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Binker & Moses - Feeding the machine

Binker & Moses- Feeding the machine

Gearbox / Membran
VÖ: 25.02.2022

Unsere Bewertung: 8/10

Eure Ø-Bewertung: 6/10

Die zwei virtuosen Drei

Von Herbie Hancock und Miles Davis' "On the corner" bis hin zu "Promises", der 2021er-Kollabo von Floating Points, Pharoah Sanders und dem London Symphony Orchestra: Obwohl sie inzwischen 50 Jahre auf dem Buckel hat, treibt die Synergie von Jazz und elektronischer Musik noch immer frische Knospen. Auch Saxofonist Binker Golding und Drummer Moses Boyd haben als namhafte Vertreter der aktuell so florierenden britischen Jazz-Szene bereits ihre eigenen Spuren in diesem Fusion-Zweig hinterlassen: Weder ihr Duo-Debüt "Dem ones" noch Boyds für den Mercury Prize nominiertes Solo-Album "Dark matter" scheuten sich vor Einflüssen aus HipHop, Grime und Club-Musik. Der Twist ihrer dritten gemeinsamen Studio-Platte ist vor diesem Hintergrund kein allzu verblüffender. Hier wuchsen sie nämlich zum heimlichen Trio an, empfingen für die Aufnahme den Producer Max Luthert, der ihr komplett improvisiertes Zusammenspiel mit Tape-Loops und Effekten begleitete. Und doch, trotz all der bekannten Geschichte und der Kenntnis um die Klasse aller beteiligten Musiker, beeindruckt das Ergebnis ungemein. "Feeding the machine" erschafft eine Kombination aus unvorhersehbarer Free-Jazz-Magie und atmosphärischen Texturen, die einem den Boden unter den Füßen wegzieht.

Während die Songtitel dystopische Science-Fiction-Landschaften evozieren, packt uns die Musik auf einer viel abstrakteren, spirituellen Ebene. Im Opener "Asynchronous intervals" lässt Luthert ein kurzes Saxofon-Riff von Golding durchweg im Hintergrund flackern, wie ein Irrlicht, das einen im vernebelten Sumpf auf vermeintlich festen Boden locken will. Die Atmosphäre bleibt stickig, selbst wenn Binker & Moses ihre Instrumente im weiteren Verlauf immer entfesselter bearbeiten – ein wundersames Stück, das gleichzeitig auf der Stelle zu schweben und in alle Himmelsrichtungen zu zerfasern scheint. In "Active-multiple-fetish-overlord" – mit seinen dreieinhalb Minuten der mit Abstand kürzeste Track des Albums – droht das Chaos, die Oberhand zu gewinnen, wenn das zur Unkenntlichkeit entstellte Saxofon wie ein Computerabsturz klingt. Doch "Accelerometer overdose" gibt allem wieder eine klarere Kontur. Aus den anfänglichen Rauchschwaden schält Boyd einen unerwartet simpel groovenden Beat, den er, begleitet von den Vogelschwarm-artigen Bewegungen seines Kollegen, zum polyrhythmischen Funk ausschraffiert. Die Dynamik ist spannend, aber auch so nachvollziehbar und logisch, dass es absolut fasziniert, wie sie im spontanen Aufeinandertreffen ohne jede zugrunde liegende Komposition entstehen konnte.

Ebenso kaum zu glauben ist stellenweise, dass hier nur drei Leute am Werk waren. "Feed infinite" beginnt als Meisterübung im hypnotischen Minimalismus, entfaltet seine Melodie gemächlich über perkussiven Akzenten und tröpfelnden Synths, bevor sich alle Aspekte zu einem unheimlich dichten Klanggebilde zusammenfügen. "After the machine settles" wirkt mit seiner Ambient-Kulisse zunächst so, als würde Luthert mal einen Track lang die Hauptrolle spielen, ehe die eigentlichen Protagonisten mit voller Wucht hereinbrechen und gerade Golding seine komplexeste, athletischste Performance auspackt. "Because because" öffnet schließlich doch das Science-Fiction-Kopfkino, da man bei jenem Closer ein wenig an Denis Villeneuves "Dune"-Adaption denken muss – und das nicht nur, weil das dominante Blasinstrument hier manchmal wie ein Dudelsack klingt. Ein Bariton-Sound und mittelöstliche Melodien formen die kosmische Wüste, die immer schrilleren Töne setzen zum Kampf an und am Ende kommt alles wieder zur vorübergehenden Ruhe. Und doch kann man sich in noch so elaborierten Metaphern und Vergleichen verlieren oder versuchen, sich über Referenzen und Subgenres anzunähern: "Feeding the machine" bleibt ein Album, das in erster Linie gefühlt werden will. Jazz und Electro haben sich noch immer viel zu sagen und Binker & Moses & Max übersetzen diesen Dialog in ihre eigene wortlose Sprache.

(Marvin Tyczkowski)

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Highlights

  • Accelerometer overdose (feat. Max Luthert)
  • After the machine settles (feat. Max Luthert)

Tracklist

  1. Asynchronous intervals (feat. Max Luthert)
  2. Active-multiple-fetish-overlord (feat. Max Luthert)
  3. Accelerometer overdose (feat. Max Luthert)
  4. Feed infinite (feat. Max Luthert)
  5. After the machine settles (feat. Max Luthert)
  6. Because because (feat. Max Luthert)

Gesamtspielzeit: 49:56 min.

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(Neueste fünf Beiträge)
User Beitrag

kingsuede

Postings: 4332

Registriert seit 15.05.2013

2022-05-10 20:33:48 Uhr
Heute erst mein Vinyl erhalten. Grandioses Ding! Jazz kommt in den 20ern.

kingsuede

Postings: 4332

Registriert seit 15.05.2013

2022-04-25 14:00:18 Uhr
Wie kommt es denn, dass das Album rezensiert wurde? :-)

Armin

Plattentests.de-Chef

Postings: 27366

Registriert seit 08.01.2012

2022-03-09 19:46:01 Uhr - Newsbeitrag
Frisch rezensiert.

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