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Ethel Cain - Preacher's daughter

Ethel Cain- Preacher's daughter

Daughters Of Cain
VÖ: 12.05.2022

Unsere Bewertung: 8/10

Eure Ø-Bewertung: 7/10

Ein Kind von Traurigkeit

Es braucht nur wenige gesungene Worte über einem waberndem Basslauf, bis klar ist: Ethel Cain ist besonders. Die ersten Zeilen, viel Hall, viel Atmosphäre – diese Stimme. Eine, die schon auf den ersten Metern den Stil und die Eleganz der besseren Lana-Del-Rey-Momente mitnimmt – und noch so viel mehr kann, wie sich in den nächsten 75 Minuten herausstellen wird. Eine solch absurde Überlänge ist für ein Album, welches sich ganz grob im Alternative-Pop-Bereich bewegt, eh schon größenwahnsinnig. Was Cain in dieser Zeit angeht, noch viel mehr. Greift nur ins höchste Regal, nimmt jeden Einfluss mit, der denkbar ist, überrascht immer wieder durch ihre eigenen Adaptionen im Grunde wohlbekannter Sounds. Dreampop, Shoegaze, Alternative Rock, Indie.

"American teenager" mixt in vier Minuten Editors-Gitarren mit Cure-Synthies und einer Gesangsperformance, welche sich etwa an Hatchie oder Halsey orientiert. Im Grunde musikalischer Wohlfühlpop, welcher allerdings komplett auf die falsche Fährte lockt. In "A house in Nebraska" kehrt das Behutsame zurück, die große Geste, das Sehnsüchtige. Tief gestimmtes Klavier, ausladende Komposition. Knapp acht Minuten Raum nimmt sich Cain hier und fährt gen Ende noch weiträumige Gitarrensoli auf. In diese Kerbe zwischen Dreampop und ausdrucksstarker Stimme schlägt auch "Western nights". Nachdem "Family tree" im Opener angekündigt wurde, manifestiert sich nun im vierten Stück der eigentliche Song dazu. Eine tiefschwarze Ballade, gleichzeitig den Alternative-, oder auch Gothic-Country streifend, als auch eigene Lebensgeschichte andeutend. Cain, bürgerlich Hayden Silas Anhedönia, entstammt einer religiösen Familie, Baptisten, der Vater Diakon. Welchen Bruch es bedeutet haben muss, sich in dieser Melange als Transfrau zu outen, ist jedem der Songs immer wieder anzumerken.

Komplett die musikalische Düsternis umarmend, präsentiert sich das passenderweise "Preacher's daughter" betitelte Werk in der zweiten Hälfte. Sind die Gedanken gerade durch das sehr lange "Thoroughfare" etwas eingelullt, holt Cain zum großen Rundumschlag aus. Spielt "Gibson girl" mit elektronischem Unterbau und stimmlicher Verzerrung etwas mit dem Pop-Appeal der frühen Banks, ist es "Ptolemaea", welches völlig aus der Spur bricht. Zunächst unkenntliche Stimmen, ein einsetzender Bienenschwarm, dumpfer Bass. Zierlicher, verletzlicher Gesang, welcher sich zu einem Inferno steigert, in dessen Zentrum ein markerschütternder Schrei samt Doom-Gewitter steht. Ein Biest von einem Song, irgendwo zwischen Chelsea Wolfe und Zola Jesus. Passend dazu packt "August underground" zu ätherischem Gesang den Drone aus. Was auch immer in diesen zehn Minuten passiert, ist angesichts dessen, bei welchem Stand "Preacher's daughter" anfing, im Grunde völlig unglaublich.

An dieser Stelle hätte durchaus Schluss sein können, doch ein Trio folgt noch: "Televangelism" als dreiminütiges Lo-Fi-Klavier-Intro, welches in "Sun bleached flies" hineinplänkelt, in der Cain eine reduzierte Ballade rezitiert, als wäre nichts gewesen. Allerdings ist der lyrische Fokus, erneut mit einer Religion aufgewachsen zu sein, die sie dann als Mensch verstoßen hat. Auch das abschließende "Strangers" ist in vielerlei Hinsicht verwirrend. Versammelt erneut die große Geste der Popmusik, paart sie mit Stadionrockgitarren – und reißt textlich diverse Wunden auf, immer in der Hoffnung, dass am Ende doch alles gut werde. Was auf jeden Fall mehr als gut geworden ist: dieses Werk dazu. Textlich, in der Umsetzung und in seiner Konsequenz wohl eines der spannendsten Werke des Jahres.

(Klaus Porst)

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Highlights

  • Family tree
  • Ptolemaea
  • Strangers

Tracklist

  1. Family tree (intro)
  2. American teenager
  3. A house in Nebraska
  4. Western nights
  5. Family tree
  6. Hard times
  7. Thoroughfare
  8. Gibson girl
  9. Ptolemaea
  10. August underground
  11. Televangelism
  12. Sun bleached flies
  13. Strangers

Gesamtspielzeit: 75:42 min.

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(Neueste fünf Beiträge)
User Beitrag

Mr Oh so

Postings: 3142

Registriert seit 13.06.2013

2023-03-07 15:45:13 Uhr
@saihttam: Gut zusammengefasst. Stimme in allem zu.

kusubi

Postings: 1442

Registriert seit 17.12.2019

2023-03-07 14:47:02 Uhr
Wünsche es mir soooosehr auf vinyl!

saihttam

Postings: 2456

Registriert seit 15.06.2013

2023-02-28 22:39:11 Uhr
An sich mag ich vieles hieran sehr gerne, aber insgesamt hätte etwas mehr Fokus schon ganz gut getan. Die Songs verschwimmen für mich zu sehr. Es gibt zwar schon immer wieder einzelne Passagen, die herausstechen und hängen bleiben, aber ich kann danach nie sagen, zu welchem Song sie eigentlich gehört haben. So entsteht zwar eine sehr dichte Atmosphäre, aber zu einem wirklich großen Album fehlen die wirklich signifikanten Songs. Vielleicht müsste man es auch noch häufiger hören, damit sich der Nebel etwas lichtet und man alles besser ordnen kann. Aber dafür ist mir das Album dann leider einfach zu lang. Da funktionieren die EPs für mich besser. Vielleicht findet das zweite Album ja dann einen gesunden Mittelweg.

Martinus

Postings: 639

Registriert seit 13.01.2014

2022-08-25 20:12:13 Uhr
Ich habe die Woche mal in das Album reingehört und bin ziemlich angetan.
Ich mag die Stimmung.
7,5/10 bis jetzt mit Tendenz zu einer soliden 8.

kusubi

Postings: 1442

Registriert seit 17.12.2019

2022-08-20 17:02:08 Uhr
Heute durch Zufall entdeckt, dass sie live nach Deutschland kommt. Gleich Ticket geholt. Platte ist für mich bisher das beste Album 2022 (wobei ich nicht viel neues entdeckt habe).
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