Lucas Laufen - Weathering

AdP / Embassy Of Music / Tonpool
VÖ: 29.04.2022
Unsere Bewertung: 7/10
Eure Ø-Bewertung: 6/10

Schrei, so leise Du kannst
Es soll ja Leute geben, die zum Schreien in den Wald gehen. Dort, wo es so richtig leise ist, kann man sich selbst am lautesten hören und sich mal wieder richtig spüren. Im Lärm der Stadt verliert sich selbst der lauteste Schrei schnell zwischen den Häusergassen und ist schnell vergessen. Daher erscheint es reichlich absurd, dass sich der Australier Lucas Laufen vor etwas mehr als einem halben Jahrzehnt ausgerechnet das unerbittliche Berlin als Hauptwohnsitz ausgesucht hat. Denn der Folk-Sänger hat eine dieser Stimmen, die einen fast verzweifeln lassen, schafft sie es in der Kneipe kaum über den Tisch zum Gesprächspartner. Doch wenn es ruhig wird, dann wirkt Laufen plötzlich ganz laut. Getreu dem Motto: Man hört nur mit dem Herzen gut.
Sein zweites Album "Weathering" beginnt nervös mit einem "Cabin fever", dem Lagerkoller, den mittlerweile wohl die meisten Menschen gut nachvollziehen können. Die schnellen Tastenanschläge auf dem Klavier wirken wie ein Wasserläufer, den man in einem Glas eingesperrt hat. Ein bisschen später wird er dann zum Glück freigelassen, wenn sich im Titelsong Gitarre und Stimme zaghaft ausbreiten. Und trotz anhaltender Schwermut blitzt die Schönheit durch, die im für selbstverständlich Genommenen liegt: "And there’s more to rain / Than particles and weathering." Irgendwo zwischen zartem Picking à la Sun Kil Moons "Admiral fell promises" und Bon Ivers "For Emma, forever ago" suchen sich Laufens Stücke ihren Platz, wo er bedächtig Piano und Gitarre verheiratet und zur Feier des Tages auch mal seine zurückhaltende Trompete einlädt.
Dass für den Sänger "Wanderlust" nicht nur eine Insta-Bio und Cottagecore keine Phase ist, merkt man "Weathering" schnell an. Und so hält die Platte es dann doch kaum in Berlin aus und führt uns einmal quer durch die Nadel- und Mischwälder Europas. In nur neun Songs besuchen wir zumindest zeilenweise Italien, Norwegen, Kroatien, den Kosovo, Paris, Schweden, Dänemark, Grönland, Sibirien … und Köln. Eine überwältige Menge, bei der selbst der erfahrene Voyageur mal den Fokus verliert, wenn er auf "Blue" gesteht: "I took photos / But sort of wish I took time." Immer wieder findet Laufen solche einfachen, aber gewichtigen Worte, wenn er mit "I don’t believe in loss" Trauer einfach ignoriert oder in "Beside me" mit einer Beziehung hadert, aber die Hoffnung nicht aufgeben will.
Melancholie durchzieht diese Platte, deren knochige Gerüste auf klapprigen Beinen zittern, am Ende ganz antiklimaktisch immer leiser werden und dann einfach kollabieren. Kurz ist noch zu hören, wie sich jemand vor dem Mikrofon bewegt. Es ist ein Abwenden, nachdem alles gesagt ist. Ein letztes Aufbegehren und ein lauter Jammerlaut hätten auch nicht zu Lucas Laufens Zweitling gepasst. Er geht nicht in den Wald, um dort Luft abzulassen und zu schreien. Aber wenn es ruhig wird, dann wirkt er plötzlich ganz laut und dann möchte man noch ein Stück näher rücken, um auch ja nichts zu verpassen.
Highlights
- Cabin fever
- Time took tolls
- In Cologne
Tracklist
- Cabin fever
- Weathering
- Time took tolls
- Blue
- Heaven on the hill
- In Cologne
- I don’t believe in loss
- Beside me
- 72
Gesamtspielzeit: 33:14 min.
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Referenzen
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