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Casper - Alles war schön und nichts tat weh

Casper- Alles war schön und nichts tat weh

Eklat / Sony
VÖ: 25.02.2022

Unsere Bewertung: 8/10

Eure Ø-Bewertung: 7/10

Was wirklich zählt

"Hassliebe" wäre vermutlich das naheliegendste Wort für die Beziehung von Benjamin Griffey zum immerwährenden Thema der Albenproduktion. Seien es die Labelstreitigkeiten im Vorfeld des Meilensteins "XOXO", kreative Durststrecken während der "Hinterland"-Genesis oder der chaotische, um beinahe ein Jahr verschobene Release vom etwas zerfahrenen 2017er Werk "Lang lebe der Tod". Irgendwas ist immer – verständlich, ist der gebürtige Lemgoer doch ein ausgewiesener, detailversessener Perfektionist. Halbgar gibt es nun mal nicht im Hause Griffey. Und dennoch: Irgendwas ist anno 2022 zum Release der neuen Platte "Alles war schön und nichts tat weh" anders. Nicht nur, dass Casper sich zum Album-Rollout ganz und gar zufrieden und tiefenentspannt zeigt – auch der vorab ausgekoppelte Titeltrack bildet ein befreit aufspielendes und vor allem sehr abgeklärtes Gegenstück zum arg düsteren "Lang lebe der Tod", welches seinerzeit ebenfalls das gleichnamige Album eröffnete. Die Zeichen stehen also gut für einen neu gewonnen Fokus abseits der Düsternis.

Casper zelebriert auf seinem mittlerweile fünften Longplayer wieder einen für Deutschrap-Verhältnisse gewohnt bunten musikalischen Kompass – wirkt dabei aber stellenweise deutlich gelassener, weniger verkrampft, der Spaß an der Sache scheint spürbarer durch die Zeilen hindurch. Bezeichnend dafür steht das äußerst amüsante "Lass es Rosen für mich regnen", das recht schräge Beats mit einem hymnenhaften, plakativen Refrain des Indie-Hypes Provinz ganz nonchalant kombiniert und sich mit Zeilen wie "Wenn ich geh' / Bau mir 'ne Statue vor dem Stadion" oder "Muss nicht alles was ich mach' für dieses Instagram filmen / Denn was ich tat, ist in Geschichtsbüchern drin" herrlich selbst feiert – immer mit dem nötigen Augenzwinkern, versteht sich. Passend dazu gibt sich zum Ende des Songs noch Lena höchstpersönlich die Ehre. "Durch die Nacht mit…"-Kriegsbeil für immer begraben, hier hat man Spaß. Auch der Gastauftritt des Kraftklub-Fronters und langjährigen Mitstreiters Felix Brummer alias Kummer auf "Gib mir Gefahr" gerät als Post-Corona-Ode an schwitzige Clubnäche und wilde Moshpits äußerst unterhaltsam und mit gar nicht mal so wenig Potenzial zum etwas krawalligeren Sommerhit. Die beiden Rap-Glanzlichter "TNT" und "Mieses Leben / Wolken" zeichnen sich derweil dank gekonnter Features von TUA und Haiyti für die besten Hooks des Albums verantwortlich. Lediglich Beatsteaks-Frontmann Arnim Teutoburg-Weiß alias "Teute" mag mit seinem Beitrag im hymnischen "Euphoria" nicht so ganz ins Schwarze treffen – fällt aber auch keineswegs negativ auf.

Die neue Abgeklärtheit zeigt sich auch auf der anderen, düsteren Seite von "Alles war schön und nichts tat weh". Nun hat der 39-Jährige noch nie vor schweren, dringlichen und wichtigen Themen zurückgeschreckt. Dennoch beeindruckt hier an vielen Stellen eine neue Direktheit. Im betont genervten, groovenden "Zwiebel & Mett (Die Vergessenen Pt. 3)" rechnet der Wahl-Berliner in bissigen Zeilen wie "Wo die Fahne weht fürs Vaterland / Genäht und made in Pakistan / Erzählt man sich bei Raki-Schnaps, wen man fickt / Nicht wen man wählt, das bleibt privat, verdammt!" mit dem Irrsinn der Gesellschaft ab. Die emotionalen Kernstücke des Albums bilden jedoch "Billie Jo" und der Closer "Fabian". Ersteres erzählt die Geschichte von Griffeys Cousine und ihrem Mann aus den USA als erschütterndes Anti-Kriegs-Statement einer gezeichneten Familie. "Sag mir, wann ist ein Haus ein Heim?", fragt Casper rastlos in den Raum, "Er kam zurück, doch ein Teil blieb in der Wüste für immer" bleibt am Ende als Feststellung eines zerstörten Lebens, das nach dem Kriegseinsatz des Ehemanns nie wieder dasselbe war und sich schlussendlich selbst verwirkt. "Fabian" ist die tieftraurige Aufarbeitung des Leukämie-Todes eines engen Freundes – und besonders deshalb so berührend, weil Casper hier Krankheitsverlauf und eigene Karriereschritte direkt und ohne zweiten lyrischen Boden miteinander verwebt. Zeilen wie "Und ich denk mir noch so: Wie sing' ich heute 'Lang lebe der Tod'? / Und was ein blöder Idiot nennt ein Album auch 'Lang lebe der Tod'?" stellen Erfolg und Abgrund in unmittelbare Nähe und vermitteln überzeugend das Gefühl der absoluten Ohnmacht, die immer wieder hinter Griffeys stets aufgedrehter Bühnen-Persona lauert. Unterkriegen lassen ist allerdings nach wie vor keine Option – denn der Tod wird in "Fabian" nicht betrauert, sondern mit einem schallenden "Diagnose Euphorie / Nie wieder Leukämie!" als Befreiung begrüßt. Ein Abschluss großer Klasse und eben auch einer, der beweist: Es ist gut, dass Casper wieder da ist –alleine schon wegen dieser entwaffnenden Aufrichtigkeit. Ja, es zündet erneut nicht jede Idee, aber das omnipräsente Herzblut trägt auch diese Songsammlung wieder auf ihren weiten Wegen durchs Land. "Ob das noch lange gut geht? / Ey, hoffentlich."

(Hendrik Müller)

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Highlights

  • Lass es Rosen für mich regnen (feat. Provinz & Lena)
  • Zwiebel & Mett (Die Vergessenen Pt. 3)
  • Billie Jo
  • Fabian

Tracklist

  1. Alles war schön und nichts tat weh
  2. Lass es Rosen für mich regnen (feat. Provinz & Lena)
  3. TNT (feat. TUA)
  4. Billie Jo (Prelude)
  5. Billie Jo
  6. Zwiebel & Mett (Die Vergessenen Pt. 3)
  7. Das bisschen Regen (Die Vergessenen Pt. 4)
  8. Wo warst Du
  9. Mieses Leben / Wolken (feat. Haiyti)
  10. Gib mir Gefahr (feat. Kummer)
  11. Euphoria (feat. Teute)
  12. Fabian

Gesamtspielzeit: 43:45 min.

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User Beitrag

F. D.

Postings: 3

Registriert seit 26.06.2022

2022-06-26 22:47:36 Uhr
Nach meinem Verständnis stirbt Fabian nicht, sondern besiegt die Krankheit. Es ist ein Lied über Freundschaft.

Arne L.

Postings: 1238

Registriert seit 27.09.2021

2022-03-14 13:06:16 Uhr
Es schließt sich übrigens nicht aus, Casper grundlegend wohlgesonnen zu sein und das Album trotzdem nicht gut zu finden. "Die Welt hört mich" hat mich in der Jugend geprägt und "Lang lebe der Tod" habe ich damals an anderer Stelle herausragend positiv besprochen und mag es bis heute.

"Alles war schön und nichts tat weh" find ich trotzdem das mit Abstand schlechteste Album von Casper, das unsägliche "1982" mal ausgenommen. Ich finde, was ich ihm vorher an banalen Texten habe durchgehen lassen, treibt er dieses Mal so auf die Spitze, dass es mich nervt. Wie beispielsweise die Karriereleiter, die nur ein Hamsterrad ist. Viele Sachen wirken sogar anachronistisch. Und selbst der natürlich sehr persönliche Song "Fabian" endet im Rap-Part für mich komplett antiklimaktisch mit diesem schlimmen "Euphorie/Leukämie"-Reim. Also natürlich unglaublich schön, dass sein Freund das in der Realität besiegen konnte, aber es wirkt auf mich fast schon banalisierend.

Ich bin da bei allem Respekt vor der Person Casper, die ich schon treffen durfte und der ein sehr liebenswürdiger Mensch ist, bei einer 4/10.

Obrac

Postings: 2445

Registriert seit 13.06.2013

2022-03-14 12:54:37 Uhr
@Herr K.: Dein Posting hat bemerkenswerte Logiklücken und bemerkenswert ist auch, dass jemand noch 2022 so einen Beitrag absetzt und dass ich 2022 darauf auch noch antworte.
Zunächst unterstellst du Leuten, die Casper nicht mögen, niedere Beweggründe. Das sei nicht etwa wirklich deren Meinung, sondern gehöre "zum guten Ton". Kann man so sagen, macht aber keinen Sinn. Dann ist es natürlich ok, dass Caspers Texte eher so semi sind, schließlich hat er es ja immer so gemacht. Dann ist das schon ok. Aha. Und klar, Musik muss ausschließlich unterhalten und sonst gar nichts. Das hat verdammt noch mal jeder so zu sehen. Und Caspers Musik unterhält nun mal. Fakt. So wie Peter Steiners Theaterstadl zum Beispiel. Lebt der eigentlich noch? Nein, 2008 verstorben. Aber immerhin 81 geworden.

Z4

Postings: 8861

Registriert seit 28.10.2021

2022-03-13 17:31:01 Uhr
Finde ich gut, solche Postings, erst andere verurteilen die ihn dissen und dann im nächsten Satz selbst ganz nonchalant dem Album einen Spruch reindrücken :D

Herr K.

Postings: 1

Registriert seit 13.03.2022

2022-03-13 12:52:17 Uhr
Gehört bei Leuten mit vermeintlich elaboriertem Musikgeschmack ja zum guten Ton, Casper scheiße zu finden. Irgendwie auch immer etwas ermüdend, dieses zur Schau gestellte Musikkennertum. Ja, Texte sind größtenteils gymnasiale Mittelstufe, war aber ja auch schon immer so bei ihm. In erster Linie soll Musik doch unterhalten. Bei welcher anderen (vielleicht auch nicht deutschsprachigen) Popmusik sind die Lyrics denn immer und ausnahmslos super deep? Seid ihr da auch alle immer so streng? Ich finde das Album ganz unterhaltsam. Keine große Kunst, aber muss ja auch nicht immer sein. Die Vorgänger gefielen mir besser, glaub ich. Ändert sich mit häufigerem Hören aber vielleicht ja auch noch. 8/10 find ich zu viel. Aber ne 6 oder 7 ist schon angemessen.
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