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Life - North East coastal town

Life- North East coastal town

Liquid / Cargo
VÖ: 10.06.2022

Unsere Bewertung: 7/10

Eure Ø-Bewertung: 5/10

Hull und Rauch

Die Zuschauer einer Folge von Jehnny Beths ARTE-Musikshow "Echoes" staunten nicht schlecht: Wer waren denn die vier Jungspunde, die neben Idles und Primal Scream mit den Songs "Half pint fatherhood" und "Euromillions" eindrucksvoll die Bühne zerlegten, und deren Frontmann bei der folgenden Talkrunde durchaus Vernünftiges zur sozialen Dimension von Popmusik von sich gab? Tja, wenn sie mal verglichen hätten. Am besten auf Plattentests.de. Dann hätten sie nämlich gewusst, was für ein Volltreffer 2019 unser Album der Woche "A picture of good health" war. Ein rasantes, gleichzeitig schmuddeliges und elegantes Power-Pack aus Brit-Rock und Post-Punk, das überhitzte Stehficks in dreckigen Hauseingängen und vollgekotzte Tabletts bei McDonald's nicht nur aus Irvine-Welsh-Büchern kannte. Ob die das wohl noch ein zweites Mal hinkriegen?

Spoiler: nein. Ist aber auch gar nicht nötig. Denn Life samt Sänger Mez Sanders-Green werden nun mal älter und klüger, sodass sie nicht mehr mit der ganz groben Kelle zu Werke gehen müssen. Und mit ihrem Heimatort, dem im britischen Landesmittel nicht gerade brillant dastehenden Hull, haben sie längst ihren Frieden gemacht. Spätestens auf ihrem dritten, der Stadt gewidmeten Album "North East coastal town". Bedeutend rosiger sieht es dort inzwischen zwar nicht aus, doch es gilt: You can take a band out of Hull, but you can't take Hull out of a band. Life können also gleich da bleiben – bei ihren "Friends without names", denen das gleichnamige Stück mit leicht krautigem Bass und fein gesponnenen Licks seine Aufwartung macht. Etwas angedüstert, latent melancholisch, aber stets stolz und melodiesicher – und ein idealer Opener mit Langzeitwirkung.

Dass Sanders-Green auf Fotos neuerdings mit Schlips zu sehen ist, heißt jedoch nicht, dass bei Life nicht mehr der (Post-)Punk abgeht. Eine sehnige Rhythmusgruppe, schrill aufbegehrende Gitarren und mit steifer Oberlippe deklamierte Zeilen reichen völlig aus, damit "North East coastal town" beinahe wieder bei seinem rabiateren Vorgänger angelangt ist. Zumindest im widerborstigen "Big Moon Lake", das vehement eine Lanze für die Heimat bricht: "Don't go to Big Moon Lake they said, it'll blow your mind / Go to the Yorkshire Dales instead, you know it's half the price." Und natürlich: "I'm freaking out." Ein Leichtes mit diesem stürmischen Brecher, dem "Incomplete" oder "Almost home" trotz gedrosselten Tempos kaum nachstehen. Auch dank überdrehtem Background-Johlen, bei dem die neu dazugestoßene Bassistin Lydia Palmeira ordentlich die Laute macht.

Noch rüder wird es, wenn Life die mit Punk-Vibe verwilderten Tracks atemlos anzählen und "Self portrait" handgestoppte 120 Sekunden genügen. Der ramponierte Groove überholt sich selbst, die Übersteuerung brutzelt, und Sanders-Green blafft uns entgegen: "I'd like to get to know you / If I only had the time." Angenehm. Ist das da eigentlich ein blaues Auge? Kann passieren beim Rocken, Rumpeln und Rauchen von "Poison" und "The drug", zwei ähnlich beinharten Party-Songs, die auch musikalisch Substanz besitzen. Ohne Kater geht all das natürlich nicht ab: "Duck egg blue" nimmt sich sogar über sechs Minuten Zeit für eine schwebende Halbballade. Doch schließt dieses Album mit so einer wunderbar wehen Lo-Fi-Hymne wie "All you are", nehmen wir gerne in Kauf, dass das Getöse zuvor vermutlich nicht immer ganz gesundheitsförderlich war. In Hull muss das so.

(Thomas Pilgrim)

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Highlights

  • Friends without names
  • Big Moon Lake
  • Poison
  • All you are

Tracklist

  1. Friends without names
  2. Big Moon Lake
  3. Incomplete
  4. Almost home
  5. Duck egg blue
  6. Shipping forecast
  7. Poison
  8. Self portrait
  9. The drug
  10. Our love is growing
  11. All you are

Gesamtspielzeit: 38:32 min.

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Armin

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2022-06-02 20:40:12 Uhr - Newsbeitrag
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