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Mia Morgan - Fleisch

Mia Morgan- Fleisch

Eklat / Krasser Stoff
VÖ: 29.04.2022

Unsere Bewertung: 5/10

Eure Ø-Bewertung: 6/10

Leere Kalorien

Sollte der Begriff "80s-Revival" bald Einzug in den Brockhaus oder andere deutschsprachige Enzyklopädien halten, fände man beim Nachschlagen an dieser Stelle neben Max Gruber alias Drangsal bestimmt auch ein Bild von Mia Morgan. Wie jener zerrt die Kasselerin den Synth-Pop britischer Güteklasse in den hiesigen Pop-Rock, nimmt dabei aber nicht den Umweg über ein englischsprachiges und noch radikal-experimentelles Debüt, sondern macht direkt volle Breitseite eine auf Nena – in jünger und klüger. "Fleisch" ist somit ein waschechter Vertreter der Neuen Neuen Deutschen Welle, will nicht bloß bespaßen, sondern aufrütteln. "Segen" bringt dieses Konzept auf den Punkt und überzeugt als zwar plakativer, aber wütend-feministischer und unangestrengt in luftig-leichte Musik gehüllter Elektropopper mit Message und klarer Haltung. Und auch "Jennifer Check", Opener und Standortbestimmung in Anlehnung an Megan Fox' dämonische und männermordende Hauptrolle aus "Jennifer's body", liefert einen tollen Refrain, sodass man sich nicht selten in einer deutschsprachigen Version von Chvrches wähnt. So weit, so gelungen. Und jammerschade, dass Morgan dieses Niveau nicht auf allen der zwölf Tracks halten kann.

Bei Stücken wie dem klebrigen "Teenager" oder "Vage Ahnung" kommen nämlich leider bloß leicht angerockte Formatradiogeschichten heraus, die aller Attitüde zum Trotz kaum aus der gesichtslosen Masse ähnlich gelagerter Acts herausragen. Viele Liebeskummer-Songs muten an wie zitiert aus dem Tagebuch einer schwermütigen Dreizehnjährigen – mag Absicht sein, ist aber einfach nicht sonderlich interessant. Dieser wunderschöne, liebevolle und – am allerwichtigsten! – mit dem richtigen Geschmack gesegnete Mann, den Morgan sich in mehreren Kapiteln zurechtfantasiert, besteht somit nur aus Variationen dessen, was sie in ihrem Underground-Hit "Waveboy" samt seiner sympathischen The-Smiths-Verehrung schon wesentlich besser auf den Punkt bringen konnte. "Gruftpop" hat sie ihre Musik damals genannt. Heute ist Morgan weniger evil unterwegs und gibt sich anschmiegsamer für ein vielleicht ähnlich gelagertes, dabei aber bitte auch größeres Publikum.

"In Wien" ist Füllware mit recycelten Gesangslinien, und sich anspucken lassen wollte Morgan auch schon vorher. Für "Widerlich" hat sie dann eine ordentliche Portion Käsesahne von Drangsals "Exit strategy" abgezapft. Ihre Einflüsse zwängt sie in ganz ähnlicher Weise in eine hippe und Social-Media-taugliche Metaebene voller popkultureller Referenzen. Die kann die Generation Z dann aus dem gleichen Grund abfeiern, aus denen sie zum Beispiel "Stranger things" bingewatcht: der ironisch gebrochenen Sehnsucht nach einem nie erlebten Jahrzehnt, einem Paralleluniversum voller bunter schöner Dinge, deren Oberflächlichkeit, die mit zeitgemäßen Themen kontrastiert wird, man sich aber natürlich bewusst ist. Dabei ist Morgan schlicht besser, wenn sie weniger auf brachialen Konfrontationskurs setzt: Vom siamesischen Zusammenwachsen zweier bester Freund*innen bis hin zur absoluten Selbstaufgabe einer Partei erzählt der Titeltrack und geht dabei nuancierter zu Werke als die meisten der übrigen Stücke. Und auch im etwas aggressiver ballernden "Reaktion" wagt die Künstlerin sich aus ihrer Komfortzone heraus. Große Teile von "Fleisch" sind zwar deutlich aufgeblasener, machen dabei aber weniger satt. Mia Morgans zuckriges Debüt ist somit bei allem Charme und trotz faszinierender Singles ziemlich repetitiv geworden – und leider auch nur halb so edgy, wie es sein will.

(Ralf Hoff)

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Highlights

  • Jennifer Check
  • Segen
  • Fleisch

Tracklist

  1. Jennifer Check
  2. Haustier im Hotel
  3. Teenager
  4. Segen
  5. Fleisch
  6. Vage Ahnung
  7. Schönere Frauen
  8. In Wien
  9. Blond
  10. Widerlich
  11. Reaktion
  12. Von aussen

Gesamtspielzeit: 41:01 min.

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User Beitrag

Affengitarre

User und News-Scout

Postings: 11094

Registriert seit 23.07.2014

2024-04-17 17:16:10 Uhr
Doch, das ist schon ein schönes Album. Mich bekommen zwar nicht alle Songs, aber in seinen besten Momenten muss es sich vor der tollen „Gruftpop“-EP nicht verstecken. Melodien schreiben kann sie einfach.

Highlights: „Jennifer Check“, „In Wien“, „In Blond“

Garmadon

Postings: 489

Registriert seit 29.08.2019

2022-04-30 21:13:03 Uhr
Das Album habe ich noch nicht gehört; werde ich trotz der schlechten Kritiken aber noch nachholen.
Speziell "Schönere Frauen" gefällt mir zumindest schon mal recht gut und ist hier nicht mal als Highlight genannt.

Edrol

Postings: 526

Registriert seit 19.10.2018

2022-04-30 14:49:57 Uhr
Ich mag's. Meine Erwartungen waren nach der "Gruftpop"-EP und den tollen Vorabsingles zwar auch etwas höher, aber alles in allem gefällt mir, was die gute Mia Morgan macht. Jedenfalls meilenweit vom langweiligen deutschen Standard-Pop wie Lea und Konsorten entfernt. "Jennifer Check", "Fleisch", "Schönere Frauen" und "Segen" sind die Highlights.

Sloppy-Ray Hasselhoff

Postings: 2174

Registriert seit 02.12.2019

2022-04-29 14:09:01 Uhr
Hab mich auch durch das Album gequält. 5/10 ist schmeichelhaft. In den letzten drei Minuten ist mir dann doch nur mehr der Lodda eingefallen ...

https://www.youtube.com/watch?v=sfihJ2d0Zpo

ManoloManshit

Postings: 1

Registriert seit 29.04.2022

2022-04-29 13:56:30 Uhr
So aggressiv belanglos und leer, dass man kaum merkt wie oft sich die Melodien und Akkorde wiederholen
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