaft die jugendliche Emotionsintensität rüber, bei der sich jeder Rückschlag wie ein Weltuntergang anfühlt, verpacken diese aber in eher lahme, stimmlich nicht überzeugenden Piano-Balladen. Immerhin gibt es mit "Boy x" nur eine richtige Gurke auf der Platte, ein eigentlich positives Selbstliebe-Plädoyer, unterlaufen von Storytelling aus der blödesten Klischee-Hölle: "There was a girl / Not too different from me / She thought she found the world / But then the world found out she's weak / I guess that's okay / No, I just couldn't see / That there was a billion of boy x, but babe, there's only one of me." Aua.
Besser stehen McRae die Momente, in denen sie Rodrigos Bubblegum-Rock am deutlichsten zitiert: im treibenden "What would you do?" etwa, oder im größten Highlight "She's all I wanna be", das sich mit Gitarren-Spitzen und toller Synth-Hook in jede Pop-affine Sommer-Playlist hineinnagt. Ebenfalls gelungen sind das verhallte Drama von "Chaotic" samt seiner Eilish-haften Vocal-Verzerrungen sowie die abschließende Mondscheinbrise "I still say goodnight" – gleichsam angelehnt an die berühmte Spinnen-Liebhaberin. Dass die Benennung der Höhepunkte nicht ohne Namedropping auskommt, zeigt wieder die Crux von "I used to think I could fly", sich kaum signifikant von der Masse abheben zu können. In einem Interview sprach McRae selbst darüber, wie schwer sie es hatte, als unerfahrene Teenagerin in den Writing-Sessions ihre eigene Vision des Albums zu artikulieren und durchzusetzen. An der Konturierung einer klaren Identität scheitert sie also vorerst noch, wobei es dem Großteil ihrer Altersklasse mit oder ohne Internet-Fame im Rücken genauso gehen dürfte. Musikalische Formlosigkeit als Meta-Ausdruck einer zielgruppenoptimierten Relatability? Darauf erstmal ein TicTac.
Highlights
- What would you do?
- Chaotic
- She's all I wanna be
Tracklist
- ?
- Don't come back
- I'm so gone
- What would you do?
- Chaotic
- Hate myself
- What's your problem?
- She's all I wanna be
- Boy x
- You're so cool
- Feel like shit
- Go away
- I still say goodnight
Gesamtspielzeit: 36:48 min.
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Referenzen
Pale Waves; Olivia Rodrigo; Avril Lavigne; Billie Eilish; Finneas; Post Malone; Conan Gray; Hayley Kiyoko; Troye Sivan; Gayle; Maggie Lindemann; Tegan And Sara; Lauren Spencer-Smith; Nessa Barrett; Kelly Clarkson; P!nk; Kesha; Katy Perry; Sigrid; Astrid S; Paramore; The Aces; Fickle Friends; The 1975; Lorde; Taylor Swift; Marina; Camila Cabello; Shawn Mendes; Zara Larsson; Tove Styrke; Julia Michaels; Halsey; Sky Ferreira; The Regrettes
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