Jarv Is... - This is going to hurt
Rough Trade
VÖ: 21.03.2022
Unsere Bewertung: 7/10
Eure Ø-Bewertung: 9/10
Schön und schmerzlos
Nachdem er sich ein Jahrzehnt lang relativ rar gemacht hatte, veröffentlicht Jarvis Cocker derzeit wieder so häufig neue Musik wie zuletzt zu den Glanzzeiten von Cool Britannia, als er mit seiner Band Pulp zwischen 1994 und 1998 mit drei großartigen Alben voller zeitloser Hymnen für und auf die gewöhnlichen Leute zum Superstar wurde. Mit "Beyond the pale" gab es im Sommer 2020 das spannende Debüt seines einigermaßen albern benannten neuen Bandprojekts Jarv Is..., ein gutes Jahr später folgte eine amüsante Sammlung von Coverversionen französischer Chansons, die Muttersprachlern aufgrund der teils kruden Aussprache allerdings das Baguette weich werden ließ. Nun melden sich Cocker und seine Truppe mit dem Soundtrack zu einer neuen BBC-Krankenhaus-Dramedy-Serie zurück. "This is going to hurt" zeigt in sieben Episoden den Alltag auf der Entbindungsstation eines staatlichen Krankenhauses in London. Für die aurikuläre Einnahme des Albums ist die vorherige Konsultation des Hauptdarstellers Ben Whishaw jedoch nicht vonnöten.
Der Soundtrack-Charakter von "This is going to hurt" wird auf den insgesamt vier von Harfenistin Serafina Steer komponierten Fast-Instrumentalstücken am deutlichsten. Diese vermitteln zwar Atmosphäre und binden etwa in "Visiting hours" das Pluckern medizinischer Geräte ein, bleiben jedoch skizzenhaft und melodisch allesamt ohne Mehrwert. Umso stärker sind jedoch die tatsächlichen Songs mit Vocals und Text aus Jarvis Cockers Feder, deren Vibe sich recht stark vom deutlich tanzbarerem Erstling unterscheidet. Im Titelsong verknüpft der Brite wie so oft eine verspielt eingängige, hier durch Pizzicato-Geige akzentuierte Melodie mit eher düsteren Lyrics, die noch an Universalität gewinnen, weil man nie weiß, wovon genau die Rede ist: "This is gonna slay you / This is gonna leave a mark / It's gonna tear you apart / It's gonna make your eyes water / It's a major major trauma."
Mit schleppendem Beat und deutlichen Anleihen bei The Velvet Underground und Leonard Cohen beschreibt Cocker im Highlight "Dare to love" augenzwinkernd das schwierige Verhältnis zu einer bindungsscheuen Frau, die es bevorzugt, Dinge eher vage zu halten. "You keep sending me smoke signals / When just a text would do", klagt der Erzähler und die Zuhörenden frohlocken angesichts solch lyrischer Aperçus klassischer cockerscher Prägung. An seine Jahre mit Pulp erinnert der treibende, durch dissonante Streicherklänge aber immer kurz vorm Implodieren stehende Groove von "Job description", dessen musikalische Zerrissenheit sich konsequent in so herrlichen Zeilen wie "I retire to lick my wounds / Can I lick yours too?" widerspiegelt. "Fuck this" erhebt zu fast orientalisch anmutenden Harmonien das titelgebende Urteil ähnlich resigniert und dennoch wunderschön zum Mantra wie auf Cockers Solo-Debüt die vergleichbar defätistische Einschätzung "Cunts are still running the world". "This is going to hurt" straft seinen Titel Lügen und schmerzt auf Albumlänge nicht nur nicht, sondern weiß ohne Risiken und unerwünschte Nebenwirkungen auf ganzer Linie zu überzeugen.
Highlights
- This is going to hurt
- Dare to love
- Job description
- Fuck this
Tracklist
- This is going to hurt
- Visiting hours
- Adam's nightmare
- Dark wave
- Dare to love
- Shruti
- Job description
- Difficult C section
- Fuck this
- Just another one of those days
- All I have is you
- Shruti (The golden thread)
Gesamtspielzeit: 36:52 min.
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(Neueste fünf Beiträge)
User | Beitrag |
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pounzer Postings: 373 Registriert seit 24.08.2019 |
2022-04-16 18:53:40 Uhr
Kann definitiv die Serie empfehlen. Hart aber gut. |
oldschool Postings: 655 Registriert seit 27.04.2015 |
2022-04-14 21:07:42 Uhr
Die "7" geht schon okay. Abwechslungsreiches Album, das dennoch in sich geschlossen wirkt und die Songs kommen recht zügig auf den Punkt. |
Armin Plattentests.de-Chef Postings: 27355 Registriert seit 08.01.2012 |
2022-04-13 20:38:06 Uhr - Newsbeitrag
Frisch rezensiert.Meinungen? |
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Referenzen
Jarvis Cocker; Pulp; The Velvet Underground; Richard Hawley; Suede; The Divine Comedy; Morrissey; Chilly Gonzales; Scott Walker; The Last Shadow Puppets; David Bowie; Leonard Cohen; Roxy Music; David Bowie; Bryan Ferry; James; Sparks; Blur; Foxygen; The Charlatans; Elvis Costello; The Boo Radleys; The Wannadies; The Coral; The Psychedelic Furs
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