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Placebo - Never let me go

Placebo- Never let me go

Elevator Lady / So / Rough Trade
VÖ: 25.03.2022

Unsere Bewertung: 7/10

Eure Ø-Bewertung: 7/10

Drück die Fanbedienung fester

Brian Molko gibt sich immer noch paranoid, eigentlich sogar mehr denn je. Fühlt sich "Surrounded by spies", stellt fest: "Everybody lies one hundred times a day." Und natürlich ist der Hunger nach den "Meds" nach wie vor omnipräsent. "Give me my medicine", fleht er, der sich neuerdings samt langem Haar und Schnauzer mit Bandkollege Stefan Olsdal hinter verzerrten Glasscheiben versteckt. Placebo sind mittlerweile nur noch ein Duo, was man allerdings auf dem achten Album "Never let me go" nicht hört. Es folgt auf die längste Pause zwischen zwei Studioplatten der Band und bringt – Hidden-Track-Spielereien mal ausgeklammert – die längste Spielzeit aller Werke auf den Tisch. Dennoch ist es klar Placebo: etwas elektronischer, deutlich weniger euphorisch, der rote Faden in der Diskografie jedoch sichtbar.

Daher fühlt sich die erste Single "Beautiful James" herrlich vertraut an. Der aggressive Leadsynth fräst sich ins Langzeitgedächtnis, während Placebo dahinter einen unkomplizierten und mitreißenden Refrain raushauen, wie sie es einst schon ähnlich mit "Special K" aus dem Jahr 2000 geschafft haben. Digitale Sounds spielen wohl die größte Rolle seit "Sleeping with ghosts", zugleich heben einige Songs auch mit dichten Gitarrenschwaden gen Himmel ab. Das wahrlich fantastische "Twin demons" nutzt diesen Effekt besonders energisch, während die Drums zugleich das Stück nach vorne treiben. Auch "Happy birthday in the sky", eigentlich eher Placebo-Malen-nach-Zahlen, lässt alle Kritik in seinem Finale vergessen. Je sphärischer die Tracks auf "Never let me go", desto besser – vielleicht muss daher auch die eher platte Menschheitsabrechnung "Try better next time" mit dem Tralala-Chorus als Tiefpunkt herhalten. Wir sind halt nicht bei "Pure comedy".

In der Summe kommt einem "Never let me go" dank des mindestens soliden, meist starken Songwritings sowie der Abwechslung und des Spannungsbogens deutlich kürzer vor als beispielsweise das dröge "Battle for the sun". Immer wieder stellen streuen die Stücke unerwartete Gewürze ein, schon direkt am Eingang begrüßt "Forever chemicals" mit einem fiesen metallischen Klirren. "It's all good when nothing matters / It's all good when no one cares" – und vielleicht tut es Molko und Olsdal gut, auf das Indielabel So Recordings gewechselt zu sein. Die Anspannung steckt nicht mehr im Anspruch, Hymnen zu schaffen, sondern in den Gefühlen. "A hug is just another way of hiding your face", giftet es einem im rasant rockenden "Hugz" entgegen. Das aufwärts blickende "Chemtrails" und die mit Reverb getränkte Halbballade "Went missing" träumen sich derweil an andere Orte. "I need to find another island / I've been visible for too long."

Klar, Molkos Texte sind immer noch keine literarischen Meisterwerke. Auch seine Tendenz, Zeilen recht oft zu wiederholen, hat sich eher verstärkt – doch nirgendwo unterstützt das so den Song wie im stimmungsvollen "Surrounded by spies", inspiriert von Molkos spionierenden Nachbarn. Auch wenn "Never let me go" im Kern bereits vor der COVID-19-Pandemie entstanden ist, scheint der Song mehr als ein Auge auf Chvrches' "How not to drown" geworfen zu haben und baut sich eine ähnliche Welt auf. Die Percussion klappert, die Synths zirpen und Molko ruft: "This search for meaning is killing me." Der Wahn wird stärker, das Stück dreht zum Ende hin immer mehr durch. Da braucht es erst einmal leichtere Kost im Anschluss: Besonders das irreführend betitelte "Sad white reggae" macht mit Synthpop-Flirt und umwerfendem Refrain in jeder Hinsicht eine tolle Figur.

Am Ende von "Never let me go" glätten sich die Wogen, die Songs werden ruhiger und der Closer "Fix yourself" ist einmal mehr der Mittelfinger an alle, die Menschen nicht so akzeptieren können, wie sie sind. "Go fix yourself instead of someone else!" – eine einfache Botschaft, in einem grauverschleierten Synth-Track ansprechend verpackt. Dabei predigt "Never let me go" womöglich hauptsächlich zu den Konvertierten. Hatte "Loud like love" mehr Hoch-, aber auch Tiefpunkte, ist dieser Nachfolger ausgeglichener, setzt mehr auf Atmosphäre als auf Einzelsongs und sollte diejenigen, die der Truppe die Stange halten, mehr als zufriedenstellen. Die Aussage "This is what you came for / But you'll leave disappointed" kann man deshalb getrost als Unsinn bezeichnen.

(Felix Heinecker)

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Highlights

  • Beautiful James
  • Surrounded by spies
  • Sad white reggae
  • Twin demons

Tracklist

  1. Forever chemicals
  2. Beautiful James
  3. Hugz
  4. Happy birthday in the sky
  5. The prodigal
  6. Surrounded by spies
  7. Try better next time
  8. Sad white reggae
  9. Twin demons
  10. Chemtrails
  11. This is what you wanted
  12. Went missing
  13. Fix yourself

Gesamtspielzeit: 57:42 min.

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User Beitrag

The MACHINA of God

User und Moderator

Postings: 34864

Registriert seit 07.06.2013

2024-11-26 18:20:47 Uhr
Fand den immer nervig, vor paar Tagen aber zumindest gut (7/10). Aber trotzdem ordentlich unter dem Rest. Und ich finde irgendwie passt er auch stilistisch nicht so richtig rein.

Felix H

Mitglied der Plattentests.de-Chefredaktion

Postings: 10638

Registriert seit 26.02.2016

2024-11-26 18:20:10 Uhr
Nee.

Oceantoolhead

Postings: 2317

Registriert seit 22.09.2014

2024-11-26 18:19:07 Uhr
Try better ist doch auch geil?

Francois

Postings: 1373

Registriert seit 26.11.2019

2024-11-24 16:58:49 Uhr
Ja, ist tatsächlich sehr gut.

The MACHINA of God

User und Moderator

Postings: 34864

Registriert seit 07.06.2013

2024-11-22 18:51:01 Uhr
9/10 und das selbst mit "Try better". :P
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